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»Herrscher der Welt«: Putin, Musk und die KI

05.09.2017

Künstliche Intelligenz ist eines dieser »großen Dinger« – es wird viel darüber gesprochen, aber ein belastbarer Überblick darüber, welche Rolle KI für die Ökonomie spielen könnte, ist nicht leicht zu finden. Leicht auszusprechen sind dagegen Warnungen, wie gefährlich die ganze Sache eigentlich werden könnte. Zumindest der Streit über letztere Frage macht ständig Schlagzeilen: Zuletzt zofften sich Elon Musk und Mark Zuckerberg öffentlich, der Facebook-Chef hält nicht viel von Weltuntergangsszenarien, wie sie der Tesla-Gründer gern einmal ausspricht. Ist KI wirklich die »größte Bedrohung, der wir als Zivilisation gegenüberstehen«, wie Musk meint?

Nun hat Musk erneut die Alarmanlage betätigt, mit noch drastischeren Worten: »Der Wettbewerb um die Vorherrschaft in KI auf nationaler Ebene wird meiner Meinung nach der wahrscheinlichste Auslöser des Dritten Weltkriegs.« Auslöser diesmal: Eine Äußerung von Russlands Präsidenten Wladimir Putin, der laut The Verge erklärt hatte: Wer bei der KI »die Führung übernimmt, wird Herrscher der Welt«.

Zuckerberg dagegen verweist auf die Potenziale technologischen Fortschritts, etwa in Medizin oder bei der Vermeidung von Unfällen: »Technologie kann immer für Gutes und Schlechtes verwendet werden, und man muss vorsichtig sein, wie man sie konstruiert und was man konstruiert und wie das dann verwendet wird. Aber einige argumentieren dafür, den Prozess zu verlangsamen, künstliche Intelligenz zu konstruieren – ich finde das einfach sehr fragwürdig«, so der Mann von Facebook, der natürlich weiß, dass die »Verwendung« von Technologie auch sehr gewinnbringend sein kann. Diese Frage, also die nach der Umwälzung der technischen Seite der Produktionsverhältnisse, die Auswirkungen auf das Verhältnis von Kapital und Arbeit haben wird, wird derweil auf einer anderen Bühne diskutiert.

Die MIT-Forscher Erik Brynjolfsson und Andrew McAfee haben für den Harvard Business Review gerade die Potenziale der KI noch einmal ausgelotet: »Künstliche Intelligenz – vor allem Machine Learning – ist die wichtigste Basistechnologie unserer Zeit«, schreiben sie – also eine Technologie, die die Wirtschaft in ihrer Struktur grundlegend verändern könnte. Der Netzökonom Holger Schmidt schreibt dazu: »Damit stellen sie künstliche Intelligenz auf eine Stufe mit bahnbrechenden Erfindungen wie der Dampfmaschine, der Eisenbahn oder dem Strom.«

Richtig ist aber bisher auch: Zwar wird KI viel eingesetzt und noch mehr über sie gesprochen. Aber die »Effekte der künstlichen Intelligenz werden wohl erst in der kommenden Dekade richtig spürbar, wenn Industrieproduktion, Handel, Transport, Finanzen, Gesundheit, Recht, Werbung, Versicherung, Unterhaltung, Bildung und wahrscheinlich jede andere Industrie ihre Geschäftsprozesse ändern, um die Vorteile des maschinellen Lernens zu nutzen«, so Schmidt. Dabei wird die Geschwindigkeit der Veränderungen längst nicht mehr von technischen Grenzen verlangsamt, sondern es liege an der »Vorstellungskraft der Führungskräfte und der Implementierung«.

Schmidt hat ein paar Zahlen: »2016 gaben Unternehmen etwa 27 Milliarden US-Dollar für interne Forschung und Entwicklung intelligenter Roboter und selbstlernender Computer aus«, zitiert er eine McKinsey-Studie. Weitere 12 Milliarden US-Dollar kamen von Private-Equity-Gesellschaften oder Risikokapitalgeber. Insgesamt sind dies dreimal mehr als 2013, die Entwicklung treiben vor allem große Digitalkonzerne, Schmidt spricht »die Zurückhaltung vieler traditioneller Unternehmen« an.

Als die beiden wesentlichen ökonomischen Effekte gelten Produktivitätsgewinne aufgrund automatisierter Geschäftsprozesse und die Herstellung besserer Produkte – sie werden aber nicht überall gleich groß sein. »Im Gesundheitswesen und der Autobranche werden die größten Effekte erwartet, gefolgt von Banken und Versicherungen, Transport und Logistik, der IT-Branche sowie dem Handel. Einen vergleichsweise geringen Einfluss werden in der industriellen Produktion und im Energiesektor zu erwarten sein«, so Schmidt.

Und es gibt eine weitere Ebene der Unterschiede: die regionale. China investiert global gesehen derzeit am stärksten in KI. Ein Grund: In ihrer derzeit noch »in hohem Maße von Menschen dominierten Produktion werden voraussichtlich erheblich Produktivitätsgewinne ausgelöst«, so Schmidt. Zudem geht es um Führungsrollen in der globalen Konkurrenz, um Wettbewerbsvorteile und Vorsprung bei Standards.

Wo Musk Untergangszenarien ausspricht, reagiert anderswo der Staat als universeller Gesamtkapitalist mit Forderungen nach mehr Planwirtschaft (würden die natürlich nie so nennen): Der CDU-Politiker Thomas Jarzombek fordert »sofort einen Masterplan, in dem Forschung und Wirtschaft zusammenarbeiten«, die Technologie sei »so entscheidend, dass wir sie nicht China überlassen dürfen, wo es ein ganz anderes Menschenbild gibt«. Auch der SPD-Politiker Lars Klingbeil sagt, »das Thema Künstliche Intelligenz wird in der nächsten Legislaturperiode eine maßgebliche Rolle spielen.« Und weiter: »Wir befinden uns dabei in einem enormen zeitlichen Wettkampf.«

Zuvor hatte Chinas Staatsrat erklärt, das Land wolle auf dem Gebiet der KI bis 2025 führend sein. Bis 2020 soll die Branche in China etwa 19 Milliarden Euro zum Inlandsprodukt beitragen, bis 2025 sollen es schon rund 51 Milliarden Euro sein.

Geschrieben von:

OXI Redaktion

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