Wirtschaft
anders denken.

In der Summe immer reicher: Meldungen aus dem Durchschnittskapitalismus

17.01.2018
Pythagomath, Lizenz: CC BY-SA 4.0

Die Geldvermögen der Bundesbürger sind auf einen Rekordwert geklettert. Aller Bundesbürger? Das Weltwirtschaftsforum warnt jedenfalls vor wirtschaftlicher Ungleichheit. Und der Blackrock-Chef sorgt sich wegen zunehmender Armut. Derweil wird mit Rekord-Ausschüttungen an den Börsen gerechnet. Meldungen aus dem Durchschnittskapitalismus.

Drei Meldungen an einem eher durchschnittlichen kapitalistischen Tag. Die erste lautet: »Trotz des Zinstiefs werden die Menschen in Deutschland in der Summe immer reicher.« So formuliert es die Deutsche Presse-Agentur und meint damit eigentlich nicht, dass alle Bundesbürger immer reicher werden würden, schreibt es aber so auf. Hintergrund der Nachricht: Die Bundesbank hat turnusgemäß neue Zahlen über das Geldvermögen der privaten Haushalte herausgegeben, dieses kletterte auf den Rekordwert von 5,779 Billionen Euro. Berücksichtigt werden hier Bargeld, Bankeinlagen, Wertpapiere und Ansprüche an Versicherungen aber keine Immobilien. Das allgemeine Reicherwerden geht auch weiter für Ende 2017 rechnet die Bundesbank mit einer Summe von 6.000 Milliarden Euro.

Die zweite Nachricht, die wir hier dem Strom des baldigen Vergessens entziehen wollen: Das Weltwirtschaftsforum warnt in seinem aktuellsten »Global Risks Report« unter anderem vor – genau: wirtschaftlicher Ungleichheit. Während die rein ökonomischen Risiken, dabei geht es in der WEF-Lesart vor allem um Wachstum und Finanzmarktstabilität, von den befragten rund 1.000 Wirtschaftswissenschaftlern und Managern eher als nicht so groß angesehen werden, glauben 93 Prozent derselben Experten zugleich, dass sich politische und wirtschaftliche Auseinandersetzungen im Jahr 2018 verschärfen werden. Und: »Wachsende Einkommens- und Vermögensunterschiede werden laut dem Bericht in den nächsten zehn Jahren drittwichtigster Treiber globaler Risiken sein.

Wenn der weltgrößte Vermögensverwalter vor Armut warnt

Dritte Meldung: Laut dem »Standard« hat Larry Fink, Chef des weltgrößten Vermögensverwalters Blackrock, vor zunehmender Armut und wachsender Spaltung gewarnt. Per Offenem Brief habe Fink Manager weltweit dazu aufgefordert, »sich ihrer sozialen Verantwortung bewusst zu werden und zu stellen«, heißt es in der Zeitung. Erinnert wird daran, dass sich zuletzt auch andere Superreiche oder Hedgfondsmanager ähnlich geäußert hätten. Nun also Fink: Der Blackrock-Boss habe zur Begründung darauf verwiesen, dass Millionen von Menschen »mit ihrem Einkommen kaum noch über die Runden kommen. Eine Folge der stagnierenden oder sinkenden Löhne werde sein, dass Menschen im Alter zunehmend in die Armut abrutschen werden«. Im Auftrag von Leuten, die es sich leisten können, hat Blackrock weltweit 5,1 Billionen Euro in Unternehmen investiert, Blackrock ist an der deutschen Börse größter Einzelinvestor.

Seltsame Welt, dieser durchschnittliche Kapitalismus: Im Durchschnitt werden irgendwie alle reicher, aber die, die die Interessen der Reichen vertreten, und sei es als Vermögensverwalter, warnen immer öfter davor, dass es zu viele Arme oder jedenfalls eine zu große Spaltung der Gesellschaft gibt. Natürlich weiß ein jeder, dass das vor allem mit dem Unsinn der ersten Meldung zu tun hat. Dass nicht alle gleichermaßen vom Aufschwung profitieren, gehört zur Alltagsempirie, man muss ja nur einmal auf seinen Kontoauszug schauen. Andere wiederum freuen sich schon auf die nächsten Dividendenzahlungen.

Ausschüttungen der Gesellschaften klettern immer weiter

Auch hierzu gibt es eine Reihe von Meldungen, fassen wir doch zur Aufklärung über die Hintergründe der ersten drei Nachrichten einige davon zusammen: »Die Aktienkurse steigen und auch die Ausschüttungen der Gesellschaften klettern immer weiter. Und so werden für dieses Jahr in Deutschland und in ganz Europa wieder Dividendenzahlungen in Rekordhöhe erwartet«, berichtete dieser Tage die »Frankfurter Allgemeinen«. Sie verweist auf Schätzungen der Fondsgesellschaft Allianz Global Investors, laut denen europäische Unternehmen im kommenden Jahr rund 323 Milliarden Euro an ihre Aktionäre ausschütten. Das ist so viel wie noch nie und würde eine Steigerung um 23 Milliarden Euro zum Jahr 2017 bedeuten.

Allianz Global Investors hat das auch für die Dax-Konzerne durchgerechnet – hier werden Dividenden von insgesamt 35,4 Milliarden Euro in diesem Jahr prognostiziert. Ein Plus von 13 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Fred Schmid vom Institut für sozialökologische Wirtschaftsforschung in München hat sich die Sache ebenfalls angesehen und fasst Schätzungen über die kommenden Dividendenausschüttungen unter anderem vom Handelsblatt-Research-Institute zusammen. »Aus den Dax-Konzerngewinnen 2017 werden insgesamt etwa 35,5 Milliarden Euro an die Aktionäre für das Halten der Aktien«, heißt es dort. Schmid spricht von »goldenen Eier«, die in die Wertpapier-Depots gelegt würden – »in Form der größten Dividendenbescherung aller Zeiten«.

Boomende Konjunktur und deutliche Gewinnsteigerungen

Dahinter stehen eine boomende Konjunktur und deutliche Gewinnsteigerungen der Dax-Konzerne – um durchschnittlich rund 50 Prozent. Das sind in Summe rund 90 Milliarden Euro. Laut Schmid ein Top-Profit, der um 31 Prozent über dem bisherigen Gewinn-Rekord von 2007 liegt, als 69,5 Milliarden Euro eingefahren wurden. Durch Konzerne übrigens, die wie Siemens tausende Arbeitsplätze abbaut; oder bei VW, das bis zum Hals im Diesel-Betrugsskandal steckt. Nur diese beiden Beispiele: Die Siemens-Familie bekommt für ihre 6 Prozent Aktienanteil laut Schmid rund 180 Millionen Euro Dividende; der Piech/Porsche-Clan aus dem VW-Profit sogar 900 Millionen Euro.

Bei andern geht die Dividende 2017 übrigens in die Milliarden. »Würden die Quandts nach der Einkommensteuer veranlagt, müssten sie den Spitzensteuersatz von 45 Prozent bezahlen«, schreibt Schmid mit Blick auf die umstrittene Abgeltungssteuer, durch die Dividenden- und Kapitaleinkommen pauschal mit 25 Prozent belastet werden. Die Differenz beträgt in diesem Fall theoretisch 228 Millionen Euro – laut Schmid könnten damit 2.000 Sozialwohnungen gebaut werden. Könnten. So wie es theoretisch bleibt, dass die Siemens-Beschäftigten, die den Profit des Konzerns erwirtschaften, auch darüber mitentscheiden könnten, ob ihre Stellen erhalten bleiben. Könnten sie eben nicht.

Das »Handelsblatt« schrieb dieser Tage: »24 Dax-Firmen dürften in diesem Frühjahr ihre Dividende anheben, schätzt Commerzbank-Aktienstratege Andreas Hürkamp.« Dessen Prognose für die Dax-Konzerne liegt mit 35,3 Milliarden Euro Ausschüttungen etwa im Bereich der anderen Schätzungen. »Im gesamten regulierten Markt in Deutschland könnten es sogar etwa 50 Milliarden Euro werden, erwartet die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz«, heißt es da weiter. Womit wir wieder bei der Meldung wären, laut der »die Menschen in Deutschland in der Summe immer reicher« würden. So ein durchschnittlicher Kapitalismus ist eben eine gute Sache. In der Summe.

Geschrieben von:

Svenja Glaser

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