Wirtschaft
anders denken.

Hätte, hätte, Mottenkiste: Die SPD, der Mietenstopp und wie daraus eine politische Rückkehr werden könnte

12.09.2018
OXI

Immer dann, wenn Verteidiger der privaten Reichtumsmehrung wegen irgendeiner Forderung vor dem Sozialismus warnen, kann das so kritisierte Vorhaben gar nicht so schlecht sein. Anmerkungen zur SPD-Mietenstopp-Idee und den Reaktionen darauf.

Die SPD hat einen wohnungspolitischen Vorschlag gemacht. Aus der Union, die sonst gern im Zoff miteinander steht, wurde unisono vor einem »Griff in die Mottenkiste der Planwirtschaft« gewarnt. Von den Freidemokraten hieß es, die SPD wandele mit ihrem wohnungspolitischen Papier auf einem »sozialistischen Irrweg«. Der Präsident des Eigentümerverbands Haus & Grund lies mitteilen, er kenne solche Maßnahmen »bisher nur aus totalitären Systemen«. Und ein anderer Lobbyist schöner Renditen aus zinstragendem Kapital, der Verbandschef der Wohnungswirtschaft, wies das sozialdemokratische Ansinnen als populistisch zurück, auch das so eine Vokabel, mit der man heute schnell Platzverweise erteilen kann.

Nun kann man an dem sozialdemokratischen Vorgehen durchaus einiges kritisieren. Es geht nicht weit genug. Und was nützt es, wenn eine Partei, die seit Jahren an der Regierung beteiligt ist, dort genau solche Änderungen nie durchbekommt, sondern eher aus Wahlkampfzwecken auf die Agenda zu setzen scheint. Mal abgesehen davon, dass von links manche einwenden könnten, die Idee mit dem Mietendeckel hätten sie doch schon vorher gehabt. Doch es geht in Wahrheit ja um mehr.

Die für Denkordnungen zwecks Beibehalt vorherrschender ökonomischer Verhältnisse zuständige »Frankfurter Allgemeine« fasste die Warnungen aus dem Lager des Faktors Kapital in dem Vorwurf zusammen, der Vorstoß aus der SPD gebe »einen Hinweis darauf, welchen Stellenwert die Marktwirtschaft in der Wohnungspolitik für die Sozialdemokratie besitzt: einen äußerst niedrigen. Notwendig wäre es, private Investoren zu ermutigen, statt sie durch staatliche Vorgaben immer stärker abzuschrecken.«

Daran ist nun so viel falsch, dass man gar nicht weiß, wo man anfangen soll. Es zeigt sich ja gerade, wie wenig allein die viel gepriesenen Marktmechanismen dafür sorgen können,  die weithin als gravierend betrachtete Wohnungsfrage zu lösen. Dass aus einem Vorhaben zwecks G’, also dem privatwirtschaftlichen Bau von Wohnungen, die über Mieten oder Verkauf Rendite abwerfen sollen, zugleich auch ein gesellschaftliches Ziel erreicht werden könnte, nämlich eine Versorgung mit bezahlbarem Wohnraum für alle möglichst noch unter Beachtung ökologischer, städtebaulicher, sozialer Ziele, darf als gescheiterte Illusion angesehen werden. Nicht erst seit »dieser« Wohnungskrise.

Und apropos Markt – der ist ein Gebilde, das ohne staatliche Eingriffe nicht denkbar ist, das Wort Eingriffe führt eigentlich schon auf die falsche Fährte, denn wer garantiert zum Beispiel Eigentumsrechte (und könnte also in sie eingreifen), reguliert ökonomische Beziehungen usw.?

Ökonomische Gesetzmäßigkeiten

Schon in den 1970er Jahren konnte man nachlesen, dass zwar »eine Ursache für die Probleme der Wohnungsversorgung … sicherlich in der begrenzten Zahlungsfähigkeit breiter Schichten der Bevölkerung zu sehen« sei. »Aber in Zeiten besonderer Zuspitzung der Probleme zeigt sich, dass die Ursachen in objektiven ökonomischen Gesetzmäßigkeiten zu suchen sind, denen die Wohnung als Ware und als sich verwertendes Kapital unterliegt.« (Hier ein ausführlicherer Rückblick auf die Klugheit vergangener Tage)

Wer Interesse an dieser Verwertung hat, die oben genannten Verteidiger der privaten Reichtumsmehrung tun dies, bemühen sich deshalb, ihren Einfluss so geltend zu machen, dass nur der erste Teil des im Zitat geschilderten Problems angegangen wird: der Eigentümerverband Haus & Grund fordert besseres Wohngeld – so soll auf die »begrenzte Zahlungsfähigkeit breiter Schichten« durch steuerliche Subvention hoher Mieten reagiert werden, was man als Umverteilung zu Gunsten der Eigentümer ansehen kann.

Der Punkt, den die Sozialdemokraten machen könnten, wäre folgender: Erstens Ehrlichkeit walten zu lassen, was die Begrenztheit des eigenen Vorschlags angeht – es geht schließlich nicht um mehr als eine Deckelung von Mieterhöhungen über fünf Jahre im Rahmen der Inflation unter der Voraussetzung, dass ein Wohnungsmarkt als angespannt gilt.

Den Ball aufnehmen, verehrte SPD!

Zweitens den Ball aufnehmen, der mit den Warnungen vor dem Sozialismus von der Eigentümer- und Lobbyistenseite in das Spielfeld der SPD gerollt wurde. Etwas besseres kann der Partei eigentlich nicht passieren, an einem für den Alltag von einem Großteil der Bevölkerung schichtenübergreifend so wichtigen Thema lässt sich durchdeklinieren, wo und wie linksreformerische Politik auf den »stummen Zwang« der ökonomischen Verhältnisse trifft und was das politisch an Konsequenzen bedeutet: Rückkehr zur praktischen Kapitalismuskritik, »drastische Eingriffe in den Wohnungsmarkt«, wie sie auch der Sozialverband VdK fordert, Rückkehr zu einer Infrastrukturpolitik des Öffentlichen, in dem die gesellschaftliche Gebrauchswertorientierung über die private Tauschwertperspektive die Oberhand hat.

Dies auf eine Weise zur Debatte zu stellen, die attraktiv auch für Leute sein kann, die sich bisher von »Mottenkisten«-Warnungen und »Sozialismus«-Drohgebilden haben kirre machen lassen, das wäre sozialdemokratisch in einem guten alten Sinne. Sich hier Partner zu suchen, mit denen das demokratisch ausgedacht, gemeinsam umgesetzt wird, hieße für die SPD zudem: Rückkehr zur Politik auf einem ureigenen Themenfeld. Die Voraussetzungen sind nicht schlecht, es gibt wenig Probleme, bei denen eine Rückkehr des Öffentlichen auch als Intervention gegen den und Wiedereinbettung des Marktes diskutiert wird. Kurzum: Die Gelegenheit ist günstig.

Wenn dabei die sozialdemokratische Diskussion auch wieder zu dem einen oder anderen Text von Karl Marx oder Karl Polanyi greifen würde, bei denen man mehr über die interessengeleitete Illusion angeblich »freier Märkte« erfahren kann als bei denen, die nun nach solchen rufen, würde man sich hier in der OXI-Redaktion gar nicht mehr einkriegen wollen. Und zitieren Sie doch jetzt nicht gleich Peer Steinbrück mit seinem »Hätte, hätte, Fahrradkette.« Denn keine Sozialdemokratie ist auch keine Lösung.

Geschrieben von:

Tom Strohschneider

Journalist

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