Wirtschaft
anders denken.

It’s tax certainty, sweetheart!

13.11.2017
R'lyeh Imaging / flickr, Lizenz: CC BY-SA 2.0

Das internationale Steuersystem lässt viel Spielraum bei der Besteuerung global agierender Unternehmen. Schuld daran sind auch die behördlich verhandelten Deals mit den Unternehmen. An dieser Praxis muss sich etwas ändern.

Infolge der Enthüllungen um die Paradise Papers will die niederländische Regierung nun 4000 Steuerdeals überprüfen, in denen Finanzbehörden mit multinationalen Unternehmen vertraglich deren steuerliche Behandlung festgelegt haben. Man darf gespannt sein. Denn der Verdacht liegt nahe, dass die Niederlande – ähnlich wie auch Luxemburg – solche Abkommen zur Minimierung der Steuerlast von Konzernen auf Kosten anderer Staaten geschlossen haben.

Nicht hinter jeder Übereinkunft zwischen Steuerbehörden und Multis muss ein derartiger Sweetheart-Deal stecken. Doch nach dem Lux-Leaks-Skandal macht der starke Anstieg dieser Verwaltungspraxis in den letzten Jahren vor allem in Belgien, Luxemburg und den Niederlanden zurecht misstrauisch zumal die Verhandlungsergebnisse absoluter Geheimhaltung unterliegen.

Wieso verhandeln Behörden und Konzerne überhaupt miteinander? Tatsache ist, dass das derzeitige internationale Steuersystem für global agierende Unternehmen viel Spielraum bei der Ermittlung des zu versteuernden Gewinns lässt. Das liegt daran, dass Tochterfirmen von multinationalen Konzernen an ihren jeweiligen Standorten als selbstständige Einheiten besteuert werden. Dabei ist jedoch kaum nachzuvollziehen, ob der steuerliche Gewinn einer Tochterfirma korrekt ausgewiesen ist, oder zum Beispiel durch manipulierte Preisfestsetzungen für konzerninterne Transaktionen künstlich kleingerechnet wird. Die Manipulationsmöglichkeiten sind so vielfältig, dass es immer wieder gelingt, Gewinne auf dem Papier in Niedrigsteuerländer zu verschieben. Die Finanzbehörden müssen zwar die Berechnungen der Unternehmen nicht akzeptieren. Doch für bestimme Finanztransaktionen, Managementdienstleistungen, Patent-, Lizenz- oder Franchisinggebühren ist es zum Teil unmöglich, überhaupt geeignete Vergleichspreise zu finden, um eine Manipulation vor Gericht nachzuweisen. Gerichtsverfahren enden daher häufig mit einem Vergleich. Die Androhung langwieriger Gerichtsverfahren erlaubt es den Behörden aber zum Teil, noch einmal nachzuverhandeln. Dass sie damit den ihnen »wirklich« zustehenden Steuerbetrag erhalten, ist unwahrscheinlich.

Dem lästigen Im-Nachhinein-hin-und-her-Streiten stellen die großen Beratungsgesellschaften das Traumland der „Tax Certainty“ gegenüber. Behörden und Konzerne beschließen in gegenseitigem Einvernehmen die anzuwendenden Methoden der Gewinnermittlung, die Unternehmen können entsprechend ihre globalen Aktivitäten »optimieren« und hinterher beschwert sich keiner. Im Voraus heißt hier tatsächlich noch bevor eine Investition getätigt und der Gewinn erzielt wird. Nichtregierungsorganisationen kritisieren zurecht, dass die Behörden, selbst wenn sie nicht absichtlich auf einen Sweetheart-Deal abzielen, die Chance verspielen, später Korrekturen vorzunehmen, falls neue Informationen ihre Sicht auf das Unternehmen ändern. Ob vorher oder nachher, an der absurden Situation, dass Behörden und multinationale Unternehmen über die Höhe der zu besteuernden Gewinne verhandeln, wird sich im jetzigen Steuersystem schwer etwas ändern lassen. Eine Mindestforderung wäre, die Ergebnisse dieser Verhandlungen öffentlich zu machen, um die schlimmsten Fälle steuerlicher Bevorzugung zu verhindern. Langfristig muss auf eine Reform des internationalen Steuersystems gedrängt werden, in dem multinationale Konzerne nicht mehr als Einzelteile besteuert werden, sondern aufgrund ihres globalen Gewinns. Dieser würde den einzelnen Ländern, in den der Konzern aktiv ist, anhand bestimmter Kennzahlen wie Beschäftigung, Kapitalanlagen und Umsatz vor Ort zugeschrieben. Gesamtkonzernsteuer – klingt anstrengend, aber wer außer der FDP und CDU will schon weiterhin auf die Milliarden von Apple, BASF und Co. verzichten?

Geschrieben von:

Sarah Godar

wissenschaftliche Mitarbeiterin HWR

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