Wirtschaft
anders denken.

Drei Säulen und eine »soziale Dividende«

18.09.2017
Bild: Geralt / Pixabay

Umverteilung im Wahlkampfendspurt: Das gewerkschaftsnahe IMK plädiert für höhere Steuersätze für Vermögende und Unternehmen, um der sozialen Spaltung entgegenzuwirken. Eine Idee sticht heraus: ein bedingungsloses Kapitaleinkommen. Über einen Staatsfonds soll eine soziale Dividende für alle erwirtschaftet werden.

Es ist sicher nicht die schlechteste Idee gewesen, zum Auftakt der Wahlwoche eine Reihe von Forderungen nach Umverteilung in die Debatte zu werfen. »Was tun gegen die Ungleichheit?«, fragt das gewerkschaftsnahe Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung – und hat dann gleich »wirtschaftspolitische Vorschläge für eine reduzierte Ungleichheit« parat. In den Nachrichtenagenturen macht das Thema auch die Runde: »Wissenschaftler plädieren für höhere Steuersätze für Reiche und Unternehmen, um der sozialen Spaltung entgegenzuwirken«, meldet der Evangelische Pressedienst. »Wirtschaftsforscher haben vor der Bundestagswahl am Sonntag an die Politik appelliert, stärker gegen die ungleiche Verteilung von Einkommen und Vermögen in Deutschland vorzugehen«, schreibt die Deutsche Presse-Agentur.

»Nach knapp drei Jahrzehnten, in denen die sozialen Unterschiede gewachsen sind oder selbst bei guter Wirtschaftslage stagnierten, sollten wir jetzt die Weichen neu stellen«, so hat es IMK-Chef Gustav Horn am Montag vor der Presse formuliert. Seine Vorschläge dafür sind so wenig überraschend wie es an einer politischen Umsetzungsperspektive bisher mangelte – es geht um drei Säulen für mehr Gerechtigkeit: Maßnahmen zur Armutsbekämpfung, Förderung der Mittelschicht und stärkeren Besteuerung von Vermögen und Profiten.

Drei Säulen für mehr Gerechtigkeit

Die laut dem Institut der Hans-Böckler-Stiftung nötigen Schritte werden dann im einzelnen ausdifferenziert: Der umverteilungspolitische Ansatz »oben« sieht eine effektivere Besteuerung von Unternehmensgewinnen, die Besteuerung von Finanztransaktionen, eine effektivere Verfolgung privater Steuerhinterziehung, die Rückkehr zu einer progressiven Besteuerung von Kapitalerträgen, die Anhebung des Spitzensteuersatzes, eine Reaktivierung der Vermögensteuer, die Streichung von Privilegien bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer sowie die Reform der Grundsteuer hin zu einer Bodenwertsteuer.

Für die »Mitte« schlägt das IMK die Stärkung des Tarifsystems, eine verteilungsgerechte Gestaltung der staatlichen Ausgaben, die Anhebung des Kindergeldes statt Familien- oder Ehegattensplitting sowie ein bedingungsloses Kapitaleinkommen vor – dazu später noch mehr. Um »unten« die Armut zu reduzieren und drohendem sozialen Abstieg entgegenzuwirken, soll der Mindestlohn schneller steigen, die prekäre Beschäftigung eingedämmt und die gesetzliche Rente gestärkt werden, zudem soll mehr für Langzeiterwerbslose getan werden. So soll der Hartz-Regelsatz schneller und deutlicher steigen – indem er sich am Mindestlohn orientiert, was eine Partizipation am Produktivitätsfortschritt erlaubt und zugleich das Lohnabstandsgebot einhält.

Ein bedingungsloses Kapitaleinkommen

Das bedingungslose Kapitaleinkommen ist der – im Vergleich zur üblichen Debatte um Umverteilung – sicherlich originellste Vorschlag. Die auf eher lange Frist orientierte Idee des IMK läuft auf den Aufbau eines Staatsfonds hinaus, der aus Steuern, Vermögensabgaben und Neuverschuldung gespeist wird. Dieser legt dann in Wertpapieren an und schüttet eine »soziale Dividende« jährlich an alle Bürger aus. Das IMK hat hierzu einschränkend formuliert, dies sei an eine gewisse Dauer des Mindestaufenthalts in Deutschland gebunden.

»Eine bedeutsame Quelle der Ungleichheit ist die hohe Konzentration der Kapitaleinkommen auf Bevölkerungsschichten, die ohnehin schon über hohe Einkommen und Vermögen verfügen«, so das IMK. Vor allem Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen »besitzen kaum Kapitalvermögen, haben nur begrenzte Ressourcen zum Sparen oder zur Glättung von Einkommensschwankungen und können folglich keine Risikoprämien abschöpfen«. Dies zu ändern, soll der Staatsfonds helfen, wobei den IMK-Forschern auch klar ist: »Dieses Vorhaben kann nur auf lange Sicht umgesetzt werden, da der Aufbau des Vermögens ohnehin nur allmählich erfolgen muss, um Verwerfungen an den Aktien- und Anleihemärkten zu vermeiden.«

Auch sei »vorab immer zu prüfen, ob eine alternative Verwendung der Mittel nicht sinnvoller ist«, schränkt das IMK seine Idee sogleich etwas ein. Angesichts der »gravierenden Infrastrukturprobleme« sei es sinnvoll, öffentliche Investitionen auszuweiten. Bestünde dafür aber kein Bedarf, »wäre die Anlage von Steuereinnahmen in einen Staatsfonds sinnvoller, als die Steuern zu senken; letzteres würde in der Regel die Ungleichheit sogar verschärfen«.

Das IMK weiter: »Als Anlagestrategie sollte ein Kurs mit mittleren Risiken eingeschlagen werden. Das ermöglicht auf der einen Seite das Erzielen einer Rendite oberhalb der von festverzinslichen Wertpapieren und verhindert auf der anderen Seite das Eingehen spekulativer Risiken, die die Existenz des Fonds gefährden könnten. Das operative Geschäft sollte von einer selbständig agierenden Bundesagentur oder der KfW durchgeführt werden.«

Was die Analyse der gegenwärtigen Lage angeht, vermeldet das IMK keine überraschenden Zahlen. Gestützt auf Daten zur Entwicklung der verfügbaren Einkommen zwischen 1991 und 2014 heißt es unter anderem, die realen Einkommen der Wohlhabenden seien um 17 Prozent gewachsen, die mittlere Einkommen legten nur noch um zehn Prozent zu und die Geringverdiener konnten ihre verfügbaren Einkommen um nur drei Prozent steigern.

Geschrieben von:

Vincent Körner

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