Wirtschaft
anders denken.

Alte Autos, gefährdete Gesundheit +++ Union winkt bei IWF ab +++ Anleihe verschoben +++ ESM und Kreditprogramm

10.06.2018
Grafik: Common.eG

In Griechenland fahren europaweit mit die ältesten Fahrzeuge – auch das eine Krisenfolge, eine, die Auswirkungen auf  Umwelt und Gesundheit hat. Außerdem in unserem neuesten Griechenland.Info: Die Union im Bundestag besteht nicht mehr auf eine IWF-Beteiligung. Athen verschiebt eine Kreditaufnahme. Und weitere Meldungen.

Das Griechenland.Info vom 3. Juni:
»Italienisches Fieber«, IWF-Debatte, Streiks gegen Kürzungen, EU-Strukturfonds – mehr hier

1# Krisenfolgen: Griechen haben im EU-Vergleich sehr alte Fahrzeuge

Laut neuer Zahlen des Europäischen Automobilherstellerverbandes ACEA rollt in Griechenland eine der ältesten Fahrzeugflotten in der Europäischen Union: Danach waren Pkw, leichte Nutzfahrzeuge und Busse im Jahr 2015 im Schnitt 13,5 Jahre alt. Der EU-Schnitt lag damals bei 10,7 Jahren, nur in Polen und Litauen sind die Durchschnittsalter der Autos noch höher. Die Zeitung »Kathimerini« berichtet derweil unter Berufung auf Zahlen des griechischen Verbandes der Importeure von Kraftfahrzeugen, dass das Durchschnittsalter der Fahrzeuge bis 2017 bereits auf 15,4 Jahre gestiegen ist. Verbunden sind damit mehrere Probleme: Ältere Fahrzeuge verursachen in der Regel höher Schadstoffemissionen, was sich auf Umwelt und Gesundheit negativ auswirkt. Hinzu kommen mögliche technikbedingte Unfallrisiken wegen der Benutzungsdauer. Die Durchschnittsalter von leichten Nutzfahrzeugen (16,8 Jahre) und Bussen (18,7 Jahre) ist EU-weit das älteste – hier drücken sich vor allem die Folgen der Wirtschaftskrise aus. Schlechte Aussichten und harte Austeritätsauflagen haben also auch einen unmittelbar auf Luftverpestung durchschlagenden Effekt.

2# Union besteht nicht mehr auf IWF-Beteiligung

Wie erwartet versucht die Unionsfraktion im Bundestag, frühere Bedingungen für die Zustimmung zum dritten Kreditprogramm zurückzuziehen: Wie die »Rheinische Post« schreibt, wollen die Abgeordneten von CDU und CSU »nicht mehr um jeden Preis darauf beharren, dass der IWF sich weiter finanziell beteiligt«, wie es in einer Vorabmeldung heißt. Chefhaushälter Eckhardt Rehberg begründete dies mit der anhaltenden Forderung des IWF, deutliche Schuldenerleichterungen für Griechenland durchzusetzen. »Alles in allem summieren sich die Forderungen des IWF für Schuldenerleichterungen auf eine dreistellige Milliardensumme. Wenn sich der IWF damit durchsetzt, ist für mich die Grenze erreicht, an der ich sage: Wir verzichten auf die IWF-Beteiligung«, so Rehberg. »Der IWF will alle seine bisher an Griechenland ausgereichten Kredite umschulden, das sind rund zehn Milliarden Euro. Die soll künftig der Euro-Rettungsschirm ESM schultern.« Schon dies wolle die Union nicht akzeptieren. »Das Ausmaß der Schuldenerleichterungen muss begrenzt bleiben« erklärte Rehberg.

Die Frage der Schuldenerleichterungen und eines – kaum noch für realistisch gehaltenen IWF-Einstiegs in das dritte Kreditprogramm, soll bis Ende Juni geklärt werden. Athen waren Schuldenerleichterungen versprochen worden, die Frage ist auch deshalb kompliziert, weil sie nur einer von mehreren Faktoren ist, um die mit Blick auf die Zeit nach dem Ende des Kreditprogramms gerungen wird. Zwischen europäischen Gläubigern und IWF bestehen seit langem Differenzen in der Bewertung der sogenannten Schuldentragfähigkeit. Das »Handelsblatt« schreibt unterdessen, dass sich Premier Alexis Tsipras »inzwischen eingesehen« habe, dass ein Schuldenschnitt »mit den europäischen Gläubigern politisch nicht machbar« sei. Er erwarte nun »eine Schuldenregelung, die seinem Land ›einen stabilen und dauerhaften Zugang zum Kapitalmarkt sichert‹, sagte Tsipras« bei einem Auftritt in Griechenland.

Konkret könnte das heißen: »Kredite von 130 Milliarden Euro, die im Rahmen des zweiten Rettungspakets vergeben wurden und zwischen 2023 und 2054 getilgt werden sollen, um mehrere Jahre zu strecken«. Ein weiterer Punkt: Die europäischen Geldgeber planen »eine Umschuldung älterer IWF-Kredite, für die Griechenland rund 3,5 Prozent Zinsen zahlt, auf den Euro-Stabilitätsfonds ESM, der nur 0,8 Prozent berechnet. Dadurch würde Griechenland beim Schuldendienst in den nächsten sieben Jahren um gut elf Milliarden Euro entlastet.« In Athen, so das »Handelsblatt« hoffe man, »dass die Euro-Finanzminister am 21. Juni endlich die schon 2012 in Aussicht gestellten Schuldenerleichterungen eintüten«.

3# Athen verschiebt Kreditaufnahme über Staatsanleihe

Die Regierung in Athen verschiebt eine geplante Kreditaufnahme über die Ausgabe von neuen Staatsanleihen offenbar um mehrere Monate. Das berichtet die »Frankfurter Allgemeine« unter Berufung auf »Insider«. Begründung: Die Turbulenzen an den Finanzmärkten im Gefolge der Regierungsbildung in Italien. Man habe die Möglichkeit geprüft, »aber nach den jüngsten Turbulenzen wird das nicht passieren«, wird ein Regierungsmitarbeiter zitiert. Damit würde Athen nicht mehr wie ursprünglich gedacht vor Ende des dritten Kreditprogramms noch einmal die Rückkehr an die Finanzmärkte mit einer zehnjährigen Staatsanleihe testen. Zwei Anleihen wurden schon im Februar und Juli 2017 ausgegeben. Die FAZ weiter: »Regierungsbeamten zufolge kann der Finanzierungsbedarf bis 2020 auch ohne eine einzige Anleiheemission gedeckt werden, da es genügend Puffer gebe.«

4# »Sauberer Ausgang« aus dem Kreditprogramm?

Der ESM-Chefökonom Rolf Strauch hat im Interview mit der Zeitung »Naftemporiki« zum Kreditprogramm und zur Frage der Schuldenerleichterungen Stellung genommen. Zuletzt fragte ihn das Blatt: »Würden Sie den griechischen Ausstieg aus dem Programm als sauberen Ausstieg bezeichnen?« Strauch verweist darauf, dass »das griechische Programm aufgrund des Ausmaßes der Probleme, mit denen Griechenland 2010 konfrontiert war, ein Sonderfall« gewesen sei. »Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten waren viel größer als in den anderen Programmländern, die Kapazität der griechischen Verwaltung zur Durchführung der Auflagen war viel schwächer als in anderen Ländern und die Zeit der Anpassung war viel länger«, so Strauch. Er betonte auch noch einmal, dass die Eurogruppe zusätzliche Entschuldungsmaßnahmen für Griechenland beschließen könne. »Davon hat kein anderes Land am Ende des Programms profitiert. Infolgedessen könnten sich auch die Regelungen für Griechenland nach dem Programm von denen für die anderen Programmländer unterscheiden. Aber es gibt keinen Plan für ein neues Programm. Also ja, in diesem Sinne bezeichne ich dies als einen sauberen Ausgang.«

5# ESM blockiert Auszahlung von 1 Milliarde Euro

Der so genannte Rettungsfonds ESM hält eine Darlehenstranche über eine Milliarde Euro für Griechenland zurück. Wie es bei Reuters heißt, habe dies der ESM am Freitag beschlossen – Begründung: Man wolle eine Bestätigung aus Athen abwarten, dass bestimmte Bedingungen für die Auszahlung erfüllt werden. Hierbei geht es laut Griechenlandblog um Auflagen, laut denen die Regierung fällige Schulden gegenüber dem privaten Sektor begleichen muss. »Hierzu sei angemerkt, dass die Regierung im März 2018 aus der Untertranche der 5,7 Milliarden Euro eine Teilrate von 500 Millionen Euro für die Begleichung fälliger Schulden erhalten hatte und weitere 500 Millionen Euro aus dem Staatshaushalt bereitzustellen hatte, auf dass bis Ende April 2018 insgesamt 1 Milliarde Euro an den privaten Sektor beglichen worden sein sollte.« Die Regierung in Athen glaube allerdings, dass die Freigabe der Tranche am 15. Juni 2018 regulär erfolgen werde.

Die Zeitung »Kathimerini« schreibt, »die Entscheidung überraschte die griechische Regierung, da sowohl die Europäische Kommission als auch die Europäische Zentralbank positive Empfehlungen zur Auszahlung des Geldes an Athen abgegeben hatten. Deutschland habe bei dieser Entwicklung eine entscheidende Rolle gespielt, da der Berliner Vertreter gegen die Zahlung des Geldes wegen der verspäteten Zahlung von 60 Millionen Euro Einspruch eingelegt habe und sagte, alles müsse wie vereinbart geschehen.«

6# Türkei setzt Abkommen zu Geflüchteten aus

Die türkische Regierung hat das bilaterale Abkommen zur Rücknahme von Flüchtlingen mit Griechenland ausgesetzt. Wie unter anderem die »Deutsche Welle« berichtet, ist das im März 2016 vereinbarte »Flüchtlingsabkommen« der Türkei mit der EU davon nicht betroffen. Die Entscheidung »wird als Vergeltung der Türkei für den Umgang Griechenlands mit acht türkischen Soldaten gewertet. Am Montag hatte ein Gericht in Athen die letzten vier der acht Militärangehörigen freigelassen. Sie hatten sich nach dem gescheiterten Putsch in der Türkei im Juli 2016 mit einem Hubschrauber nach Griechenland abgesetzt und dort Asyl beantragt.« Nach griechischen Angaben hat die Türkei seit 2016 nur etwas mehr als 1.200 Flüchtlinge zurückgenommen, davon in diesem Jahr bislang nur fünf.

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