Wirtschaft
anders denken.

GroKo oder NoGroKo: Wie steht die Debatte bei der SPD?

18.01.2018
Olaf Kosinsky (wikiberatung.de), Lizenz: CC BY-SA 3.0

GroKo oder NoGroKo? Die Sozialdemokraten dominieren die Schlagzeilen mit ihrer Debatte über das Sondierungsergebnis. Trotz behaupteter »Erfolge« hängt das der Partei aber umfragemäßig wie ein Stein am Bein. Wie aber ist die Stimmung in der SPD? Unser aktueller Überblick:

Nur noch drei Tage sind es vor dem Parteitagssonntag der SPD. Die Sozialdemokraten dominieren weiter sehr deutlich die Debatte über die mögliche Neuauflage der Großen Koalition. Zum diskurspolitischen Vorteil gereicht es der Partei aber kaum. In Umfragen schrammt die SPD derzeit an der Unterkante der 20-Prozent-Marke herum. Das hat auch was mit der Konfliktlage zu tun: Die Befürworter holen entweder die ganz groben Werkzeuge heraus – so, wenn Andrea Nahles dem Juso-Chef vorwirft, für sein Nein zur GroKo beim Thema Rente gelogen zu haben. Oder es werden die Altvorderen der Partei aufgeboten (Kurt Beck, Erhard Eppler), was den Eindruck macht, der aktuellen Parteispitze mangele es an entsprechender Überzeugungskraft.

Dies ist wohl auch so und hat nicht zuletzt damit zu tun, was Martin Schulz und Co. für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen vorbringen: Es sind weniger inhaltliche Erfolge, weil es nicht so viele glänzende Politpokale für das Schaufenster gibt, sondern Interpretationen des Verfahrens. Dann wird behauptet, die Sondierungen seien nur vorläufig, in den Koalitionsverhandlungen werde man dann noch einmal richtig nachlegen. Dies entspricht wohl auch einer taktischen Überlegung: Wenn der Parteitag mit dem Argument, die Basis solle das letzte Wort haben, zu einem Ja gedrängt wird, wird auch Zeit gewonnen, die Anhänger entweder einzuschläfern oder mit den jetzt angekündigten Nachbesserungen zu überzeugen.

Bei welchen Themen, das bleibt in der Regel im Dunkeln. Auch SPD-Kommunalpolitiker haben für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit CDU und CSU geworben. »Die Ergebnisse der Sondierungsgespräche dürfen für die SPD kein Grund sein, keine Koalitionsverhandlungen mit der CDU/CSU aufzunehmen«, heißt es in dem Aufruf von 18 Oberbürgermeistern. Was ist da noch an Bewegung zu erwarten? Eher wenig: Angela Merkel hat inzwischen deutlich erklärt, die Eckpunkte des Sondierungsergebnisses werden nicht mehr verhandelt, es gehe nur noch darum, »manches noch« auszubuchstabieren.

Was hat die SPD vorzuweisen?

Genügend, sagen die einen. Zu wenig, warnen die anderen. Der »Spiegel« hatte den letzten Stand der Jamaika-Sondierungen mit den GroKo-Gesprächsergebnissen verglichen. Tenor: Die Bilanz falle »ernüchternd« aus. »Denn die Liste der Vorhaben, die bereits die Grünen der Union abgetrotzt haben und die sich nun im Sondierungspapier wiederfinden, ist sehr lang.« Vieles war bereits bei Jamaika genau so verhandelt, manches wurde bei der GroKo-Sondierung lediglich konkretisiert.

Unter dem Strich werden hier nur sechs Punkte als »echte SPD-Erfolge« aufgezählt: das Recht auf Weiterbildungsberatung, die Rückkehr zur Parität in der Krankenversicherung, die Erhöhung der bisher niedrigen Krankenkassenbeiträge, die für Hartz-IV-Empfänger gezahlt werden, die Senkung oder Abschaffung der Kita-Beiträge, Mindestvorgaben für Personal in allen Krankenhaus-Abteilungen sowie einige Detailverbesserungen beim Bildungspaket für Hartz-IV-Kinder. Damit nicht genug: »Auf der anderen Seite fehlen im Sondierungspapier sogar Punkte, die Jamaika wollte – zum Beispiel, dass die Mütterrente nicht mehr auf die Grundsicherung angerechnet werden sollte und so auch armen Rentnerinnen zugutekommen wäre.«

Gabriel, Schulz? Umfragen treiben Personaldebatte

Unterdessen wird angetrieben von Umfragen natürlich auch über das Personal debattiert. Nahles verteidigte Schulz gegen den Vorwurf der Führungsschwäche. Laut einer YouGov-Befragung im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur (Ist sowas eigentlich der Job von Nachrichtenagenturen?) sprachen sich 33 Prozent für Sigmar Gabriel als Vizekanzler aus, nur 22 Prozent für Schulz. Die meisten Befragten machten keine Angaben auf die Frage, wer denn nun für die SPD den Hut in einer möglichen Regierung aufhaben sollte. Bei den SPD-Wählern rangiert übrigens Schulz in der Vizekanzler-Frage mit 40 Prozent knapp vor Gabriel.

In einer anderen Umfragen äußerte sich eine Mehrheit der Befragten (44 Prozent) gegen die Wiederauflage einer GroKo, 36 Prozent äußerten sich befürwortend – vor allem unter Anhängern der Union (63 Prozent) und der SPD (43 Prozent). Laut einer Infratest-Befragung für den Sender BR sehen nur 15 Prozent der Befragten die SPD als diejenige Partei, die sich in der Sondierung am stärksten durchgesetzt hat. Unter den sozialdemokratischen Anhängern sind es auch nur 19 Prozent. Vor allem die Themen Europa, Migration und Gesundheit werden der SPD gutgeschrieben.

71 Prozent der SPD-Anhänger glauben an GroKo-Ja

36 Prozent der Befragten meinten, die SPD sei nach dem Jamaika-Aus umgefallen – die bei der Frage angegebene Alternative lautete: Die Sozialdemokraten hätten aus staatspolitischer Verantwortung doch noch Sondierungsgespräche mit der Union geführt. Auch 17 Prozent der SPD-Anhänger sagen, ihre Partei sei umgefallen. Eine deutliche Mehrheit von 71 Prozent der SPD-Anhänger glaubt aber, der Parteitag am Sonntag werde einer GroKo ebenso den Segen erteilen wie die Mitglieder der SPD beim Basisentscheid. In einer Umfrage für die »Welt am Sonntag« hatten 38 Prozent der SPD-Anhänger eine Große Koalition als sehr gut oder gut bewertet, 60 Prozent als weniger gut oder schlecht.

Wie sieht die Lage in den Landesverbänden derzeit aus? Es gibt Landesverbände, in denen Gremien Beschlüsse für die GroKo gefasst haben, in anderen wurde mit Nein gestimmt. Etwaige Beschlüsse sind für die Delegierten des Parteitags nicht bindend – sie geben aber eine Art Stimmungsbild.

Das bisherige Nein-Lager: Berlin, Sachsen-Anhalt, Thüringen

Dafür: Der Landesvorstand Niedersachsen (81 Delegierte) hat bei drei Enthaltungen ohne Gegenstimme für Koalitionsverhandlungen votiert. Der Vorstand der SPD im Saarland (24 Delegierte) hat sich am Mittwochabend mit 18 zu 1 für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen ausgesprochen. Die Spitze der Hamburger SPD (15 Delegierte) hat sich »einvernehmlich« für die GroKo-Gespräche positioniert. Der Landesvorstand in Brandenburg (10 Delegierte) sprach sich mit neun zu zwei Stimmen für Koalitionsverhandlungen aus.

Dagegen: In Berlin (23 Delegierte) votierte der Landesvorstand mit 21 zu 8 klar gegen Verhandlungen. In Sachsen-Anhalt (6 Delegierte) votierte ein Landesparteitag mit einer Stimme Mehrheit gegen die GroKo-Verhandlungen. Der Landesverband in Thüringen (7 Delegierte) hatte bereits im Dezember Nein zu einer Neuauflage der GroKo gesagt.

Offen: Der größte SPD-Regionalverband NRW (144 Delegierte) wird keinen Beschluss vor dem Parteitag fassen, gilt aber als zumindest in größeren Teilen GroKo-skeptisch. In Bayern (78 Delegierte) tagt der Landesvorstand erst am Freitagabend, der Vorstand der Landtagsfraktion hat sich für die Aufnahme von Gesprächen ausgesprochen. In Hessen (72 Delegierte) soll der Landesvorstand noch vor dem Wochenende eine Empfehlung abgeben, unklar ist, ob eine solche oder ein Beschluss beim Treffen des Landesvorstandes in Rheinland-Pfalz (49 Delegierte) gefasst wird. Aus Baden-Württemberg (47 Delegierte) wird keine Empfehlung erwartet. Die SPD in Schleswig-Holstein (24 Delegierte) wird vor dem Parteitag keine Beschlüsse zur GroKo fassen. In Bremen (8 Delegierte) wird kein Vorparteitagsbeschluss erwartet. In Sachsen (7 Delegierte) und Mecklenburg-Vorpommern (5 Delegierte) sind keine Beschlüsse vor dem Parteitag geplant.

Was wäre wenn …?

Der konservative »Seeheimer Kreis« in der SPD befürchtet, ein Votum des Parteitags in Bonn gegen die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen könne böse Folgen haben: »Wenn sich die SPD am Sonntag doch noch einer GroKo verweigern sollte, riskiert sie bei Neuwahlen einen Absturz auf 15 bis 16 Prozent«, wird Edgar Franke im »Focus« zitiert. Seine Prognose, die Partei würde sich davon »langfristig nicht erholen«.

Dies ist freilich genau das Argument, das umgekehrt auch die Gegner einer Großen Koalition geltend machen. In dem einen Fall läuft das Argument darauf hinaus, dass die Wähler der SPD den Gang in die Opposition vorwerfen würden, in dem anderen, dass sie es tun, weil die SPD trotz schlechter Aussichten auf die Umsetzung eigener Ziele in die Regierung geht.

Hier geht es zum großen OXI-Überblick zur Regierungsbildung.

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