Wirtschaft
anders denken.

Kriegsgewinne besteuern!

20.08.2022
Das Logo des Mineralölkonzerns Shell auf einer Werbetafel vor blauem HimmelFoto: Jethro CarulloShell und andere Mineralölkonzerne konnten ihre Gewinne durch den Krieg erhöhen.

Mit der Besteuerung von »Übergewinnen« sollen ungerechtfertigte Profite der Allgemeinheit zugutekommen. Eine aktuelle Studie des Netzwerk Steuergerechtigkeit in Auftrag der Rosa-Luxemburg-Stiftung liefert neue Argumente. Eine Zusammenfassung.

Eine Steuer auf die Kriegsgewinne der großen Mineralölkonzerne und Stromproduzenten erfährt in der öffentlichen Debatte in Deutschland und europaweit große Unterstützung. Aber während einige europäische Länder solch eine Steuer bereits umgesetzt haben, wurden hierzulande bisher alle Initiativen in diese Richtung politisch blockiert. Die vorliegende Studie analysiert in dieser Situation die Preisentwicklung und Gewinne ausgewählter Mineralölkonzerne und zeigt, wie hoch die Kriegsgewinne in Deutschland und weltweit ausfallen und wo sie bisher versteuert werden. Basierend auf dieser Analyse und mit Hilfe eines Vergleichs mit in Europa bereits bestehenden Übergewinnsteuern lässt sich grob schätzen, dass für Deutschland staatliche Einnahmen in Höhe von 30 bis 100 Milliarden Euro pro Jahr möglich wären – abhängig von der konkreten Ausgestaltung und dem Steuersatz.

Kriegsgewinne und Steueroasen

Die sechs analysierten Mineralölkonzerne (Saudi Aramco, BP, Total, Shell, ExxonMobile und Wintershall Dea) haben ihre Gewinne im ersten Halbjahr 2022 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum trotz hoher Abschreibungen auf Nord Stream 2 und das russische Geschäft um rund 60 Milliarden US-Dollar erhöht. Auf den gesamten Mineralölmarkt hochgerechnet ergibt sich ein Übergewinn von rund 430 Milliarden US-Dollar; für das ganze Jahr wären es sogar rund 1.160 Milliarden US-Dollar .Aus dem Preisanstieg seit Kriegsbeginn – um etwa 50 US-Dollar pro Fass bei Öl und etwa acht Euro pro mmBTU bei Gas – ergeben sich aus den deutschen Verbrauchswerten rechnerisch Übergewinne von

38 Milliarden Euro (Öl) beziehungsweise 25 Milliarden Euro (Gas) für ein Jahr. Bei den Produzenten von Strom aus Kernkraft und erneuerbaren Energien entstehen aus dem Preisanstieg um 140 Euro pro MWh zusätzliche Übergewinne von etwa 50 Milliarden Euro – ein großer Teil davon bei den vier großen Stromkonzernen. Weil aber BP und die anderen Mineralölkonzerne einen beträchtlichen Teil ihrer Gewinne in Steueroasen wie Singapur oder die Schweiz verschieben, und ein anderer großer Teil der Gewinne in den Produktionsländern verbucht wird, würde die nach traditioneller Methode berechnete Unternehmenssteuer nur einen kleinen Teil der Gewinne erfassen. Je nach Ausgestaltung und Steuersatz (25, 50 oder 90 Prozent) könnte eine Übergewinnsteuer trotzdem Einnahmen von rund 30 bis 100 Milliarden Euro pro Jahr generieren.

Wo es schon Übergewinnsteuern gibt

Während die EU-Kommission eine europäische Übergewinnsteuer erwägt, haben einige europäische Länder, darunter Großbritannien, Italien, Spanien, Griechenland, Rumänien und Ungarn, Übergewinnsteuern eingeführt, entwickeln sie gerade oder weiten sie aus (etwa Spanien mit Blick auf die Banken). Die erwarteten Einnahmen bewegen sich zwischen 0,2 und 0,6 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Auf Deutschland übertragen und auf ein Jahr gerechnet wären dies elf bis 40 Milliarden Euro.

Italien bezieht – anders als die meisten anderen Länder – zwar auch den Mineralölsektor ein, besteuert dort aber nur den kleinen Teil der lokal verbuchten Margen. Der Großteil der Steuern stammt deswegen auch in Italien aus dem Strommarkt. Der spanische und rumänische Ansatz, die Preissteigerungen als Grundlage für die Steuer zu nutzen, ist dabei eine interessante Alternative zum italienischen Modell. Zu überprüfen wäre, ob der in bestimmten Ländern gewählte Referenzzeitraum als Vergleichsgröße geeignet ist, weil er die Niedrigpreisphase während der Corona-Pandemie umfasst.

Warum es in Deutschland noch keine Übergewinnsteuer gibt

Zwei Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags (WD, 2021 sowie 2022b) argumentieren mittlerweile recht eindeutig, dass eine Übergewinnsteuer in Deutschland rechtlich möglich ist. Auch eine Verwendung von Quasi-Gewinnen aus den Umsatzsteuervoranmeldungen wie in Italien wäre möglich. Damit ist der Einwand von Bundesfinanzminister Lindner (FDP), Übergewinne ließen sich „amtlicherseits“ nicht feststellen, widerlegt. Ökonomisch und politisch gibt es eine Reihe von Ansätzen, Übergewinne zu ermitteln und die Übergewinne der Mineralölkonzerne in Deutschland zu besteuern. Die Gegenargumente sind also vor allem eine ideologisch und verteilungspolitisch motivierte Verteidigung des Status Quo.

Unser Vorschlag

Deutschland sollte kurzfristig eine Übergewinnsteuer für Mineralölkonzerne und Stromproduzenten einführen und so, wie etliche unserer europäischen Nachbarn, angesichts von Krieg und Krise(n) dringend notwendige Steuermehreinnahmen möglich machen sowie politisch wichtige Zeichen setzen. Etwa als Antwort auf die wirtschaftliche Kriegserklärung Putins oder für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und das Vertrauen in die Gerechtigkeit des Steuersystems.

Um die Gewinne der Mineralölkonzerne in Deutschland zu besteuern, sollte Deutschland – ob mit oder ohne EU-Kommission – die Steuer nach dem Vorbild der in einigen anderen Ländern bereits angewandten Digitalsteuer gestalten, also die in Deutschland zu versteuernden Gewinne anhand des deutschen Anteils am Umsatz aus den Konzerngewinnen ableiten.

Mittelfristig sollte die Bundesregierung auf eine allgemeingültige, international abgestimmte Steuer hinwirken.

Christoph Trautvetter, David Kern-Fehrenbach: Kriegsgewinne besteuern – Ein Beitrag zur Debatte um Übergewinnsteuern, RLS-Studien, August 2022.

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