Wirtschaft
anders denken.

Jamaika und die Privatisierung: Was wird aus Post und Telekom?

06.10.2017
Christoph Neumueller

Schon länger wird von interessierter Seite auf den Verkauf der verbliebenen öffentlichen Anteile an Post und Telekom gedrängt – die Privatisierung soll den Breitbandausbau finanzieren. Mit FDP und Grünen wäre das möglich, hofft der Wirtschaftsflügel der Union.

Streit zwischen CDU und CSU, rhetorische Muskelspiele und rote Linien – das Polittheater, das derzeit zwischen den für eine Koalition infrage kommenden Parteien aufgeführt wird, dürfte noch mindestens bis zur Wahl in Niedersachsen dauern. Ob die Bildung einer Jamaika-Regierung sich dann wirklich noch bis zum kommenden Jahr hinzieht, bleibt abzuwarten. In wichtigen Fragen wird aber schon längst versucht, die öffentliche Meinung in eine bestimmte Richtung zu drängen – etwa beim Thema Privatisierung von Post und Telekom.

Ein möglicher Verkauf der unter staatlicher Kontrolle verbliebenen Anteile der beiden Unternehmen hat in den vergangenen Jahren immer mal wieder Schlagzeilen gemacht. Die Monopolkommission forderte mehrfach die endgültige Privatisierung, auch spielte das Thema in den Wahlprogrammen von FDP und Grünen eine Rolle – hübsch gemacht als Beitrag zum Breitbandausbau. Und auch die »Frankfurter Allgemeine« rührt kräftig die Werbetrommel: »Es ist höchste Zeit, die Konzerne vollständig zu privatisieren – nicht nur des Geldes wegen«, heißt es da am Freitag in einem Kommentar, der das Klagelied stockender Datenraten in den Netzen anstimmt und ansonsten praktisch eins zu eins das Wahlprogramm der FDP rezitiert.

Über 30 Milliarden Euro Erlöse erwartet

Es geht um 32 Prozent der Telekom-Aktien, die direkt von der öffentlichen  Hand und über die Staatsbank KfW gehalten werden – der Wert wird mit knapp 24 Milliarden Euro beziffert. Bei der Post hält der Staat über die KfW noch 20,46 Prozent der Aktien, diese werden auf zehn Milliarden Euro geschätzt.

Im Wahlprogramm der Freien Demokraten wird ausdrücklich die Privatisierung der Anteile gefordert – die Unternehmen »müssen und sollen in dieser Form nicht mehr staatlich kontrolliert werden«, zudem wird auf den »Interessenkonflikt« hingewiesen, der darin bestehe, dass der Bund Regulierung der Telekommunikations- und Postmärkte und zugleich Anteilseigener sei. Die gegenwärtige Konstruktion sehen die Freien Demokraten als Hindernis »für fairen Wettbewerb«. Deshalb, so das Wahlprogramm, »wollen wir den Erlös aus dem Verkauf der Beteiligungen vollständig in den Ausbau des Glasfasernetzes investieren.«

Wie genau das geschehen soll, wird nicht gesagt. Auch öffentlich hat sich FDP-Chef Christian Lindner dazu nicht konkreter geäußert: »Der Bund sollte seine Anteile an Post und Telekom verkaufen und damit das Glasfasernetz flächendeckend in Deutschland ausbauen«, sagte er Anfang September bei einem »Netzpolitischen Forum«.

Grüne wollen öffentliche Breitbandgesellschaften

Bei den Grünen kommt das Thema auch im Wahlprogramm vor – allerdings mit einer leicht anderen Betonung. So wird ausdrücklich lediglich der Verkauf der Telekom-Aktien des Bundes gefordert, mit den Erlösen von etwa zehn Milliarden Euro sollen dann »öffentliche Breitbandgesellschaften für den Glasfaserausbau im ländlichen Raum« gegründet werden. Die Betonung liegt hier auf »öffentlich«, im Wahlprogramm wird auf die Möglichkeit verwiesen, »zusammen mit Kommunen und weiteren Partner*innen« vor Ort »Gesellschaften für den Glasfaserausbau« zu gründen.

Auch in der Union drängt man mindestens auf einen Verkauf der Telekom-Anteile. Kurz vor der Wahl wurde der CDU-Abgeordnete Carsten Linnemann mit den Worten zitiert, die Erlöse »brauchen wir dringend für den Glasfaserausbau«, das Geld »sollte auch ausschließlich dafür verwendet werden«. Linnemann hatte seinerzeit prognostiziert, dass eine Privatisierung der Telekom »mit den Regierungspartnern FDP oder Grünen« wahrscheinlich möglich sei, »mit der SPD wohl eher nicht«.

SPD: Privatisierung ist neoliberale Geisterfahrt

Zumindest letzteres ist so richtig, wie es angesichts des bisherigen Oppositionskurses der Sozialdemokraten auch keine Frage von Koalitionsverhandlungen mehr werden dürfte. Als FDP und Grüne bereits im Frühjahr schon einmal die Forderung nach einem Verkauf von Post- und Telekom-Anteile äußerten, sah sie der SPD-Abgeordnete Klaus Barthel »auf neoliberaler Geisterfahrt«.

Sein Argument: Es fehle nicht an Geld, sondern die Förderpolitik von Bundes- und Landesregierungen stoße »vielmehr auf bürokratische Engpässe und regulatorische Hindernisse«. Zudem würden die Konzerne nicht selbst in den Ausbau investieren wollen, weil dies »in der Fläche derzeit nicht rentabel« sei. Hier solle nun »der Staat wieder Verluste abdecken«, kritisierte Barthel – und erinnerte daran, dass die Kommunen auch jetzt noch kräftig mitzahlen müssten, »ohne von den Milliardengewinnen in den Ballungsräumen und künftig auch in der Fläche profitieren zu können«.

Barthels Linie: Das derzeitige Privatisierungsmodell sei am Ende, außerhalb der Ballungsräume gebe es keinen Investitionswettbewerb – die Alternative dazu sei: Der Bund solle nach dem Grundgesetz die Verantwortung übernehmen »und endlich den gesetzlich vorgesehenen Universaldienst umsetzen. Das geht nur mit öffentlichen Investitionen in öffentliche Unternehmen.«

Finanzministerium: Wollen Anteile »sukzessive zurückführen«

Die »Frankfurter Allgemeine« hält dagegen: »Ohne staatliche Anschubfinanzierung« werde »Deutschland den Rückstand nicht aufholen«. Hieran wird auch ein die Unternehmen schützendes weiteres Argument geknüpft: Eine zur Finanzierung des Breitbandausbaus auch mögliche und bisher von der Union befürwortete Versteigerung neuer Mobilfunk-Frequenzen, sei der falsche Weg: »Angezapft würden ausgerechnet jene Unternehmen, die anschließend investieren sollen, um Deutschland zum digitalen Vorreiter zu machen.« Es sind aber auch die Unternehmen, die davon profitieren.

Einem endgültigen Verkauf der öffentlichen Anteile zumindest an der Telekom  hatte sich übrigens der Bund bisher ohnehin nicht wirklich entgegenstellen wollen. Das CDU-geführte Bundesfinanzministerium wies kurz vor der Wahl darauf hin, dass man auch künftig »sukzessive weiter seinen Anteil an der Deutschen Telekom – in Übereinstimmung mit den Erfordernissen des Kapitalmarktes und den sonstigen Rahmenbedingungen – zurückführen beziehungsweise vollständig veräußern« wolle. Der CSU-Politiker und Bundesminister Alexander Dobrindt hatte dazu im Frühjahr geäußert: Es werde oft vergessen, dass ein Großteil der Anteile bei der staatlichen KfW gebunden sei und nicht »ein zweites Mal« verkauft werden könne.

Geschrieben von:

OXI Redaktion

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