Wirtschaft
anders denken.

Haushalte mit Verwechslungspotential

18.08.2021
Ein Computerprogram auf einem Bildschirm zeigt Graphen unf Tabellen z.B. für KrediteBild:200 Degrees auf PixabayÖffentliche und private Haushaltführung sollte man nicht verwechseln

Investitionen entstehen nicht durch Ersparnisse, sondern Kredite. Die Wirtschaftswissenschaft will das jedoch nicht wahrhaben. Über Mythen und Vorurteile der Geldpolitik Teil 2.

Dass Staatsanleihen und damit die Staatsverschuldung kritisch gesehen werden, liegt daran, dass viele, auch akademische Ökonomen den Staatshaushalt wie einen Einzelhaushalt betrachten und die Verfahren der Geldschöpfung im zweistufigen Bankensystem nicht kennen. In der wirtschaftspolitischen Debatte der 1970er Jahre haben die neoliberalen und monetaristischen Ökonomen davon gesprochen, dass eine stärkere staatliche Kreditnachfrage einmal die Zinsen hochtreibt, weil mehr Kredite nachgefragt werden und zweitens private Investitionen dadurch verdrängt werden („Crowding out“). Hinter dieser Sicht stand und steht die Vorstellung, es gäbe so etwas wie einen fixen, also begrenzten Fonds von angespartem Kapital, das für Investitionen zur Verfügung steht. Das war die Theorie der „Loanable Funds“. Diese bestehen aus den Ersparnissen plus der Geldschöpfung durch den Kreditmultiplikator. Dieser Multiplikator entsteht durch die Verwendung der Ersparnisse für Investitionen, die Gewinne abwerfen. Wenn diese ins Bankensystem zurückkommen, hat sich die Geldmenge, die zur Verfügung steht, erhöht. Das Modell lautet: Ersparnisse werden zu Investitionen und deren Gewinne erhöhen den Fonds der ausleihbaren Mittel.

Keynes und vor ihm bereits Schumpeter haben jedoch gezeigt, dass dieses Modell zu einfach und daher falsch ist. Das realistische und daher wirklichkeitsnahe Modell lautet: Zur Finanzierung von Investitionen sind keine Ersparnisse nötig, sondern Kredite. Kredite finanzieren Investitionen und Investitionen führen zu Einkommen, aus denen dann Ersparnisse gebildet werden. Dagegen wurde eingewandt, dass für die Vergabe von Krediten vorher Ersparnisse gebildet werden müssen, die dann als Kredite ausgereicht werden. Dieser Einwand ist nur stichhaltig, wenn Banken Intermediäre sind, wenn sie also Kredite vergeben, die vorher als Einlagen oder Depositen bei ihnen hinterlegt wurden. Banken sind keine Intermediäre, sondern schaffen ihre Einlagen durch die Vergabe von Krediten selbst. Mit der Kreditvergabe wird neues Geld quasi aus dem Nichts geschöpft (Siehe dazu auch M. Binswanger, Geld aus dem Nichts, 2015). Inzwischen wird dieser Zusammenhänge zwischen Banken, Zentralbanken und Nicht-Banken sowohl von der Bank of England, wie von der Deutschen Bundesbank korrekt dargestellt. Die Bundesbank hat ihn in den Monatsberichten vom April 2017 und in einem Lehrbuch für die Oberstufe der Gymnasien beschrieben (Bundesbank 2017, 2019). Wir haben inzwischen die absurde Situation, dass Oberschüler in Gymnasien eine Sicht lernen, die von Professoren der Volkswirtschaftslehre nicht gewusst oder sogar bestritten wird. Bis Mitte der 1980er Jahre wurden diese Verfahren der Geld- und Kreditschöpfung durch das zweistufige Bankensystem noch gekannt, wie das ältere Lehrbücher zu Geld und Geldpolitik zeigen. Das zeigt, dass die Volkswirtschaftslehre eine akademische Disziplin ist, in der bereits erreichte Niveaus an Wissen wieder preisgegeben werden.

Bei der Vergabe von Krediten müssen bestimmte Regeln der bankgemäßen Rechnungslegung (IFRS) und internationaler Vereinbarungen (Basel III und IV) eingehalten werden. Werden die Kredite zurückgezahlt, wird dieses Geld wieder vernichtet. Diese Verfahren der Geldschöpfung über die Vergabe von Krediten kennen wir in der Wirtschaftsgeschichte seit der Mitte des 19. Jahrhunderts. In die wissenschaftliche Volkswirtschaftslehre hat diese Praxis Eingang gefunden durch den schwedischen Ökonomen Knut Wicksell (1898) und Joseph Schumpeter (1911). Keynes hat das 1930 weiter ausgebaut und die Geldschöpfung des Staates durch seine Zentralbank einbezogen (Fiat Money). Es ist daher umgekehrt. Es kommt durch die über den öffentlichen Kredit finanzierten zusätzlichen Staatsaugaben nicht zu einer Verdrängung privater Investitionen, sondern diese werden durch die Ausweitung der staatlichen Nachfrage sogar angeregt. Es kommt zu mehr Investitionen und zu mehr Beschäftigung.

Die Geschäftsbanken schöpfen Buch- oder Giralgeld, die Zentralbank Zentralbankgeld. Die Verknüpfung dieser beiden Kreisläufe der Geldschöpfung finden auf den Konten der Geschäftsbanken bei ihrer nationalen Zentralbank statt. Die Geschäftsbanken müssen für ihre Kreditvergabe durch Buchgeld Mindestreserven von 1 % auf dieses Konto einzahlen. Dazu brauchen sie Zentralbankgeld. Das brauchen sie für die Transaktionen mit anderen Geschäftsbanken über diese Konten. Ferner brauchen sie Zentralbankgeld für das Bargeld, das sie ausgeben. An Zentralbankgeld kommen sie, wenn sie sich über Offenmarktgeschäfte und bestimmte Fazilitäten von ihrer Zentralbank gegen Sicherheiten, in erster Linie Staatsanleihen, Zentralbankgeld leihen. Mit dem sog. „Quantitative Easing“ hat die EZB die Geschäftsbanken in hohem Umfang mit Zentralbankgeld versorgt, als sich die Banken auf dem Geldmarkt nicht mehr selbst Kredite gegeben hatten. Die Leitzinsen wurden auf null gesenkt, der Einlagezins, den die Banken auf ihren Konten bei der Zentralbank bezahlen auf – 0,5 % abgesenkt. Dadurch haben die Geschäftsbanken ein starkes Motiv, Staatsanleihen zu kaufen, wenn die Rendite knapp unter – 0,5% liegt. Das wird komplettiert durch den Kauf von Wertpapieren (Staatsanleihen, Unternehmensanleihen) auf dem Sekundärmarkt.

Geschrieben von:

Michael Wendl
Michael Wendl

Mitherausgeber von »Sozialismus«

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