Wirtschaft
anders denken.

Leihmütter in Zeiten des Krieges

03.04.2022

Ukrainische Leihmütter stellt die Flucht vor rechtliche und praktische Probleme. Unkomplizierte Notlösungen müssen her!

Leihmutterschaft ist zweifelsohne Ausdruck der wachsenden Asymmetrien und Ungleichheiten in den sozioökonomischen Lebensverhältnissen zwischen armen und reichen Ländern einer weltumspannenden kapitalistischen Ökonomie. Paare, die in wohlhabenden Ländern ungewollt kinderlos geblieben sind, wird es auf einem globalen Markt möglich, gegen Geld ihren Kinderwunsch zu realisieren. Schätzungsweise reisen etwa 15.000 Paare aus Deutschland jedes Jahr ins Ausland, um eine Leihmutter zu beauftragen. Seit in mehreren asiatischen Ländern, darunter in Indien und Thailand, die Gesetzeslage verschärft wurde, ist die Ukraine zu einem „Hotspot“ für kommerzielle Leihmutterschaft geworden. Während es in Deutschland unter Hinweis auf Frauenrechte und Menschenwürde verboten ist, für andere ein Kind auszutragen, gilt Leihmutterschaft in der Ukraine als legal. Zudem ist dort die Übertragung der Elternschaft auf ausländische Paare vergleichsweise unkompliziert. Agenturen vermitteln zwischen Wunscheltern und Leihmüttern. All-inclusive-Angebote kosten zwischen 30.000 und 40.000 Euro. Am Black Friday 2021 warb die größte ukrainische Leihmutteragentur BioTexCom mit drei Prozent Rabatt – in der freien Marktwirtschaft wird einfach alles zur Ware.

Osteuropäische Leihmutterschaft und der Umgang damit ist also nicht erst ein Problem, seit Babys und Schwangere in Bunkern sitzen müssen. Der Krieg in der Ukraine wirft allerdings erneut ein Schlaglicht auf ein durch und durch brutales Geschäftsgebaren.

Um die Flucht der ukrainischen Leihmütter ins Ausland zu verhindern, stellte BioTexCom noch vor Kriegsausbruch ein Video von einem Luftschutzbunker ins Netz, das den schwangeren Frauen versichern sollte, dass es ihnen auch im Krieg an nichts fehlen würde. Mit der Realität hat das allerdings nichts zu tun, zumal sich die meisten Reproduktionskliniken der Ukraine in stark umkämpften Regionen um Charkiw und Kiew befinden. Eine der Leihmütter, die ein Kind im Bunker zur Welt gebracht hat, berichtete der Deutschen Welle, dass sie drei Tage lang nichts von der Agentur gehört haben. Als dann endlich Firmenmitarbeiter eintrafen, hätten diese lediglich die Babys abgeholt – ohne Essen und Wasser für die Leihmütter dabei zu haben.

Ukrainische Leihmütter wiederum, die nach Westeuropa geflohen sind, betreten rechtliches Neuland. Denn in vielen Zufluchtsländern wird eine Frau durch den Akt der Geburt automatisch zur Mutter eines Kindes. Es spielt dabei keine Rolle, dass sie als Leihmütter genetisch nicht mit den von ihnen geborenen Kindern verwandt sind. Auch in Deutschland kämen sie durch die Geburt in die groteske Situation, Mutter eines Kindes zu sein, das sie nie haben wollten. Komplizierte Adoptionsgesetze hier zu Lande würden die Leihmütter bis zum Abschluss einer Adoption alleinverantwortlich für das Wohl des Kindes machen. Ihre finanzielle Lage spielt dabei keinerlei Rolle.  Nicht nur wegen solcher und anderer rechtlicher Komplikationen drängen Leihmutterfirmen auf Rückkehr in die Ukraine vor dem Geburtstermin. Sie wollen dadurch offenbar auch verhindern, dass problematische Interna über ihr ausbeuterisches Geschäftsmodell an die Öffentlichkeit gelangen. Da den Leihmüttern die letzte und höchste Rate erst nach Geburt des Kindes ausgezahlt wird, haben die Agenturen ein starkes Druckmittel in der Hand.

Was daraus folgt? Deutschland muss kurzfristig vereinfachte Aufnahmeregelungen für Leihmütter und ihre Neugeborenen aus der Ukraine schaffen, aber auch mit einem unbürokratischen Adoptionsverfahren reagieren, so dass diese Frauen ohne Ängste bei uns einreisen und bleiben können.

Gesamtgesellschaftlich allerdings gehören die verlogenen Praktiken der bundesdeutschen Politik auf den Tisch: Es geht nicht an, dass Leihmutterschaft unter Hinweis auf Frauen- und Menschenrechte bei uns offiziell verboten ist, aber wegen diverser Gesetzeslücken doch relativ einfach ausgelagert werden kann. Unwillkürlich drängen sich Parallelen zu den fragwürdigen Geschäftspraktiken in der 24-Stunden-In-Door-Pflege auf. Hier wie dort geht es wieder einmal um Profit.

Geschrieben von:

Uta Meier-Gräwe

Soziologin und Haushaltsökonomin

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