Keine Ausnahme für Amazon
Das Bundesverwaltungsgericht bestätigt das Verbot von Sonntagsarbeit im Weihnachtsgeschäft bei Amazon. Neben dem Gerichtsverfahren gibt es jedoch noch weitere Auseinandersetzungen mit der Gewerkschaft.
Im Streit um den Sonntagsschutz hat das Bundesverwaltungsgericht dem Versandhändler Amazon einen Dämpfer verpasst. Im Weihnachtsgeschäft 2015 hatte der Konzern an verschiedenen Standorten Anträge auf Sonntagsarbeit gestellt. Die Bezirksregierung in Düsseldorf genehmigte Sonntagsarbeit für Amazons Standort in Rheinberg, an dem es eines von 15 deutschlandweiten Logistikzentren betreibt. Dort wollte das Unternehmen an zwei Sonntagen im Dezember 800 Beschäftigte einsetzen, um das auftragsstarke Vorweihnachtsgeschäft abwickeln zu können. Ansonsten, so die Argumentation Amazons, drohe ein unverhältnismäßiger Schaden, da man die Liefertermine nicht einhalten könne. Die Gewerkschaft Verdi ging dagegen unter Berufung auf die grundgesetzlich verankerten Sonntagsschutz vor und bekam von den ersten zwei Instanzen Recht. Das Oberverwaltungsgericht Münster (OVG) ließ bei seinem Urteil 2019 aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung des Falles die Möglichkeit der Revision zu, wovon sowohl Amazon als auch das Land NRW Gebrauch machten.
Das Bundesverwaltungsgericht (BverwG) hat nun am Mittwoch das Urteil des OVG Münster bestätigt. Nach dem Arbeitszeitgesetz ließe sich Sonntagsarbeit nur durch „besondere Verhältnisse zur Verhütung eines unverhältnismäßigen Schadens“ ausnahmsweise bewilligen. Besondere Verhältnisse seien vorübergehende Sondersituation mit außerbetrieblicher Ursache, so das Gericht. Diese habe aber bei Amazon nicht vorgelegen, da der Konzern durch Versprechen kostenloser Lieferung am Bestelltag (sogenannte „Same-Day-Delivery“) selbst für die von ihm monierten Lieferengpässe gesorgt habe. Ob das Weihnachtsgeschäft mit den Rekordumsätzen für den Online-Händler für sich genommen schon eine Sondersituation darstellt, wurde nicht entschieden. In den vergangenen Jahren hatte Amazon mit Blick auf die Verfahren keine Anträge auf Sonntagsarbeit mehr gestellt. Das Unternehmen kündigte nun an, die Entscheidung des Gerichts prüfen zu wollen.
Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi begrüßte das Urteil. „Amazon hat vor deutschen Gerichten eine weitere verdiente Klatsche einkassiert. Der Konzern sollte endlich zur Kenntnis nehmen, dass das Grundgesetz auch für US-Unternehmen gilt“, erklärte Orhan Akman, Leiter der Bundesfachgruppe Einzel- und Versandhandel. Auch für die Verdi-Fachbereichsleiterin für den Handel in NRW, Silke Zimmer, stellte das Urteil als eine Bestätigung des gewerkschaftlichen Einsatzes für den Sonntagsschutz dar. In einer Mitteilung kritisierte sie jedoch die Landesregierung NRW, die im Prozess Verfahrensgegnerin, dafür, dass sie sich über drei Instanzen für die Sonntagsarbeit bei Amazon eingesetzt hat. „Dabei stellt sie sich in der Öffentlichkeit gerne als Verteidigerin des stationären Einzelhandels dar und begründet die Genehmigung von verkaufsoffenen Sonntagen mit der Konkurrenz durch den Onlinehandel. Dann müsste sie aber den Onlinehandel stärker reglementieren, statt sich an dessen Seite zu stellen“, so Zimmer.
»Es kann nicht sein, dass der Versandhändler seinen Kunden Lieferversprechen macht, die er nur erfüllen kann, wenn er die Beschäftigten zur Arbeit am Sonntag zwingt«, sagte Akman im Vorfeld der Verhandlung. Amazon sei im Gegensatz zu Feuerwehr oder Krankenhäusern am Sonntag nicht unverzichtbar. »Niemand geht zugrunde, wenn das Paket erst am Dienstag angeliefert wird. Im Interesse des gesellschaftlichen Zusammenhalts fordern wir, die Sonntagsarbeit generell einzuschränken und nicht auszuweiten«, erklärte Gewerkschafter Akman weiter.
Die Sonntagsarbeit ist bei weitem nicht der einzige Fall, bei dem Gewerkschafter und Amazon über die dortigen Arbeitsbedingungen aneinandergeraten. Seit 2013 versucht Verdi durch Arbeitskämpfe, den Onlinehändler zum Unterzeichnen des Tarifvertrages für den Einzel- und Versandhandel zu bewegen. Insbesondere im lukrativen Weihnachtsgeschäft, aber bei Aktionstagen wie dem Black Friday, sieht sich Amazon daher seit Jahren mit Streiks konfrontiert. Zuletzt legten im vergangenen Dezember Mitarbeiter*innen an sechs Standorten die Arbeit nieder. Eine Anerkennung des Handelstarifs lehnt Amazon kategorisch ab. Das Unternehmen betrachtet sich nicht als Versandhändler, obwohl es seit 2020 Mitglied im Einzelhandelsverband HDE ist. Stattdessen orientiert sich das Unternehmen an den niedrigeren Löhnen der Logistikbranche.
Neben einer Eingliederung Amazons in die Tariflandschaft ist die Kritik an mangelndem Arbeitsschutz beim Branchenprimus ein Dauerthema. Um diesen zu verbessern, soll nach Ansicht der Gewerkschaft ein Tarifvertrag „Gute und gesunde Arbeit“ abgeschlossen werden. Dass dies notwendig sein könnte, haben auch die Entwicklung des letzten Jahres gezeigt. Immer wieder war es zu Ausbrüchen des Corona-Virus an verschiedenen Standorten des Internethändlers gekommen. Die Gewerkschaft ging Ende letzten Jahres von insgesamt mehreren hundert Infizierten Amazon-Mitarbeiter*innen aus.
Währenddessen profitierte das Unternehmen weiter von den pandemiebedingten Schließungen im stationären Einzelhandel und erzielte Rekordumsätze. Für das vierte Quartal 2020 erwartet Amazon weltweite Erlöse von bis zu 121 Milliarden US-Dollar. Verglichen mit dem Vorjahr wäre das ein Anstieg um 38 Prozent.
Der Text ist eine aktualisierte Version eines Artikels, der zunächst im nd erschien.
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