Wirtschaft
anders denken.

imWandel, imFluss, amAnfang

19.07.2016
Foto: ScreenshotDie Idee, regionale Vernetzung zu fördern, kommt auch in Deutschland an.

AkteurInnen der sozialen und ökologischen Transformation regional vernetzen und ihnen eine Kommunikationsplattform geben – eine Idee, die in Italien entstand und jetzt auch in Deutschland etabliert wird.

Der Italiener Luca Asperius und der Franzose Alexandre Schütze sind Träumer und Macher. Für Veränderungen eine gute Kombination. Träumen allein hilft bekanntlich nicht und einfach nur machen ist in diesen Zeiten kreuzgefährlich. Schließlich steht die Zukunft auf dem Spiel.

In Italien hat es angefangen. Dort entstand das webbasierte Magazin Italia Che Cambia um über AkteurInnen der sozialen und ökologischen Transformation zu berichten und sie zu vernetzen. Es gibt viele davon, aber wer weiß schon von all den anderen, die Ähnliches versuchen an einem anderen Ort in einem anderen Zusammenhang und oft vor ähnlichen Problemen stehend?

Hier betreibt einer einen Biobauernhof, dort versucht ein anderer, Vertriebsstrukturen für ökologische Produkte aufzubauen. Überall sind Schwierigkeiten mit den Behörden zu überwinden, Kämpfe zu gewinnen, Ideen zu finden.

Die Mainstream-Medien waren noch nie und sind heutzutage schon gar nicht sonderlich an Berichterstattung über Projekte und Initiativen interessiert, die sich den geltenden und postulierten ökonomischen Gesetzen entgegenstellen und eine andere Form des Wirtschaftens ausprobieren. So entsteht schnell das Gefühl, ganz allein zu kämpfen, eine Insel zu sein inmitten einer wachstumsorientierten, zerstörenden Ökonomie, die das Geld zum Fetisch und den Planeten zur Verfügungsmasse erklärt. Italia Che Cambia ist also zuallerst eine Zeitung oder besser, ein Magazin und beinhaltet zugleich eine dynamische Karte, auf der inzwischen rund 1600 Projekte und regional orientierte Initiativen verzeichnet und beschrieben sind. Zu der Karte kommt eine Zeitung, kommen andere journalistische Formate, in denen diese Projekte vorgestellt werden. So wird Zusammenarbeit, Vernetzung möglich, und so ist eine Landkarte der Ermutigung entstanden, denn sie zeigt, dass es erstens viele Inseln gibt, die ja gar keine Inseln mehr sind, wenn sie sich vernetzen, und dass es zweitens funktionieren kann, solidarisch zu wirtschaften und neu zu denken.

Luca Asperius ist Gründungsmitglied von Italia Che Cambia und zugleich Entwicklungsstratege der Plattform: »Die Kartierung der Projekte hat vielen gezeigt, dass sie nicht allein sind und dass alternative Projekte eine lange Geschichte haben, die auch eine Erfolgsgeschichte ist. Ich hatte auch schnell das Gefühl, dass in Italien viel mehr praktisch orientierte Projekte ausprobiert werden, die nicht unbedingt gegen, aber man kann sagen, trotz der jeweiligen Regierungen funktionieren. Es gibt in Italien zum Beispiel viele tolle Bürgermeister, aber eben auch viel Korruption. Es gibt ein Netzwerk von Dörfern und Städten, die gemeinsam im Sinne von Umweltschutz, Daseinsvorsorge, Commons Entscheidungen treffen. Noch vor kurzem klang es ja wie ein großer Witz, wenn jemand von Postwachstum redete. Heute denken viele darüber nach.«

Irgendwann ist die Idee entstanden, das Projekt nach Deutschland zu holen. Und nun ist es da.

imwandel.net ist sozusagen das webbasierte Dach, darunter sollen regionale Plattformen entstehen. Berlin und Brandenburg machen den Anfang. berlin.imwandel.net und brandenburg.imwandel.net heißen diese Plattformen, Berlin ist bereits online, aber so richtig losgehen wird es Anfang August, wenn die ersten Videos und Texte veröffentlicht werden. Regionalisierung, das haben die Erfahrungen in Italien gezeigt, ist wichtig, weil sie Vernetzung erleichtert und verstetigt. Wen gibt es in meiner Nähe, mit wem kann ich mich vielleicht auch persönlich austauschen, finden sich in meiner Region Projekte, mit denen ich kooperieren kann? All das ist im unmittelbaren Umfeld natürlich einfach zu gestalten.

Alexandre Schütze betont, wie wichtig auch für die deutschen Portale der journalistische Teil sein wird. »Jetzt haben wir erst einmal mit der Grenzüberschreitung von Italien nach Deutschland einen Anfang gemacht. Wir arbeiten seit einem Jahr an imwandel.net, haben recherchiert, Kontakte geknüpft, die Grundlagen für die notwendige Infrastruktur des Portals und des journalistischen Angebots geschaffen.«

Schütze und Asperius sind sich bei dem, was sie tun, bewusst, dass eine solche Plattform, auf der sich Initiativen und Projekte verorten können, auch von jenen genutzt werden könnte, die nichts weiter betreiben, als »green washing«. Aber deshalb von vornherein mit Ausschlusskriterien und Überwachung zu agieren, finden beide falsch. Besser ist, genau hinzuschauen und ein möglichst breites Spektrum zu akzeptieren und zu respektieren. Schließlich kann auf der Plattform kommentiert und diskutiert werden und schließlich ist niemand perfekt und schon gar nicht, von Beginn an. Sollten allerdings große Unternehmen versuchen, eine kostenlose Marketingkampagne zu platzieren, um ihr Image aufzupolieren, sieht das anders aus. Dafür ist die Plattform nicht gedacht und dafür gibt es Platzverweis.

Imwandel ist nicht profitorientiert und wird als Verein geführt, seine Macher und Macherinnen arbeiten vorerst ehrenamtlich, aber irgendwann wird Geld notwendig sein, um alles in guter Qualität und vor allem kontinuierlich ausbauen zu können – vor allem auf redaktioneller Ebene. Die Plattform soll wachsen und verbessert werden, durch neue Dienste, Werkzeuge und Kooperationsmöglichkeiten.

In Italien ist vor kurzem die 1-%-Kampagne gestartet. Wer möchte, kann mit einem Prozent seiner oder ihrer Zeit oder entsprechendem Geld das Projekt unterstützen.

Ein Prozent für hundert Prozent Engagement und eine wirklich nützliche Idee. Klingt nicht nur gut, ist es bestimmt auch.

Geschrieben von:

Kathrin Gerlof

OXI-Redakteurin

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