Wirtschaft
anders denken.

Die Royals, die Firma, das Empire

11.03.2023
Vor dem Buckingham Palace in Großbritannien steht eine typische Wache. Das Bild ist durchkreuz von GitterstäbenFoto: Kutan Ural

Eine skandalträchtige wie reformfähige Institution zur Bewahrung der Ungleichheit, nicht nur in Großbritannien. Aus OXI 3/23.

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Zehn Schlösser, ein Flughafen, unzählige Immobilien in bester Londoner Innenstadtlage, dazu noch diverse Hektar Ackerland. All das gehört zum »Duchy of Lancaster«, jenem Herzogtum, das seit anno 1300 dem jeweils gekrönten Haupt des Vereinigten Königreiches gehört. Jetzt also König Charles III. Allein mit diesem Erbe wächst sein Vermögen um umgerechnet rund 750 Millionen Euro, so der geschätzte Wert des Herzogtums. CharlesMutter hat es allein in ihrem letzten Lebensjahr 27,6 Millionen Gewinn beschert. Ähnlich lukrativ ist das »Duchy of Cornwall«, das, ebenfalls traditions- wie rechtmäßig, dem jeweiligen Thronfolger (notfalls auch einer Frau) gebührt, also von Prinz Charles an Prinz William überging. Die Erbschaftssteuer von immerhin 40 Prozent, die das britische Recht für Vermögen über 375.000 Pfund vorsieht, müssen weder König noch Prinz zahlen. Auch das ist geltendes Recht, eingeführt 1993 als Teil einer größeren Steuerreform unter der konservativen Regierung von John Major.

In Zeiten, da immer mehr Brit:innen jeden Teebeutel zweimal aufbrühen, wird die Kritik an derartigen ganz legalen Steuertricks wieder lauter. Was verlässlich zur Folge hat, dass Reichtums- und Unternehmensexperten wie die »Forbes«-Redaktion darauf verweisen, welchen enormen ökonomischen Wert »die Firma« für die Volkswirtschaft darstelle: Hunderte Millionen würde dieses königliche Unternehmen Jahr um Jahr in die britische Wirtschaft pumpen, hauptsächlich in Form von Tourismus sowie Werbung und PR im globalen wie nationalen Wettbewerb um Absatzmärkte. Da es aus dieser Volkswirtschaft angeblich kein Entrinnen gibt, sie eigentlich identisch ist mit dem Wohl der Bürger:innen, seien die Steuerzahlungen, die jene an die Firma leisten, nur scheinbar hoch: Rund 100 Millionen pro Jahr, oder knapp ein Euro pro Kopf. Vielleicht zwei, wenn die Renovierungskosten von Buckingham Palace eingerechnet werden. Weniger als der Preis einer Tasse Tee.

Das leisten wir und das gönnen wir uns, mögen sich viele der Untertan:innen denken, die als Konsument:innen schließlich wirklich daran gewöhnt sind, Schlechteres für ihr Geld zu bekommen: Die Windsors, the Crown, die Royals, MegDiKateWillHarryAndrewFergieCamilla: Zuverlässig liefert der Hof Liebe, Wahnsinn, Familiendrama. Lange bevor Celebrities dieses Geschäftsmodell für sich entdecken konnten. Auf besonders brillante Art und Weise verkörpere die Royal Family universelle Fakten, damit hatte Walter Bagehot, Herausgeber der liberalen Zeitschrift »The Economist«, schon 1867 gegen die Abschaffung dieser Institution argumentiert.

Tatsächlich fordert das seit der bürgerlichen Aufklärung zuverlässig ein Viertel bis ein Drittel der britischen Bevölkerung – abhängig auch davon, wer gerade dazu gezählt wurde. In den kolonisierten Weltregionen lag die Ablehnung weit höher. Ernsthaft versucht hat es dennoch seit dem 19. Jahrhundert keine der amtierenden Regierungen, auch dann nicht, wenn die Labour-Partei an der Macht war. Vielmehr begnügten sie sich damit, die Royals politisch einzuhegen und den steuerfinanzierten Luxusausgaben gesetzliche Grenzen zu setzen. Jonathan Parry, Philosoph und Historiker, formuliert es so: Der britische Staat, dessen führendes Symbol das Königshaus war, habe sich bis zur beinahe vollständigen verfassungsrechtlichen Neutralisierung der Monarchie gereinigt und liberalisiert. Die akzeptierte, wenn auch murrend, beides, den tagespolitischen Maulkorb wie die Ausgabenkontrolle. Diese Light-Version der Monarchie hatte angeblich den Vorteil, einen politisch unschädlichen Populismus zu ermöglichen. Sie habe also dazu beigetragen, Autokraten und Diktatoren zu verhindern: »Als Hitler während des Zweiten Weltkriegs seine Macht durch Massenmobilisierung ausspielte, stotterte Georg VI für England«, schrieb Parry 2020 in einem Beitrag für die »London Review of Books«.

Das ist ein sehr schönes Bild und bester britischer Humor. Die Richtigkeit der Einschätzung muss dennoch bezweifelt werden. Denn die leicht herablassende Ironie, mit der auch viele Linksliberale die Monarchie als liebenswerte bis bestenfalls schrullige Folklore abtun, verkennt oder verschleiert das systemerhaltende Teamplay von Krone und Kapital. Anpassungsfähigkeit an den jeweiligen Zeitgeist gehört dabei zu ihren leichteren Übungen, egal ob nun gerade schlankes Management gefragt ist und sich also auch die fürstlich finanzierte Führungsebene der royalen Firma verkleinert, oder ob König Charles wie die HSBC-Bankengruppe mehr Nachhaltigkeit und Naturschutz verspricht. Unberührt von noch jeder derartigen Reform, ob nun im Haus des Geldes oder dem House of Windsor, bleibt die soziale Ungleichheit. Also dass es Besitzende gibt und Besessene, Chef:innen und Untergebene, solche, die zur Feder greifen, und andere, die das königliche Tintenfass wegräumen, Belieferte und Lieferdienste, volle und eingeschränkte Bürgerrechte, Außengrenzen und Aufnahmelager, uns und die anderen.

Dabei ist es dann auch nicht mehr entscheidend, ob die einen zu Höherem geboren oder berufen wurden oder sich das Höhere durch Leistungen angeblich verdient haben. Dieses globale wie nationale Herrschaftssystem zu verinnerlichen und zu akzeptieren, trotz täglicher gegenteiliger Erfahrungen mit Teebeuteln, kalter Heizung, überhöhter Miete, rassistischen Polizeikontrollen und überfüllter Notaufnahme, dazu trägt die britische Monarchie jahrhundertealtes Know-how bei, das anderswo die Marketingexperten des Status quo mit Neid erfüllt. Als die Queen am 19. September 2022 mit insgesamt rund sechs Milliarden teurem Pomp & Circumstance beigesetzt wurde, verschoben britische Gewerkschaften klaglos ihre Streiks, Familien den Beerdigungstermin ihrer Angehörigen. »Lizzy is in a box«, sangen despektierlich Fans der Fußballclubs Dundee United und Shamrock Rovers. Das könnte hoffen lassen. Oder auch wieder nur Folklore sein. Der nordirische Soziologe Richard Seymour schrieb nach dem Tod der Queen bei »Jacobin«: »Um in Großbritannien ein wirklicher Republikaner zu sein, muss man zuerst Sozialist sein.«

Geschrieben von:

Sigrun Matthiesen

Journalistin

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