Wirtschaft
anders denken.

Klassenpolitik, Fruchtbarkeitsindustrie, Freihandel: Neue Zeitschriften im OXI-Überblick

30.11.2017

Die Zeitschrift »Luxemburg« hat eine Auswahl von Texten zur »Neuen Klassenpolitik« herausgegeben. Im Blog von »Lunapark21« wirft Gisela Notz einen kritischen Blick auf das Geschäft mit der Fruchtbarkeitsindustrie. Und das Lateinamerika-Magazin »ila« kommt mit einem Schwerpunkt zum Freihandel.

Über Klassen wird ja seit einiger Zeit wieder häufiger gesprochen. Didier Eribon hat daran seinen Anteil, Donald Trump auf seine Weise auch. Und so hat man sich auf der Linken auf die Suche gemacht nach Antworten darauf, woraus der »Ärger derjenigen, die sich von diesem System hingehalten und nicht repräsentiert fühlen«, sich speist, was das mit der Politik der vergangenen Jahrzehnte zu tun hat und was gegen die »Rechtswendung« zu tun wäre.

Die Zeitschrift »Luxemburg« der gleichnamigen Stiftung hat jetzt dazu eine Sammlung von Beiträgen veröffentlicht, die ganz unterschiedliche Aspekte diese Fragestellung behandeln. Da geht es um gewerkschaftliche Erneuerung von links, um »Perspektiven einer feministischen Klassenpolitik«, Identität und Sozialismus, um die ökologische Dimension, Konsumweisen und Einwanderungspolitik. Die Sammlung schließt an eine frühere Sammlung an, die »Luxemburg« zu Eribon zusammengetragen hat, und die ebenfalls schon versuchte, »die Debatte für eine neue linke Klassenpolitik produktiv zu machen«.

Das alles ist lesenswert und diskussionswürdig, vor allem scheint noch eine Lücke zu bestehen, wo es um präzise Begriffsbestimmungen geht. Was ist eigentlich Klassenpolitik, und was ist neu an der, die da nun gepriesen wird? Die Unschärfe kommt auch gleich im ersten Satz der Einleitung zum Ausdruck, in dem es heißt: »Die Klassenfrage steht im Zentrum eines links-marxistischen Projekts.« Was bitte wäre dann ein rechts-marxistisches Projekt? Und gegen wen richtet sich dieser Versuch begrifflicher Einhegung? Man darf auf weitere Beiträge gespannt sein.

»Lunapark21«: Fruchtbarkeitsindustrie und Oktoberrevolution

Im Blog der Zeitschrift »Lunapark21« nimmt sich Gisela Notz das »Geschäft mit der Fruchtbarkeitsindustrie« vor – es ist auch eine Kritik des »Familismus«, laut dem »es keine gesellschaftlich akzeptierte Alternative zur leiblichen Vater-Mutter-Kind Familie zu geben scheint«. Es geht um die wachsende Branche der Reproduktionsunterstützung, um Dienstleister, die  In-Vitro-Fertilisation, das Einfrieren und die Lagerung von Eizellen oder Social Freezing zum Aufschub der Familiengründung anbieten. Notz: »Der größte Teil der Nachfrage ist erst mit dem Angebot der Dienstleistungen entstanden.«

Notz erinnert an frühere Protagonistinnen der Frauenbewegung, die wie Shulamith Firestone »die bürgerliche Kleinfamilie als Zentrum der Frauenunterdrückung« ansahen. In »The Dialectic of Sex« von 1970 schrieb sie, »Solange eine Revolution nicht die Basis jeder gesellschaftlichen Ordnung aufhebt«, und das war laut Notz für Firestone vor allem »die biologische Familie, dieses Bindeglied, durch das die Psychologie der Macht immer wieder heimlich eingeschmuggelt wird, solange wird dieser Bandwurm von Ausbeutung nicht vernichtet werden können«.

Erhofft wurde sich damals, »dass durch den Einsatz von ›künstlicher Fortpflanzung‹ die Frauen von der Last der Schwangerschaft und Geburt befreit werden.« Was ist daraus geworden? Als Befreiung werden die renditeorientierten Dienstleistungsangebote schwerlich zu fassen sein. Notz schreibt: »Die Tatsache, dass die Reproduktionstechnologien sich auf die genetisch verwandte Kleinfamilie beziehen und in der Regel keine Veränderung der familistischen Strukturen mit sich bringen, würde sie sicher kritisieren. Auch die mit den Reproduktionstechnologien verbundene Hoffnung auf ein gesundes, perfektes Kind würde ihr nicht gefallen. Und die Tatsache, dass es bei der Nutzung der Möglichkeiten wieder oder immer noch um individuelle Vereinbarkeit von beruflichem Erfolg und Kinderwunsch, Selbstoptimierung und um individuelle Ausnutzung von Arbeitskraft im Interesse des Kapitals geht, nicht um die Befreiung der Frauen als Kollektivsubjekt sondern eher um neue Macht- und Marktverhältnisse, die neue soziale Ungleichheiten zwischen Frauen schaffen, würde sie sicher verurteilen.«

In der Printausgabe der »Lunapark21« schreibt Notz übrigens über »Frauen in der Oktoberrevolution«. Um die geht es auch in einem ausführlichen Schwerpunkt des Heftes – unter anderem mit Beiträgen von Georg Fülberth und Karl-Heinz Roth. Thomas Kuczynski schreitet die Geschichte ein paar Meter weiter ab und befasst sich mit dem »Realsozialismus« als einer »bloß formell-kommunistischen Produktionsweise«.

Lateinamerika-Magazin »ila«: zum Freihandel

Themenwechsel. Ortswechsel. »Was ist eigentlich ›frei‹ am Freihandel?«, fragt das Lateinamerika-Magazin »ila« in seiner neuesten Ausgabe. Die Antwort dort: »So wie der Welthandel heutzutage funktioniert und organisiert ist, produziert er Armut, sowohl im Norden wie im Süden. Vor allem dient der Freihandel dazu, Konzerne von Auflagen und Pflichten zu befreien.« Hierzulande kam das Thema neu und stark in den vergangenen Jahren durch die Debatte über TTIP oder CETA auf, es ging um den Konflikt zwischen Daseinsvorsorge und Konzerninteressen.

In Lateinamerika, so die Redaktion, sei das Thema »Freihandelsabkommen« schon seit »gut 20 Jahren ein Dauerbrenner. Immer wieder kommt es zu mächtigen Gegenbewegungen, weil zum Beispiel landwirtschaftliche Betriebe nicht mehr gegen Lebensmittelimporte aus dem Norden bestehen können und somit die lokale Landwirtschaft zerstört wird«. Derzeit verhandelt die EU mit verschiedenen lateinamerikanischen Staaten, auch Neuverhandlungen des NAFTA-Abkommens stehen an.

Die »ila« bietet dazu einen Überblick. Es geht unter anderem um die 11. WTO-Ministerkonferenz im Dezember 2017 in Buenos Aires, um die Frage, was die Abkommen eigentlich gebracht haben, um Schiedsgerichte und Investitionsschutz sowie im einzelnen um aktuelle Entwicklungen wie die Modernisierung des EU-Mexiko-Handelsabkommens und den Freihandelsvertrag Ecuador-EU.

Geschrieben von:

OXI Redaktion

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