Wirtschaft
anders denken.

Neun Gründe gegen kapitalistische Klimapolitik

17.02.2023
Ein Containerschiff von obenFoto: Venti ViewsMehr Welthandel, mehr Emissionen.

Für eine wirkungsvolle Klimapolitik braucht es eine Abkehr vom Kapitalismus. Kommentar von Alfred Müller.

Der weltweite Ausstoß von Treibhausgasen steigt und steigt. Er wurde nur kurz unterbrochen von den Corona-Maßnahmen.  Die Konzentration der Treibhausgase ist heute in der Atmosphäre so hoch wie noch nie zuvor in den zurückliegenden 800 000 Jahren. Es ist absehbar, dass das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens nicht eingehalten wird. Laut Berechnungen mehrerer Institute laufen die unverbindlichen bisherigen Klimaschutzmaßnahmen auf hochriskante drei Grad Erderwärmung hinaus.

Hitzewellen, Überschwemmungen, Krankheiten, dramatische Ernteausfälle, fehlende Nahrungsmittel, Hungersnöte, Massensterben und gewaltsame Konflikte sind einige der zu erwartenden Folgen.  Die Jahrhundertdürre, die gerade in Afrika viele Menschen in den Tod treibt, könnte bald auch in Europa die Lebensgrundlagen zerstören.

Den Klimawandel zu stoppen, ist die größte Herausforderung in diesem Jahrhundert. Die globalen Treibhausgasemissionen müssen reduziert und die Zerstörung der Natur gestoppt und umgekehrt werden. Doch wie kann dies gelingen?

Die herrschende Politik versucht es mit marktwirtschaftlichen Instrumenten. Über höhere C02-Preise auf fossile Brennstoffe, über den Emissionshandel und über den grünen Wasserstoff soll die Klimaneutralität erreicht werden. Doch diese Maßnahmen führen nicht zum Erfolg.

Innerhalb der bestehenden kapitalistischen Wirtschafts- und Lebensweise ist es nicht möglich klimafreundlich zu leben und zu produzieren, trotz großer Versprechen und Absichten und trotz großartiger Klimaschutzgesetze.  Hier dominiert der Profit und nicht die Nachhaltigkeit die Produktionsrichtung. Das Profitsystem setzt dem Klimaschutz Grenzen, die einen Systemwechsel erforderlich machen. Die Gründe sind vielfältig:

Der erste Grund ist der klimaschädliche Konkurrenzzwang, in dem die Unternehmen im Kapitalismus stehen. Dieser führt dazu, dass die Firmen aus Selbsterhaltungsgründen zum Profit verdammt sind und die Profitmaximierung vor den Klimaschutz stellen müssen. Auch wenn die Unternehmen versprechen, bald klimaneutral zu sein, können sie dies nicht einhalten, weil die fossile billiger ist als die erneuerbare Technologie. Und wer auf dem Markt teurere Produkte als der Konkurrent anbietet, verliert seinen Absatz und damit seine Existenz.

Der zweite Grund ist der anhaltende Raubbau an fossilen Energieträgern. Solange die Förderung fossiler Rohstoffe spottbillig ist, wird das Kapital nicht auf ihren Einsatz verzichten. Bei einer wirksamen Klimapolitik müssen die fossilen Rohstoffe in der Erde bleiben. Doch die Energiekonzerne denken nicht daran, aus der fossilen Energieproduktion auszusteigen. Angesichts der hohen Nachfrage nach Öl und Gas und der riesigen Rekordgewinne fördern sie mehr fossile Rohstoffe als geplant.

Der dritte Grund ist der klimaschädliche Wachstums- und Konsumzwang. Er entsteht aus den kapitalistischen Konkurrenzverhältnissen. Jedes marktorientiere Unternehmen muss wachsen und produktiver werden, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Mehr Produktion verlangt mehr Nachfrage. Solange mehr produziert und konsumiert wird, entstehen mehr und nicht weniger Treibhausgase (wie Methan, Lachgas und CO2).

Der vierte Grund ist der kapitalistische Drang zur Ausdehnung des Welthandels. Dadurch werden immer mehr Güter über weite Strecken transportiert und treiben den Klimawandel voran.

Der fünfte Grund ist die Klimaschädlichkeit des Preismechanismus. Preise enthalten nur die direkten Produktionskosten aber nicht die durch das Unternehmen entstandenen Kosten der Umweltschädigung und der Ressourcenplünderung . Entsprechend wird von den billigen klimaschädlichen Produkten und Dienstleistungen zu viel nachgefragt und von den billigen fossilen Rohstoffen zu viel verbraucht. Wenn der klimaschädliche LKW – Verkehr billiger als die klimafreundliche Bahn ist, wird aus Gewinngründen trotzdem die Autobahn benutzt. Kapitalbefürworter schlagen vor, die fossilen Energieträger Öl, Gas und Kohle und die Nutztierhaltung deutlich teurer zu machen und sie damit aus dem Markt zu verdrängen und durch erneuerbare Energien zu ersetzen. Jedoch versagt hier die marktorientierte Klimapolitik,

  • weil geringe Verteuerungen keine Verhaltensänderungen auslösen,
  • große Verteuerungen besonders die Armen treffen,
  • große Verteuerungen Nachfrageausfälle auslösen, die  erneut die Preise fossiler Energien senken  und dadurch die Nachfrage nach fossilen Energien wieder ankurbeln und
  • weil durch den Sogeffekt die Verteuerung der fossilen Energien auch schnell zu Verteuerungen der erneuerbaren Energien führen wird und dadurch keine klimaschonende Energiewende stattfindet.
  • Eine erfolgreiche marktwirtschaftliche Klimapolitik würde ferner voraussetzen, dass die fossilen Brennstoffe im Verhältnis zu den Durchschnittseinkommen teurer werden und alle Länder mitziehen. Doch es ist im Kapitalismus politisch nicht möglich weltweite Preisabsprachen durchzusetzen, weil der nationale Konkurrenz- und Profitdruck abgestimmte globale Verteuerungen verhindert.

Der sechste Grund sind die vagen Klimaschutzziele der Regierungen. Zwar werden die Zeitpunkte der gewünschten Klimaneutralität festgelegt. Es fehlen aber die konkreten Maßnahmen und damit die Realisierung der Klimaziele. Anspruch und Wirklichkeit klaffen in der Praxis weit auseinander.

Der siebte Grund ist der Widerstand der fossilen Wirtschaft. Ihr Hauptziel ist die Gewinnerzielung. Der Klimaschutz ist dabei nebensächlich. Viele von ihnen leugnen den Klimawandel, führen ihn auf natürliche Faktoren zurück und warnen vor überstürzten Klimaschutz-Maßnahmen.

Der achte Grund liegt in der kapitalistisch bedingten Industrialisierung der Landwirtschaft. Schuld an der verheerenden Bilanz ist das Prinzip mehr und schneller: Es wird gedüngt und geerntet, was das Zeug hält; intensiv Tiere gehalten und für das Tierfutter Urwald im Rekordtempo vernichtet. Dadurch werden Lachgas,  Methan und CO2  in großen Mengen freigesetzt und das Klima weiter angeheizt.

Der neunte Grund ist die kapitalistisch bedingte permanente Rüstungsproduktion, deren Kriegsanwendung und der damit verbundene Treibhausgasausstoß. Schon in Friedenszeiten ist der militärische Sektor in erheblichem Maße für die Klimaerwärmung verantwortlich. Um die Beschaffungs- und Absatzmärkte zu sichern und auszudehnen, führt die kapitalistische Produk-tionsweise zu wiederkehrenden militärischen Kriegen und mit diesen aufgrund der fossilen Energienutzung zu ständigen Treibhausemissionen. Dem gegenwärtigen Ukrainekrieg wird ein weiterer folgen und die Aufrüstung weiter anheizen. Das US-Militär ist der größte Einzelproduzent von Erdölprodukten und damit der größte Klimakiller der Welt.

Das Ergebnis dieser Betrachtungen lautet, innerhalb des Kapitalismus ist eine Politik der Nullemissionen und damit eine Klimaneutralität unmöglich. Kapitalismus und Klimaschutz sind unvereinbar. Der Kapitalismus treibt die die globale Erderwärmung voran und mit ihr die Klimakatastrophen.  Die Rettung besteht nur in der Schaffung einer alternativen, klimafreundlichen Wirtschaftsweise.

Für die Systemverteidiger ist der Kapitalismus nicht das Problem. Er ist sogar die Lösung. Ein grüner Kapitalismus und ein grünes Wachstum sollen die Probleme lösen. Dabei soll das Wirtschaftswachstum vom Ressourcenverbrauch, von der Naturzerstörung und den CO2-Emissionen entkoppelt werden.

Doch ein grüner Kapitalismus ist eine Täuschung und ein »grünes« Wachstum ist ein Irrweg. Eine absolute Entkopplung ist nicht möglich. Wächst die Weltwirtschaft weiterhin jährlich um rund 3 Prozent erreicht angesichts des steigenden fossilen Rohstoffbedarfs der Ausstoß von Treibhausgasen weiterhin Rekordwerte. Das gegenwärtig globale BIP in Höhe von 100 Billionen US-Dollar wird sich innerhalb der kommenden 50 Jahre vervierfachen und enorme Klimaschäden hervorrufen.

Wenn wir es mit der Klimawende ernst meinen und die Klimakatastrophen verhindern wollen, kommen wir um einen wirtschaftlichen Systemwechsel nicht herum. Je schneller und umfassender, desto besser für die Pflanzen, die Tiere und die Menschen.

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