Wirtschaft
anders denken.

Kreislaufwirtschaft

28.02.2017
Pommes frites nahFoto: Acid Picks / Flickr CC-BY 2.0 LizenzEine Pommes-Schale macht noch keinen Kreislauf

Das Bild des Kreislaufs ist überall präsent. Interessant daran ist, dass es dem noch populäreren Bild des anhaltenden wirtschaftlichen Wachstums entgegensteht.

In einem Kreislauf wird ein Zustand stabil gehalten, dabei kann die Zielgröße variieren. Wachstum folgt einer völlig anderen Logik, hier geht es um eine quantitative oder qualitative Ausweitung. Aber es gelingt in der wirtschaftspolitischen Rhetorik sehr gut, beide Bilder unwidersprochen in einen Zusammenhang zu bringen. Zum Beispiel haben wir ein Kreislaufwirtschaftsgesetz – als Bundesgesetz gewiss daraufhin geprüft, dem Wirtschaftswachstum nicht im Weg zu stehen. Welche Art von Kreislaufwirtschaft ist gemeint, wenn kein Widerspruch zum Wachstumsparadigma entstehen darf?

Zum einen ist das Verständnis oft auf den Output beschränkt. Die essbare Pommes-Schale und das kompostierbare T-Shirt aber machen noch keine Kreisläufe. Mit diesen Eigenschaften ist nur die letzte Phase im Produktzyklus angesprochen. Ein wesentlicher, nicht selten der größere Teil der Ressourcen ist nicht im Produkt enthalten, stattdessen in den verschiedenen Verarbeitungsstufen und den dazwischenliegenden Transporten angefallen. Ein dem Wort nach sinnvolles Konzept von Kreislaufwirtschaft kann es für komplexe Produkte wohl nur geben, wenn mindestens die einzelnen Verarbeitungsschritte räumlich nah organisiert sind und das Produkt lange genutzt wird.

Die essbare Pommes-Schale und das kompostierbare T-Shirt aber machen noch keine Kreisläufe.

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Zum anderen wird häufig die intensivere Verwendung von Abfällen als Kreislaufwirtschaft bezeichnet. Vorgelagerte Prozesse wie Rohstoffgewinnung, Warenproduktion, Logistik geraten dabei kaum in den Blick. Es werden auf der Basis produktionsbedingt entstehenden Abfalls neue Produktionszyklen entwickelt, die im schlimmsten Fall viel Material und Energie benötigen, ihrerseits Abfälle erzeugen und kurzlebige Produkte ohne Mehrwert für die Versorgung liefern. Also etwa Pressspanmöbel aus Abfällen der Holzindustrie oder Stadtmöbel aus Plastikkübeln. Kompatibel mit Wachstum ist das auf jeden Fall. Wenn es gut läuft, kann wie beim Glasrecycling aus den Abfällen immer wieder dasselbe Produkt hergestellt werden. Aber es stellt sich die Frage, warum man das Glas zwischendrin eigentlich wegwirft und kaputt macht. Diese Frage habe ich einer ambitionierten kleinen Mosterei gestellt. Heraus kam, dass die Einführung eines Rücknahmesystems aufwendige Logistik und teure Anlagen erfordert und für Start-ups überhaupt keine finanzierbare Möglichkeit darstellt.

Woher rührt also die rhetorische und programmatische Bedeutung der Kreislaufwirtschaft? Es scheint, der Kreislauf ist zu einem neuen Ideal geworden. Allen Beteiligten macht er ein Angebot: Der Konsument kann die kaum getragenen Kleidungsstücke über Kleiderkreisel in einen Gebrauchtwarenmarkt verschieben und sogar zu Geld machen. Die Unternehmerin kann die tausend unausgepackten alten Kataloge ins Papierrecycling geben und den unnötigen Produktionsaufwand im Schredder vergessen machen. Der Politiker muss nicht das Wirtschaftssystem in Frage stellen lassen, sondern kann auf verbesserte Verfahren in der Abfallwirtschaft verweisen. Als Cradle2Cradle kann man aus der Idee sogar ein proprietäres Produkt machen und Lizenzen fürs Kreislaufwirtschaften verkaufen.

Es scheint, der Kreislauf ist zu einem neuen Ideal geworden, aber es bleiben Fragen offen.

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Dabei bleibt ausgeblendet, dass es keine geschlossenen Kreisläufe geben kann. In einem gut gestalteten Kreislauf können Ressourcen erhalten werden, mineralische, wie Aluminium, gut und organische, wie Papier und Kunststoff, schlecht. Aber ohne Energiezufuhr läuft nichts. Hier liegt eine Art Ursünde: Wirtschaft, verstanden als organisierte Versorgung von Menschen, erfordert immer den Zufluss von Energie. Denn ohne diesen ständigen Energienachschub würde alles der Entropie zum Opfer fallen. Die Sonne liefert diesen Nachschub ja sehr zuverlässig, für Menschen und alle anderen Lebewesen. Allerdings eignet sich diese Energiezufuhr erst transformiert für schnelle und komplexe Produktion. Transformation aber bedeutet Einsatz von Ressourcen und transformierter Energie.

Ein solches Bild von Kreislaufwirtschaft verspricht – ähnlich wie die Green Economy –, dass sich nicht viel ändern muss. Nichts wird knapp und es gibt auch keinen Abfall mehr. Wir müssen nicht die Wirtschaftsordnung transformieren. Vor allem müssen wir uns nicht ändern. Egal, wie erfolgreich wir in der industriellen Produktion Kreisläufe organisieren: Die Energiezufuhr bleibt die offene Flanke. Also ist es wohl doch notwendig – selbst wenn echte Ressourcenkreisläufe sozial und technisch gelingen – mehr zu tun: nämlich weniger zu produzieren.

Diese Kolumne erschien in OXI 11/2016.

Geschrieben von:

Corinna Vosse

Wissenschaftlerin

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