Wirtschaft
anders denken.

Kompetent für »die Wirtschaft«

17.07.2016
Foto: Gabi Pott / photocase.deDer Journalismus beeinflusst, wen wir »wirtschaftskompetent« finden.

Warum glauben so viele Leute, die Union habe die mit Abstand größte »Wirtschaftskompetenz«? Es hängt wohl mit der medialen Dauerverstärkung einer herrschaftskonformen Erzählung zusammen – durch Journalisten.

Zu den Evergreens der politischen Vorurteile gehört die Behauptung, die gesellschaftliche Linke besitze keine »Wirtschaftskompetenz«. Was auch immer das sein soll – die Leute haben eine feste Meinung dazu. Auf die Frage, welcher Partei sie am ehesten zutrauen, »die Wirtschaft in Deutschland voranzubringen«, antworten die Leute seit Jahrzehnten: die Union. Ungefähr die Hälfte der Befragten fühlen sich bei CDU und CSU wirtschaftspolitisch stets am ehesten aufgehoben. Die SPD folgt in deutlichem Abstand mit in der Regeln knapp über 20 Prozent. Und die »Wirtschaftskompetenz« von Linkspartei und Grünen rangiert in solchen Umfragen meist nahe Null.

Es ist dabei übrigens völlig egal, in wessen »Kompetenz« die Wirtschaft gerade liegt. In der Geschichte der Bundesrepublik gab es nur vier Unionspolitiker im Amt des zuständigen Ministers, fünf waren Sozialdemokraten, acht kamen von der FDP, einer wart parteilos. Mit den Vorschlägen und dem ökonomischen Denken der Parteien können die Umfrageergebnisse aber auch nicht viel zu tun haben – jedenfalls gibt es dafür keinen belastbaren Hinweis.

Eher ist die Annahme gerechtfertigt, dass eine Mehrheit eine Partei dann für besonders »wirtschaftskompetent« hält, wenn sie die Interessen »der Wirtschaft« vertritt. Das macht die Union in der Tat sehr gern und sie braucht dazu auch nicht das zuständige Ministeramt. Unternehmen lassen sich auf den Feldern der Steuer- und Sozialpolitik mindestens ebenso gut pampern. Und wenn ein wichtiger Banker Geburtstag hat, darf er schon mal im Kanzleramt feiern. Das führt natürlich zu großer und berechtigter Empörung, doch der »Wirtschaftskompetenz« der Parteien links der Union hilft es auch nicht auf die Beine, wenn sie vorrechnen können, dass hier die öffentliche Hand auch noch die Sausen des Kapitals bezahlt.

Die »Wirtschaftskompetenz« der Union hat weder unter der Deutsche-Bank-Josef-Ackermann-Party gelitten noch muss sie fürchten, wegen der unübersehbaren sozialen und ökologischen Folgen einer politischen Ökonomie zu gebrechen, die von den Interessen der Unternehmen her gedacht ist – die viele offenbar für ihre eigenen halten. Wenn es »der Wirtschaft« gut geht, haben doch auch die kleinen Leute etwas davon! Man kann diese Sichtweise niemandem recht verübeln, jahrzehntelang basierte auch das sozialdemokratische Fortschrittsversprechen darauf: Wachstum schafft Spielraum für Umverteilung.

Den verbreiteten Aberglauben, die Union habe die mit Abstand größte »Wirtschaftskompetenz«, erklärt das aber nicht. Vielleicht hängt der mit etwas zusammen, was man »strukturelle Dauerverstärkung einer herrschaftskonformen Erzählung« nennen könnte: Die, die über »die Wirtschaft« schreiben und damit den Sound der öffentlichen Diskussion über »die Wirtschaft« als »Experten« prägen, formatieren auch die allgemeine Bewertung dessen, bei wem die »Wirtschaftskompetenz« zu liegen hat – Journalisten.

Einer aktuellen Umfrage des Wirtschaftsforschungsinstituts Doeblin zufolge sehen Wirtschaftsjournalisten die »Wirtschaftskompetenz« vor allem bei der Union, bei der Unternehmenslobby BDI und beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag. Bei den Politikern liegt das neoliberale Trio infernale Wolfgang Schäuble, Christian Lindner und Wolfgang Kubicki ganz vorn. Der eine ist das europaweite Aushängeschild für deutschen Exportnationalismus und Austeritätsdogmen; die anderen kommen aus einer Partei, die sich der Pflege der privaten Reichtumsmehrung der oberen Klassen verschrieben hat. Sie also sind es, die von den »Multiplikatoren« – so werden die Wirtschaftsjournalisten in der Studie genannt – am ehesten mit »Wirtschaftskompetenz« in Verbindung gebracht. Immerhin erfahren wir bei der Gelegenheit, was genau darunter zu verstehen ist: wirtschaftskompetent ist der, der »konstruktive und qualifizierte Lösungsbeiträge« zur »Stärkung des Wirtschaftsstandortes Deutschland« liefert.

Um zu wissen, was keinesfalls als »konstruktiv und qualifiziert« geltend darf, kann ein Beispiel aus der Vergangenheit angeführt werden. Ein berühmter Träger von Wirtschaftskompetenz, der damalige Kapitallobbyist Dieter Hundt, befand vor gut einem Jahrzehnt: »Ich finde es zum Kotzen, was derzeit in dieser Republik abläuft. « Er meinte nicht die Folgen einer Politik, die sich als wirtschaftskompetent ausgibt. Sondern deren Kritiker.

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