Wirtschaft
anders denken.

»…aber hier geht es um Geld«

29.11.2017
Klimagipfel Bonn© Spielvogel / Wikimedia Commons

Dave Bleakney von der Canadian Union of Postal Workers über den Bonner Klimagipfel, die Notwendigkeit Spielregeln zu ändern und feministische sowie indigene Ansätze in die Bekämpfung des Klimawandels zu integrieren. Ein Gastbeitrag.

Ein Taxifahrer fasste den vergangenen Klimagipfel in Bonn sehr treffend zusammen. Auf die Frage, was er über den Gipfel dachte, antwortete er: »Das Klima ist in der Krise, aber hier geht es um Geld.« Und genau das ist das Problem. Was der Taxifahrer meint ist, dass es im Hinterkopf der Beteiligten nicht etwa die drohende Klimakrise ist, sondern die Profite aus destruktiven Produktionszyklen, Konsum, Verschiffung, Wachstumsmodellen und dem Transport von Produkten über weite Strecken. Bis auf wenige Ausnahmen wird dieses Problem ignoriert.

Wie äußert sich das? In Nordamerika ist es beispielsweise so, dass man die Lautstärke des Fernsehers runterregeln kann und auch ohne Ton sehen kann, dass eine Vielzahl an Werbungen anhand eines Schemas ablaufen: Jemand ist so lange unglücklich bis er ein bestimmtes Produkt besitzt und dann ist alles toll und jeder ist glücklich. Dieses Schema wiederholt sich immer und immer wieder. Kauf und lächle. Sehne dich nach Besitz als ob dieser uns irgendwie verbinden würde und ein Glücksmoment kreieren könne während die Erde brennt. Die Erde wurde von einem primitiven System des modernen Feudalismus verschlungen. Nur eine Handvoll Männer – um genau zu sein acht – besitzt die Hälfte des Planeten. In dieser empörenden Realität kann ein einzelner Mann mehr wert sein als eine ganze Nation. Führende Politiker und wichtige Institutionen tun so, als ob man durch das Überzeugen eine Handvoll reicher Soziopathen das Leben auf der Erde retten könnte.

Bis heute hat Macht noch nie etwas ohne Kampf aufgegeben oder etwas Neues erschaffen zu haben. Unsere unbequeme Zukunft verlangt, dass die Klimasünder nicht auch noch mit den Möglichkeiten ausgestattet werden sollten, für uns zu handeln. Sie haben bisher nur sehr selten das Richtige getan. Die Spielregeln müssen sich ändern. Die Klimasünder müssen vom Sockel der Macht gestoßen werden. Und wir müssen gegen unsere Sucht nach Dingen, die wir nicht wirklich brauchen ankämpfen. Diese treibt uns nur in einen Strudel aus Besitz und Verlangen. Außerdem muss man die gültigen Definitionen von Wert anpassen – auch indem man jahrhundertealte patriarchale Ansätze von Konkurrenz und Gewinn überdenkt.

Wir sind wie die Hamster in einem Rad. Wir zehren von den Wellen der Kolonialisierung und Wohlstandsakkumulation. Auf dem Klimagipfel konnten wir lediglich die Geschwindigkeit, mit der sich das Rad durch Silos und Gerüste dreht, diskutieren. Wir müssen von diesem Rad runterkommen und mit dem Wesentlichen in Einklang kommen: mit der Erde und miteinander.

In diesem Wahnsinn gilt: je dunkler die Hautfarbe, desto mehr ist man betroffen von den Auswirkungen der Klimakrise. Unzählige Klimaflüchtlinge fliehen von einer Krise, die sich entwickelt hat während eine kleine Zahl an Menschen auf dem Planeten einkaufen war. Unter den gegenwärtigen Bedingungen wird sich das nicht ändern. Hungernde Menschen, die versuchen zu überleben, werden selbst verantwortlich gemacht, ja sogar attackiert, dafür dass sie das Einzige tun, was ihnen übrigbleibt: an einen besseren Ort zu fliehen. Was kann man anderes erwarten, wenn Menschen hungern? Hunger verursacht Krieg und Konflikte. Die USA, die auf Enteignung gegründet sind, führen seit fast zwei Jahrzehnten ununterbrochen Eroberungskriege – oft mit Hilfe von Verbündeten. Seit 2001 haben die USA über 7,6 Billionen US-Dollar nur für Militär und Staatssicherheit in einer dauerhaften Kriegsökonomie ausgegeben.

Wenig wurde beim Klimagipfel in Bonn erreicht. Es gab einige, sehr kleine Durchbrüche, doch denen fehlt es an Durchsetzungsmechanismen. Indigene und Geschlechteranalysen fehlen völlig. Obwohl solche Klimagipfel essentiell für unsere Zukunft sind, sind sie unwirksam. Ein früherer Mitarbeiter der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen erzählte mir, dass dies den Menschen durchaus bewusst sei, Rahmenbedingungen die Handlungsmöglichkeiten jedoch einschränken würden. Man würde nur die Pferde scheu machen, wenn man versucht, alles über den Haufen zu werfen: den jahrhundertealten Merkantilismus, das System aus Ausbeutung, Gier und Akkumulation auf Kosten anderer. Und so fließt das Öl weiter, wird die Kohle weiter abgebaut.

Es kann nicht weitergehen wie bisher. Das neue Normal ist beispiellos und die katastrophale Wetterlage kann auch nur noch schlimmer werden. Wir können den Zustand nicht für künftige Generationen normalisieren. Es hilft nicht, nur hier und da ein wenig zu verändern.

Indigene scheinen ein besseres Verständnis vom Leben im Einklang statt gegen die Erde zu haben während ihr Land weiterhin für Profite ausgebeutet wird. Indigene Stimmen werden oft ignoriert und nur selten wahrgenommen. Ihr Wissen nicht genutzt. Im kanadischen Kontext zeigt sich dies folgendermaßen: Indigene wurden kolonialisiert und heute durch Superminen, Pipelines und generelle Missachtung gefährdet.

Jeder Fortschritt, so klein er auch sein mag, fühlt sich gut an und wir halten daran fest. Politische Mehrheiten werden gewonnen, indem ihnen etwas vorgespielt wird. Es gibt kein besseres Beispiel als der Mythos des progressiven Kanadas und seinem Weg aus der Kohleabhängigkeit. Der Emissionsausgleich lässt die Kohle noch bis mindestens 2060 brennen und ermöglicht Exporte, die auch nach diesem Jahr noch weitergehen können. Was als Erfolg verkauft wird, ist in Wahrheit ineffektiv und eine Ablenkung von den Plänen, weitere Pipelines zu bauen und das dreckige kanadische Öl weiter fließen zu lassen. Die Ölgewinnung und der Schadstoffausstoß gehen weiter, zu lasten von Mensch und Tier.

Wer kann es mit dem internationalen Transport, dem Schiffs- und Flugverkehr aufnehmen? Wären diese Branchen ein Land, wären dieses der siebtgrößte Umweltverschmutzer. Produkte, die zu geringeren ökologischen Kosten lokal produziert werden könnten, werden über große Distanzen in diesem Land verfrachtet.

Was heißt das für die Arbeiter? Wir sagen: bekämpfe nicht, mache Vorschläge. Die Gewerkschaft der kanadischen Postangestellten (Canadian Union of Postal Workers), die ich vertrete, weiß, dass der Übergang aus einer zerstörerischen Praxis besserer Ansätze bedarf. Wir leben in einer Gesellschaft in der Arbeit sehr ungleich verteilt ist. Einige haben sehr viel, andere gar keine Arbeit. Ganzheitliche und nachhaltige Werte erlauben es uns, aus unserer kleinen Blase herauszutreten und uns neu zu orientieren. Unsere Initiative »Delivering Community Power« treibt die kanadische Post dazu an, ein Motor für eine neue Ökonomie zu sein – unter Einbeziehung von lokaler erneuerbarer und umweltfreundlicher Energie und der Nachrüstung von Poststellen. So kann die Post den CO2 Ausstoß ihrer Zuliefererkette reduzieren. In über 20 norwegischen Städten wird die Post schadstofffrei ausgeliefert. Weniger Autos auf den Straßen, dafür mehr Postangestellte. Das bedeutet auch mehr Kundenkontakt. Wir Postangestellte haben den Klimawandel auf den Verhandlungstisch gepackt.

Wir können das Wesen der Arbeit ändern, in dem wir indigene und feministische Werte für die Erziehung und Pflege einbeziehen. Unsere Ansätze werden inspiriert und angetrieben vom LEAP Manifesto, das eine Restrukturierung der kanadischen Ökonomie und ein Ende der fossilen Energien fordert. Dieses wird gerahmt vom Respekt für indigenes Recht, Internationalismus, Menschenrechte, Vielfalt und ökologische Verantwortung. Wir können es nicht der Politik und den Konzernen überlassen. Wir alle sind Teil der Lösung und haben Möglichkeiten, den Raum einzufordern, um etwas zu verändern.

Ein Sprichwort der indigenen Ojibway sagt: Jeder Schritt, den wir tun, muss immer mit Blick darauf passieren, wie er die Menschen in sieben Generationen beeinflussen kann. Den Einflussreichen der Welt täte gut daran, diesem Rat zu folgen.

Wir fordern eine neue Art des Klimagipfels. Auf einem toten Planeten kann man nicht mehr einkaufen. Es wird nicht helfen, die Stühle an Deck der Titanic wieder aufzubauen. Kreativität und ein besseres Wertesystem hingegen können helfen.

Geschrieben von:

Dave Bleakney

Vizepräsident Canadian Union of Postal Workers

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