Griechenland, die Zinsgewinne und der Benzinkanister »Bild«
Man nehme ein Interview des Bundesfinanzministers in Griechenland. Dazu die Aufregung um Milliardenüberschüsse des Bundeshaushalts. Und schon sind die Zutaten für die Populismus-Schleuder »Bild« aufgezählt.
Erst meldet sich der Chefredakteur zu Wort: »Bevor Finanzminister Olaf Scholz Griechenland Zinsen in Milliardenhöhe zurück erstattet, weil er sich ›nicht bereichern‹ will, könnte er mal dem Steuerzahler sein Geld zurück erstatten.« Später meldet ein Vizeressortleiter per Kommentar Meinungsvollzug: »Scholz will Milliarden ausschütten – aber nicht etwa an die deutschen Bürger, die riesige staatliche Überschüsse finanzieren. Sondern an Griechenland – mal wieder. Es ist nicht zu glauben!« Und schon rollt eine kleine Empörungswelle durch das Internet.
Scholz hatte in dem Gespräch mit »Ta Nea« zwar erklärt, niemand wolle von der griechischen Krise profitieren – eine Einsicht, die man begrüßen kann, immerhin hatte nicht zu Unrecht Kritik an direkten deutschen Zinsgewinnen gegeben. Der SPD-Mann wollte zudem gegenüber der griechischen Öffentlichkeit den Eindruck etwas verringern, Berlin sei »Nutznießer« der griechischen Krise und der so genannten Rettungspolitik. Scholz nannte das in dem Blatt ein »Missverständnis«. Und er sagte: Ziel der Finanzminister der Eurozone sei es, alle Gewinne der nationalen Zentralbanken regelmäßig dem griechischen Staat zurückzugeben.
Muss man sich darüber empören? Die »Frankfurter Allgemeine« formuliert es so: »Was edel klingt, gibt den Stand der Vereinbarungen zwischen Griechenland und den Geldgebern wieder. In der entsprechenden Erklärung der Eurogruppe vom 22. Juni 2018 heißt es unter Maßnahmen unter anderem: »Verwendung von SMP-Gewinnen des Jahres 2014 aus dem Sonderkonto des ESM und Wiedereinführung der Abführung an Griechenland der den ANFA- und SMP-Gewinnen entsprechenden Beträge (ab dem Haushaltsjahr 2017). Die den Gewinnen entsprechenden Beträge werden an Griechenland über das ESM-Sonderkonto halbjährlich (im Dezember und Juni) in jeweils gleicher Höhe überwiesen, beginnend im Jahr 2018 bis Juni 2022; sie werden genutzt, um den Bruttofinanzierungsbedarf zu senken oder um andere vereinbarte Investitionen zu finanzieren.«
In Wahrheit weiß das auch »Bild«, deren Cheftwitterer sich aber nicht dafür interessiert, sondern durch die Verknüpfung mit dem Thema Haushaltsüberschuss ein bisschen Benzin in die aufgehitzte Meinungslandschaft sprühen möchte. Wer dem Finanzminister vorhält, dass dieser nicht »dem Steuerzahler sein Geld zurück erstatten« möchte, und zugleich beklagt, Griechenland erhalte stattdessen Milliarden, will die Ressentiments ernten, die er zuvor selbst gesät hat: »Wir Deutschen« gegen die »faulen Griechen«.
Das Blatt selbst weiß natürlich, wie die Lage in Wahrheit ist: »Ja richtig, die Gewinne waren Athen versprochen – doch unter der Bedingung, dass alle Auflagen der Geldgeber erfüllt werden«, kommentiert »Bild« Scholzens Ankündigung, die eigentlich nur eine Bestätigung ist. Der Rest ist Verbiegung der Realität zu eigenen Zwecken.
»Jeder weiß allerdings, dass Athen bei Reformen, Behörden-Umbau und Privatisierungen den Plänen meilenweit hinterherhängt«, schreibt »Bild«. Im Bundestagsantrag zum Abschluss des dritten Kreditprogrammes heißt es: »Die Institutionen haben dargelegt, dass die Auflagen der vierten Programmüberprüfung und damit auch das Programm insgesamt erfolgreich umgesetzt wurden.« »Nur die Zahlungen aus Europa waren immer pünktlich«, behauptet »Bild« – was durch Schlagzeilen der Vergangenheit wie »Die Auszahlung des nächsten Milliardenkredits an Griechenland muss weiter warten« korrigiert wird; immer wieder hatten die Gläubiger noch vor Auszahlungen auf der Umsetzung umstrittener Reformen bestanden.
An diese ist übrigens auch die vereinbarte Auszahlung der Zinsgewinne gekoppelt – so wie in der Vergangenheit auch. Das weiß selbst »Bild«: Schon bei Start des Securities Market Programmes SMP »wurde in Sachen Griechenland klar geregelt: Erfüllt der Staat alle Auflagen, bekommt er die Zinsgewinne ausgezahlt. Bis 2015 wurden diese Gelder zumindest teilweise auch direkt von den einzelnen Zentralbanken der EU-Staaten (Bundesbank in Deutschland) und der EZB nach Athen überwiesen. Ein Teil der Gelder landete aber auch auf Sperrkonten bis zur End-Überprüfung der erfüllten Auflagen.« 2015 seien diese Zahlungen dann gestoppt worden – wie es das Blatt formuliert, weil sich die »Regierung in Athen bei Reformen querstellte«.
Die Freidemokraten versuchten jetzt trotzdem, auf den Empörungszug aufzuspringen. Dem Steuerzahler sein Geld zurück erstatten, dies fordere »die FDP seit dieser Wahlperiode, aber hören will das in der GroKo niemand«, twitterte ein Abgeordneter. In der FAZ wird ein anderer mit den Worten zitiert, die Ankündigung von Scholz sei eine »Quatschdiskussion«, Zinsen seien »keine ungerechtfertigten Einkünfte«.
Was man daraus lernen kann: Leute, die von Athen immerzu die Einhaltung von Vereinbarungen verlangen, interessieren sich für diese keinen Deut, wenn es im eigenen Interesse ist oder man mit inszenierter Empörung über die Einhaltung eben dieser Vereinbarungen den Wutbürger füttern kann.
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