Wirtschaft
anders denken.

Herbstgutachten sieht »Anspannungen«: der OXI-Überblick

28.09.2017
Foto: Republica / Pixabay

Die Gemeinschaftsdiagnose der als führend angesehenen Wirtschaftsinstitute sieht einen kräftigen Aufschwung – aber auch zunehmende Anspannungen. Die Frage, ob der Aufschwung in eine »Überhitzung« münden könnte, ist schon länger ein Thema.

Am Donnerstag wird das Herbstgutachten der fünf als führend bezeichneten deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute vorgestellt – die so genannte Gemeinschaftsdiagnose. Der Grundtenor ist nicht sehr überraschend und er sickerte schon vorher durch: die Prognose für das Wachstum des Bruttoinlandsproduktes für 2017 wird von 1,5 auf 1,9 Prozent angehoben. Als Fundament gilt weiterhin der private Konsum, der Bauboom wird ebenso aufgezählt und die Tatsache, dass sich globale Risiken wie der Brexit oder die Trump-Adminstration bisher volkswirtschaftlich weniger negativ ausgewirkt haben, lässt auch den »Außenhandel als Wachstumstreiber« wieder aufleben, so formuliert es etwa die Frankfurter Allgemeine.

Dass das Herbstgutachten den Titel »Aufschwung weiter kräftig – Anspannungen nehmen zu« trägt, deutet allerdings auch auf einen zweiten Aspekt hin: die Überhitzungstendenzen. Die werden vor allem auf dem Arbeitsmarkt und auf dem Bau gesehen, dort seien die Betriebe »am oberen Ende ihrer Kapazitäten« angekommen, »Erweiterungsinvestitionen würden dringend gebraucht«, so die FAZ. »Auf dem Arbeitsmarkt zeigt sich ein ähnliches Bild: Deutschland nähere sich immer mehr der Vollbeschäftigung, Hunderttausende Stellen blieben schon heute unbesetzt.«

Im Herbstgutachten nun Einigkeit der Institute?

Die Frage, ob der Aufschwung in eine »Überhitzung« münden könnte, ist schon länger ein Thema – und war bisher zwischen den »führenden« Instituten auch eher umstritten. Anfang September hatte das IfW Kiel erklärt, »die deutsche Wirtschaft steigert ihre Leistung schneller, als ihr guttut« und so nehme die Überauslastung zu, »was eine schmerzhafte spätere Korrektur wahrscheinlicher werden lässt«. Beim DIW hieß es dagegen noch vor ein paar Wochen: »Die gesamtwirtschaftliche Produktion wird in diesem Jahr und wohl auch in den kommenden beiden Jahren das Produktionspotential etwas übertreffen. Eine Überhitzung droht gleichwohl nicht: Dafür spricht neben den nur verhalten steigenden Löhnen und Preisen auch, dass die Unternehmen trotz der guten Auslastung nach wie vor nur äußerst zögerlich in neue Maschinen und Ausrüstungen investieren.«

Nun präsentieren die Institute »eine geschlossene Meinung«, schreibt die FAZ, die das Gutachten schon kannte. »Von einer Hochkonjunktur wie in früheren Aufschwungphasen könne zwar noch nicht die Rede sein, dafür seien die Lohn- und Preissteigerungen zu schwach. »Erste Anzeichen für Anspannungen seien jedoch zu erkennen.«

Auf die Debatte über die Frage, ob eine Überhitzung bevorstehe oder schon begonnen habe, hatte bereits im Sommer Fabian Fritzsche vor überzogenen Beurteilungen gewarnt. Weder bei den Kapazitäten noch auf dem Baumarkt oder bei den Reallöhnen könne man von einer Überhitzung sprechen. »Kaum gibt es nun seit wenigen Jahren eine positive Tendenz, soll diese beendet werden? Natürlich liegt eine überhitzte Wirtschaft, was dann unweigerlich in eine Rezession führt, nicht im Interesse der Politik. Auf Basis der vorliegenden Daten ist es aber schwer, eine solche Überhitzung zu identifizieren. Vielmehr läuft die deutsche Wirtschaft nun endlich in einem absolut wünschenswerten Tempo, in einigen Bereichen wie etwa dem Wohnungsbau sogar noch zu schwach. Ziel der Politik sollte es daher auf keinen Fall sein, diesen Aufschwung zu bremsen, sondern das gegenwärtige Tempo möglichst lange zu erhalten«, so Fritzsche im Sommer.

Wer schreibt das Herbstgutachten?

Die Gemeinschaftsdiagnose wird gegenwärtigen in Kooperation von fünf Instituten vorgelegt, sie erscheint zweimal jährlich, jeweils im Frühjahr und im Herbst, und soll – so heißt es: »eine Orientierung für die Projektionen der Bundesregierung« liefern, also für deren Konjunkturprognosen. Zudem heißt es: Durch die Zusammenarbeit der Institute »werden die Analyse und die Prognose im Dialog und im Wettstreit mit verschiedenen theoretischen und methodischen Ansätzen bestmöglich fundiert«.

Richtig ist freilich auch: Bestimmte theoretische Ansätze dürfen an diesem Wettstreit nicht teilnehmen, eine von Marx herkommende ökonomische Tradition etwa ist bei der Prognosehilfe für die Bundesregierung nicht gefragt. Dabei sind stattdessen: das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung DIW, das mit dem Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung kooperiert; das ifo Institut München, das mit der KOF Konjunkturforschungsstelle an der ETH Zürich zusammenarbeitet, das Kieler Institut für Weltwirtschaft IfW, das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung IWH Halle und das RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Essen, das mit dem Institut für Höhere Studien Wien kooperiert.

An der Gemeinschaftsdiagnose haben auch schon andere Institute mitgewirkt. Ab 2007 etwa war das gewerkschaftsnahe Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung mit dabei – in einem Konsortium mit anderen Forschungsstellen. Die Erstellung der Gutachten war damals neu ausgeschrieben worden, das DIW hatte seinerzeit »das preislich teuerste« Angebot abgegeben und war deshalb nicht mehr berücksichtigt worden. Es gab damals den Vorwurf an das Wirtschaftsministerium, sich von einer »linkskeynsianischen Kampagne« habe beeinflussen zu lassen – dies zielte offenbar auf das IMK, das damals stattdessen mit an Bord der Gemeinschaftsdiagnose kam.

Geschrieben von:

OXI Redaktion

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