Wirtschaft
anders denken.

Was wir über Kinderarmut erfahren: Beispiel Österreich

18.09.2017
Foto: Pezibear / Pixabay

Kinderarmut ist auch in Österreich ein Problem. Genauso wie die Berichterstattung darüber – die einseitig ist, von Vorurteilen geprägt und kaum die gesellschaftlichen Hintergründe thematisiert. Das hat Folgen, nicht zuletzt für die politische Selbstermächtigung der Betroffenen selbst.

Fast 290.000 Kinder und Jugendliche in Österreich leben in einem Zuhause, in dem die Einkommen so gering sind, dass diese unter der Einkommensarmutsgrenze liegen. Das hießt: Es ist zu wenig Geld da für unerwartete Ausgaben, etwa eine kaputte Waschmaschine. Oder für die Heizung. Über 170.000 Kinder sind nicht in der Lage, einmal im Monat Freunde zu sich nach Hause einzuladen. Das ist das eine.

Das andere ist: Wie berichten Medien über diese Heranwachsenden? Und welche Folgen für den politischen Diskurs, für die Selbstwahrnehmung der Betroffenen, für die Einschätzung ihrer Lage durch andere hat das?

Das hat nun eine Studie untersucht. Im Auftrag der österreichischen Volksanwaltschaft, eine Art parlamentarisches Ombudssystem zur Kontrolle der öffentlichen Verwaltung. Die Ergebnisse nennt Volksanwalt Günther Kräuter »alarmierend«: Nur sehr selten berichten Medien über Potentiale und Talente von armutsgefährdeten Kindern und Jugendlichen. Diese kommen zudem kaum selbst zu Wort. Am umfangreichsten ist in diesem Zusammenhang die Berichterstattung über zwei Themen – Charity und Jugendkriminalität.

»Arme Opfer« oder »brutale Täter«

Dies polarisiert gleich in mehrfacher Hinsicht – erstens, weil die Betroffenen entweder als »arme Opfer« oder »brutale Täter« erscheinen. Und zweitens, weil beim Thema freiwilliger Wohltätigkeit ausschließlich über »österreichische« Kinder berichtet wurde, wenn hingegen ein Migrationshintergrund eine Rolle spielt »die am häufigsten gesetzten Themen Jugendkriminalität vor fehlenden Sprachkenntnissen und Schulproblemen« waren.

Zu selten werde außerdem auf fehlende Rahmenbedingungen oder Missstände in der Gesellschaft hingewiesen, es entstehe oft ein negatives, einseitiges und mit Vorurteilen beladenes Bild. So sei über die Auswirkungen der Kürzung der Mindestsicherung auf Familien und Kinder »nur punktuell und kurz« berichtet worden. Auch fänden sich nur »sehr selten« Beiträge über »Kinder mit Fluchthintergrund, die sich schnell die Sprache aneigenen, Positivbeispiele für gelungene Integration oder Beiträge über Kinder aus sozial benachteiligten Familien, die sich in Lehrberuf/Schule verwirklichen«, so die Untersuchung. Auch werde viel öfter über Jungs berichtet als über Mädchen.

Kinderarmut und politisches Selbstbewusstsein

Die österreichische Armutskonferenz erinnert daran, warum das keine Nebensächlichkeit oder nur ein mediales Problem ist: »Medien beeinflussen in hohem Maße, welches Bild von sozial benachteiligten Kindern und Jugendlichen sich in einer Öffentlichkeit verfestigt und als wie wichtig dieses gesellschaftspolitische Thema – und damit eine ganze Bevölkerungsgruppe – wahrgenommen wird.« Und das wiederum wirkt sich auch in dem politischen Selbstbewusstsein derer aus, die von Armut betroffen sind.

»Die Studie zeigt uns, dass wir Kinder in ihrer Alltagsrealität in den Blick bekommen müssen«, appellierte Martin Schenk von der Armutskonferenz. Es müsste mehr gezeigt werden, »wie es ihnen dabei geht, den kranken Papa zu pflegen. Was es bedeutet, in feuchten Wohnungen zu wohnen. Wie das ist mit Freunden. Wie die Mama es schafft mit drei Jobs. Oder was es heißt, mit Mindestsicherung zu leben.« Und nicht zuletzt gehe es um eine andere Perspektive, eine, die von Armut Betroffene auch als Menschen zeigt, die etwas können, die etwas zu sagen haben, die Bedürfnisse artikulieren jenseits barmherziger Gaben.

Untersucht wurde für die Studie durch die Agentur MediaAffairs die Berichterstattung in den reichweitenstärksten, überregionalen Medien vom 1. Juni bis 31. August dieses Jahres.

Geschrieben von:

OXI Redaktion

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