KD-Radioshow im April: Frankreich, Frankreich…
In der KD-Radioshow betreibt der Wirtschaftssoziologe Klaus Dörre von der Friedrich-Schiller-Universität Jena jeden Monat »musikalische Gesellschaftskritik« im lokalen Bürgerradio. Gesendet wird, worüber er und seine KollegInnen sonst Vorlesungen halten oder Bücher schreiben: Populismus, Eigentum, Wirtschaftsdemokratie und Postkapitalismus. Für OXI-Blog schreibt Klaus Dörre dazu exklusiv eine kommentierte Playlist.
Les Champs-Elysee, der alte Gassenhauer von Joe Dassin löst Assoziationen an ein Frankreich aus, das es nicht mehr gibt. Frankreich heute bedeutet soziale Spaltung, Regieren im Ausnahmezustand, diskreditierte Eliten und spektakuläre Wahlerfolge des Front National. Vorbei ist die Zeit als Arbeiter, Künstler und Musiker spontan links waren. So wie Romano, Sclavis, Texier und Le Querrec mit ihren Standing Ovations for Mandela von einem der besten Jazz-Alben aller Zeiten. Ist Frankreich in der Krise, weil es die schlechtesten Rockbands der Welt hat? The Truffauts mit ihrem schönen Song The Inextricable Disorder of Mind beherrschen den Franko-Rock-Sound jedenfalls so perfekt, dass ich immer dachte, sie kämen aus Frankreich statt aus Franken. Die Gründe liegen also woanders, nicht hier. Drohungen von The Terrorist, den Mitch Ryder während eines grandiosen Rockplast-Konzerts in den 1970ern besungen hat, sind einer. Wie konnte Frankreich zur Hochburg von Rassismus und völkischem Populismus werden? Alles hat irgendwie mit dem sprichwörtlichen französischen Nationalstolz zu tun. Unsere Zeitreise beginnt 1926, als Mistinguett ihr Chanson Mon homme vortrug. In einem Paris, das Ernest Hemingway als Fest für das Leben verewigte. Auch in den 1960ern hätte man gerne einen Afternoon in Paris verbracht, um den Jazzern John Lewis & Sacha Distel zu lauschen. Wieder war Paris ein intellektuelles Zentrum, das sich kritisch mit Eliten und prüder Doppelmoral auseinandersetzte. So wie Georges Brassens. In seinem weltbekannten Chanson zieht Le gorille den jüngeren Richter der alten Jungfer vor, um seine sexuellen Bedürfnisse zu befriedigen. Auf dem Höhepunkt klingt der Richter genauso wie bei der Verkündung eines Todesurteils. Von diesem sozialkritisch-ironischen Frankreich ist wenig geblieben. Immerhin hat die soziale Spaltung Rapper wie MC Solar hervorgebracht, die wissen, wie es im Quartier Nord zugeht. Kein Wunder, dass manche Franzosen nur noch wegwollen, zum Beispiel nach Göttingen, wo Barbara einst ihre große Liebe fand. Sie können, wie die Lolitas, aber auch einfach in Berlin Rockmusik machen. Ändern wird das Exil aber nichts. Erst wenn „the music stops“ könnte, nicht nur in Frankreich, die Revolution 909 beginnen, wie die Elektropopper-Superstars von daft punk verkünden. Was lernen wir daraus? Manchmal ist nur eine bürgerliche Revolution eben auch keine Lösung – vor allem, wenn sie schon mehr als 200 Jahre zurückliegt und die Nation zum Inbegriff einer demokratischen Republik erklärt. Wer Frankreich liebt und sich deshalb sorgt, ist richtig bei der KD-Radioshow im April, diesmal wieder mit dem Philosophen Tilo Wesche.
KD-Radioshow: Donnerstag, 6. April 2017, 18.00 – 19.00 Uhr, 7. April, 13.00 – 14.00 Uhr. Zu empfangen via Kabel über: aut 107, 90 MHZ; konventionell über: UKW 103, 4 MHZ und im Netz über: http://radio-okj.de/wp-content/themes/radiookj/okj-player.html. Oder einfach Radio okj-Jena googeln und den LivePlayer betätigen. Die Sendung kann bei Anna Mehlis unter anna.mehlis@uni-jena.de oder KD-Radioshow@listserv.uni-jena.de bestellt werden.
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