Wirtschaft
anders denken.

Hillary strikes back

15.08.2016

Nach Donald Trump erklärt nun auch Hillary Clinton, wie die zukünftige Wirtschaftspolitik aussehen soll. Sie ist mit ihren Ideen weit weg und doch nah dran an ihrem Widersacher. Ein Kommentar.

Nur drei Tages sind seit Trumps Rede vergangen, da macht sich Hillary Clinton in Richtung Detroit auf, um ihrerseits die Eckpunkte eines Wirtschaftsprogramms darzulegen. Sie nutzt dafür nicht den Economic Club, sondern den Besuch eine Werkhalle vor den Toren des deindustrialisierten Detroits. Symbole spielen halt eine große Rolle. Außerdem kann sie hier, die Enkelin eines Fabrikarbeiters, noch einmal ihre amerikanische Geschichte erzählen. Auch für ihre Rolle als Großmutter ist Platz.

Selbstverständlich bekomme ich just in time Berichte, Kommentare sowie Vergleiche zu Trump und seinem Programm geliefert. Hängen bleiben zehn Millionen neue Jobs bis 2020 durch staatlich geförderte Investitionen in Infrastruktur und neue Produktionskapazitäten; ein Steuersystem, in dem die Wall Street und die Reichen ihren fairen Beitrag von mindestens 30 Prozent Steuern leisten; Ausbau der erneuerbaren Energien und Ablehnung des Transpazifischen Freihandelsabkommens.

Leider kann ich den Wortlaut der Rede nicht auf ihrer Kampagnenseite finden. Das Time Magazine hilft mir weiter. Dort bekomme ich auch mitgeliefert, was ich zuletzt in Berichten von Parteitagen der KPdSU, SED etc. lesen konnte – nämlich wann das Publikum die Äußerungen der Kandidatin mit Beifallskundgebungen bedachte. Aus dieser Sicht lohnt sich die Lektüre, denn nahezu jeder zweite Satz wird von Applaus unterbrochen. Allerdings verfälscht es den Vergleich mit der Trumpschen Rede etwas, denn unter den 17 Seiten, 5.681 Worten bzw. 27.000 Zeichen sind eben auch Begrüßungen der Gäste und die Bekundungen des Publikums subsumiert.

Wer in diesem Wahlkampf nachlegt, hat den Vorteil, dass er – in diesem Fall sie – schon am Beginn behaupten kann, dass das noch vorzustellende Programm eine echte Alternative zum Widerpart verkörpert. Davon macht Clinton nicht nur einleitend Gebrauch. Pauschal bescheinigt sie dem Washingtoner politischen Establishment einem wirtschaftspolitischen Zerrbild erlegen zu sein, gravierende weltwirtschaftliche und inneramerikanische Veränderungen nicht zur Kenntnis genommen zu haben und keine Antwort auf diese zu formulieren. Das lässt auf Analyse hoffen.

So heißt denn der zentrale Satz: Die extremen heutigen Ungleichheiten (in den USA) reduzieren die Chance des Wachstums.

Diesen will sie mit fünf Maßnahmen zu Leibe rücken: Investitionen in gut bezahlte Jobs, verbesserter, kostenfreier Ausbildung, Neufassung der Regeln für Unternehmen zur Beteiligung der Beschäftigten an ihren Gewinnen im Gegensatz zur Praxis Arbeitsplätze und Gewinne ins Ausland zu verlagern und faire Beteiligung der Wall Street sowie Superreichen am Steueraufkommen. Fast ist man geneigt, zu vermuten, Hillary Clinton habe die Lektion von Bernie Sanders gelernt und entwerfe ein völlig anderes Bild von Amerika als Trump.

Gute Gründe weiterzulesen

Nach einem Verweis auf das US-amerikanische Wirtschaftswunder nach dem II. Weltkrieg kündigt die Kandidatin dann das größte jemals in den USA aufgelegte Investitionsprogramm in die Infrastruktur mit einer Infrastrukturbank, die das private Kapital (weltweit) anziehen soll, im Zentrum an. Geld für Straßen, Brücken, Flughäfen, Häfen, Schulen, Labore, effizientere und stabilere Energieversorgung, Forschung, Förderung von start-ups und Breitband. Eine Gießkanne für alles und jeden.

Der Leser fühlt sich an den seit einiger Zeit durch die wirtschaftspolitische Debatte geisternden Begriff des Helikoptergeldes erinnert. Allein bleibt ihm unklar, welche Triebkraft das private Kapital aus In- und Ausland zur Beteiligung an diesem Vorhaben reizen sollte. Die Aussicht auf gut zu bezahlende Jobs in Folge des Programms mit erhöhtem Mindestlohn kann es aus der historischen Erfahrung nicht sein.

Darüber kann auch nicht die mit enthusiastischen Erwartungen ausgestattete Aufzählung all der zu überwindenden, heute den Arbeitsalltag vieler Amerikaner und Illegaler prägenden Arbeitsbedingungen hinwegtäuschen – die Diskriminierung von Bevölkerungsgruppen nach Herkunft, Glauben und sexueller Orientierung, die Ungleichheit in der Bezahlung von Männern und Frauen, die Teilzeit-Jobs oder die Illegalen in der Schattenwirtschaft, bessere Bildung, Beseitigung der fremdfinanzierten Ausbildung etc.. Auch nicht ihre Beschreibung notwendiger Veränderungen in den Rollen- und Familienbildern und die Forderung nach einer Beteiligung der Mitarbeiter an den Unternehmensgewinnen.

Gut ihre Steuergutschrift könnte reizen. Ob dies jedoch reicht, um das gigantischste Programm aller Zeiten in einem Land wie den USA auf die Beine zu stellen?

Es ist Keynes, der aus diesen Überlegungen lugt. Ein Keynes, der die Staatsausgaben zum Investitionsmotor für den Wohlstand einer Gesellschaft macht und darauf hofft, dass es die dann in gute Jobs gebrachte Gesellschaft über Steuern irgendwann zurückzahlt. Allerdings steht diese Gesellschaft eben am Beginn vor der Herausforderung, die zukünftig sprudelnden Quellen erst mit (wie von Clinton gesagt) privaten Investitionen zu erschließen. Dies wird nur mit einem staatlich garantierten Versprechen auf Verzinsung zu haben sein. Die faire Beteiligung der Wall Street und der Superreichen an den Steuern wird – unabhängig davon, dass dieses fair auf nicht weniger als Lehrer und Krankenschwestern reduziert wird – dafür kaum ausreichen. Wo da noch Platz für Steuererleichterungen für die middle class sein soll, bleibt als Frage offen.

Aber es ist – und hier ist die Kandidatin dann bei aller Abgrenzung nicht weit von ihrem Widersacher – ein Keynes für die USA. Insofern ist es nur logisch, dass Clinton sich unter Verweis auf den Schutz amerikanischere Arbeitsplätze und amerikanischer Produktion gegen Freihandelsabkommen wendet. Ein Keynes für die USA, der die Konsumtionsrate der Gesellschaft von 70 Prozent des Bruttosozialprodukts sichern und ausbauen soll.

Und in diesen Ansatz passt dann der Verweis der Kandidatin, ein neues Kapitel des amerikanischen Traums aufzuschlagen, das auch das Kapitel 11 sein könnte. Jenes Kapitel 11 des United States Codes, der die Insolvenzverfahren in den USA durch Restrukturierung des Unternehmens und insbesondere seiner Schulden regelt. Es geht hier also um jene 19 Billionen Dollar mit denen der US-Staat verschuldet. Und hier geht es dann um diejenigen, die heute diese Schulden finanzieren. Es sind dieselben, die schon heute mit ihrer Arbeit und ihren deutlich unter dem US-Niveau liegenden Einkommen den bisherigen Ressourcenverbrauch in den USA bezahlen.

Da ist Clinton dann wirklich ganz nah bei Trump.

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