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In Simbabwe fährt das Militär auf: Wo steht das Land wirtschaftlich? Der OXI-Überblick

15.11.2017
Jürgen Kehrberger, Lizenz: CC BY-SA 3.0

Militärcoup? Machtkampf? Einsatz gegen Kriminelle? Die Nachrichten aus Simbabwe nähren Spekulationen über einen Putsch gegen Robert Mugabe. Aber wo steht das Land wirtschaftlich? Wir haben die wichtigsten Daten zusammengetragen.

Militärcoup? Machtkampf? Einsatz gegen Kriminelle? Die Meldungen aus Simbabwe an diesem Mittwochmorgen haben Spekulationen über einen Putschversuch befeuert. Nachrichtenagenturen berichteten über Panzer, die den Zugang zum Parlament in der Hauptstadt Harare blockierten und vor den Büros der Regierungspartei Zanu-PF auffuhren. General Sibusiso Moyo teilte im Fernsehen dagegen mit, es handele sich lediglich um einen Einsatz gegen Kriminelle im Umfeld von Präsident Robert Mugabe.

Allerdings hatte sich zuletzt der Konflikt zwischen dem 93 Jahre alten umstrittenen Politiker und Armeechef Constantino Chiwenga offen gezeigt, er dynamisiert die seit längerem schwelenden Nachfolgekämpfe in dem Land. Es ging dabei unter anderem um die Entlassung von Vizepräsident Emmerson Mnangagwa. Nachbarn des Wohnsitzes von Mugabe wurden in der AFP damit zitiert, dass es dort anhaltendes Gewehrfeuer gegeben habe. Das Militär erklärte, Mugabe und seine Familie seien gesund und in Sicherheit.

Der Politiker regiert das Land seit der Unabhängigkeit von Großbritannien im Jahr 1980, seine Gattin Grace Mugabe will ihm im Am folgen. Auch der geschasste Vizepräsident hatte als Anwärter auf die Nachfolge gegolten. Die Regierung wird unter anderem wegen der Verfolgung Oppositioneller kritisiert. Der Linkspartei-Außenexperte Stefan Liebich sagte am Mittwochmorgen, »die Entwicklungen in Simbabwe sind besorgniserregend. Zwar ist die Zeit für einen Wechsel schon lange gekommen, aber ein Militärputsch ist dafür nicht der richtige Weg. Die Afrikanische Union sollte Vermittlung anbieten.«

Fruchtbare Böden, viele Bodenschätze – große Armut

Mugabe steht nicht zuletzt wegen einer schweren Wirtschaftskrise und ihrer sozialen Folgen unter Druck. Trotz fruchtbarer Böden und vieler Bodenschätze, darunter Gold, Platin, Diamanten, Kupfer, Nickel, Chrom, Kohle und seltene Erden, liegt die Ökonomie des Landes praktisch am Boden. Die einstige Kornkammer Afrikas wies eine Halbierung der Wirtschaftsleistung zwischen1998 und 2008 aus. Seither seien »aufgrund von Hyperinflation, Devisenknappheit, fehlenden Investitionen, Import- und Exportrestriktionen und Energieknappheit alle Wirtschaftsbereiche nahezu vollständig zum Erliegen gekommen«, heißt es beim Auswärtigen Amt in Berlin. Einer kleinen Erholung nach Einführung eines Multiwährungssystems mit dem US-Dollar als Leitwährung folgte ab 2013 wieder eine Abwärtsbewegung.

Bis Mitte der 90er Jahre florierten Landwirtschaft, Bergbau und Tourismus. Seit Ende der 90er Jahre nutzte Simbabwe dieses Potential jedoch immer weniger. Von 1998 bis 2008 schrumpfte die Wirtschaftsleistung um etwa die Hälfte. Ende 2008 waren aufgrund von Hyperinflation, Devisenknappheit, fehlenden Investitionen, Import- und Exportrestriktionen und Energieknappheit alle Wirtschaftsbereiche nahezu vollständig zum Erliegen gekommen. Die Einführung eines Multiwährungssystems mit dem US-Dollar als Leitwährung brachte ab 2009/2010 nur vorübergehend Besserung. Seit 2013 befindet sich das Land wieder in einer Abwärtsspirale.

Misswirtschaft, Korruption und politische Repression

Das Bruttoinlandsprodukt lag 2015 geschätzt bei 14,4 Milliarden US-Dollar. Pro Kopf waren das bei rund 15 Millionen Einwohnern ein Einkommen (Kaufkraftparität) von 1.072 US-Dollar. Auf der Rangliste des Human Development Indexes steht Simbabwe auf Platz 154 von 188. Der Anteil der Menschen, die mit weniger als zwei US-Dollar am Tag auskommen müssen liegt bei knapp 3,3 Millionen. 2010 nahm das Land den letzten Platz auf der Rangliste des UN-Entwicklungsprogramms UNDP ein.

»Die Agrarproduktion, die bis 2000 immer wichtiger Devisenbringer und Arbeitgeber war, brach durch die unrechtmäßigen Enteignungen von über 4.000 weißen Großfarmern zusammen. Staatliche Misswirtschaft, massive Korruption und politische Repression verschärften die Abwärtsspirale. Hyperinflation und steigende Auslandsverschuldung waren die Folgen«, heißt es bei der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit. »Positiv zu vermerken ist, dass das Bildungsniveau immer noch weit über dem afrikanischen Durchschnitt liegt, wenngleich es als Folge der allgemeinen wirtschaftlichen Misere gesunken ist. Die Infrastruktur hat infolge unzureichender Instandhaltungsmaßnahmen in den letzten Jahren deutlich gelitten«, so das Auswärtige Amt.

Die schwerwiegenden Folgen der Landreform

Zu den Ursachen der Wirtschaftskrise in Simbabwe gehören nach Ansicht von Experten unter anderem der nicht gelungene Übergang von einer planwirtschaftlichen Steuerung in den 1980er Jahren auf eine marktwirtschaftliche Steuerung seit den 1990er Jahren. Die Landwirtschaft ist anfällig für Dürreperioden, die Preise für die in Simbabwe geförderten Rohstoffe schwanken teils stark, dies gilt auch für Rohtabak, der zu den wichtigsten Exportgütern gehört.

Hinzu kommen die Folgen der Landreform, die als »überhastet« kritisiert wird und nicht mit der Schaffung leistungsfähiger alternativen Agrarstrukturen einherging. Dadurch brachen auch die Exporterlöse ein und landwirtschaftliche Dienstleistungsbereiche wurden in Mitleidenschaft gezogen. Hohe Arbeitslosigkeit und wachsende Armut waren die Folgen. Außerdem liegen inzwischen viele landwirtschaftliche Produktionsflächen brach, die Hälfte der Bewohner braucht Nahrungsmittelhilfen.

Das stark gewachsene Haushaltsdefizit resultierte aber auch aus Korruption. Der öffentliche Sektor soll zuletzt weit über 90 Prozent der Haushaltseinnahmen beansprucht haben. Wie es beim Portal African Economic Outlook heißt, hat der Mangel an öffentlichen Geldern »die Entwicklungsausgaben und die Bereitstellung sozialer Dienstleistungen untergraben und die Armut in ländlichen und städtischen Gebieten verschärft«. Daten von ZIMSTAT aus dem Jahr 2015 zeigten, »dass die Armutsprävalenz im ganzen Land nach wie vor hoch ist. Am höchsten war sie in Matabeleland Nord (85,7 Prozent) und am wenigsten in Harare (36,4 Prozent) und Bulawayo (37,2 Prozent). Andere Provinzen wiesen Armutsraten zwischen 65 und 76 Prozent auf. Laut ZIMSTAT lag die Armutsschwelle 2016  bei einem Einkommen von durchschnittlich 478,90 US-Dollar im Jahr.

Chinas Rolle und die Folgen von Extremwetter

Die Afrikanische Entwicklungsbank zählt die Finanzpolitik, die Liquiditätsprobleme der Regierung, die Informalisierung der Ökonomie, die Ineffizienz der Verwaltung und die Korruption zu den vorrangigen Problemen des Landes. Eine Binnensicht auf die ökonomische Lage bietet ein Bericht der Reserve Bank of Zimbabwe vom Januar 2017.

Hinzu kommen die Auswirkungen des so genannten Indigenisierungsgesetzes von 2009, laut dem Unternehmen mit einem Jahresumsatz über 500.000 US-Dollar mindestens 51 Prozent ihres Kapitals an Einheimische übertragen sollen, da sonst Enteignung droht. Die ausländischen Direktinvestitionen sanken von über 420 Millionen US-Dollar 2015 auf 294 Millionen US-Dollar 2016. Vergleichsweise stark investiert China in dem Land, vor allem in Bergbau, Infrastruktur und Landwirtschaft – Peking erhält dafür Rohstoffkonzessionen. Diese Politik ist in Simbabwe umstritten.

Im Globalen Klima-Risiko-Index 2018 belegte Simbabwe einen vorderen Platz. Die Liste von Germanwatch untersucht, wie stark Länder von Wetterextremen wie Überschwemmungen, Stürmen, Hitzewellen und dergleichen betroffen sind. 2016 war nur Haiti stärker von Extremwetter betroffen als Simbabwe; danach folgen Sri Lanka, Vietnam und Indien. »In Simbabwe folgten auf dürftige Niederschlagswerte über das Jahr massive Regenfälle, ausgelöst durch den Tropensturm Dineo. Infolgedessen kam es im November und Dezember 2016 zu Überflutungen, die Berichten zufolge 250 Menschen das Leben kosteten und mehrere Tausend obdachlos zurückließ«, heißt es bei Germanwatch.

Geschrieben von:

OXI Redaktion

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