Krise abhaken? Griechenland, das Ende des Kreditprogramms und viele offene Fragen
Im August endet das, was gemeinhin als drittes »Hilfspaket« für Griechenland bezeichnet wird. Aus der Eurogruppe wird nun Optimismus vermeldet. Doch viele Fragen sind weiter strittig. Wie sehen Schuldenerleichterungen aus? Was macht der IWF? Und bleiben die Fesseln der Austerität angezogen?
»Euro-Länder wollen Griechenland-Krise abhaken«, »Eurogruppe sieht Griechenland fast am Ziel« – nach dem Treffen der Euro-Finanzminister in Sofia machen Schlagzeilen wie diese die Runde. Einmal abgesehen von der Frage, wessen Ziel hier gemeint ist, was Griechenland davon hat und ob die Krise damit wirklich abgehakt werden kann, klingt auch der Optimismus der Meldungen recht hohl. Hinter Äußerungen wie jenen von EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici, der mit den Worten zitiert wird, »das wird die letzte Seite in der Geschichte der Euro-Krise«, oder Einlassung wie jener von Bundesfinanzminister Olaf Scholz, der erklärte, es könne »heute einen viel optimistischeren Blick auf Griechenland geben als vor ein paar Jahren«, liegen jede Menge bisher ungelöster Konflikte.
Die »Frankfurter Allgemeine« hat in ihrer Diktion die Fragen unlängst noch einmal aufgeschrieben: »Kann der griechische Staat ohne weitere Schuldenerleichterungen auf Dauer überleben? Welche Vorgaben für den von Athen zu erbringenden Primärüberschuss, also den Haushaltssaldo ohne Schuldendienst, sind realistisch? Wie lässt sich sicherstellen, dass die Regierung auf Dauer auf einem Spar- und Reformkurs bleibt?«
Zu all dem gibt es Kontroversen, die Konfliktlinien verlaufen auf mehreren Ebenen: die Eurostaaten gegen den Internationalen Währungsfonds, und innerhalb der Eurogruppe die »nördlichen« gegen die »südlichen« Staaten.
Da wäre Knackpunkt 1: Damit sich der IWF doch noch mit seinen 1,6 Milliarden Euro an dem europäischen Kreditprogramm beteiligt, was einst Voraussetzung für die Zustimmung in der Union im Bundestag war, müssten die Eurostaaten deutliche Schuldenerleichterungen akzeptieren, was bisher nicht zuletzt am Widerstand aus Berlin scheiterte.
Die »Welt« schreibt dazu: »Bislang fordert der IWF dem Vernehmen nach einen Schuldenerlass von rund 100 Milliarden Euro als Bedingung für seine Teilnahme«, die Bundesregierung »müsste einen Löwenanteil tragen«. Da man nicht erwartet, dass es zu einem klassischen Schuldenschnitt kommt, hängt viel auch davon ab, »wie der Gegenwartswert der Lasten berechnet wird, die den europäischen Kreditgebern in Zukunft abverlangt würden« – es geht dabei um Zinsabschläge, Laufzeitenverlängerungen, die Ablösung teurerer IWF-Kredite durch den Eurokrisenfonds ESM oder die Übertragung von Gewinnen aus einem EZB-Anleihenaufkaufprogramm an Athen.
In Nachrichtenagenturen kann man nach dem Treffen der Eurogruppe in Sofia lesen, die Gläubiger planten »einen Finanzpuffer für die Zeit nach dem Ende des Programms«. Gemeint ist die so genannte Abschlusszahlung, die einen »beträchtlichen« Betrag enthalte könne, so ESM-Chef Klaus Regling. In Berichten ist von einer Summe von zehn bis zwölf Milliarden Euro die Rede. Laut Eurogruppenchef Mário Centeno würden diese Mittel voraussichtlich auch länger als bei anderen Staaten üblich zur Verfügung gestellt – eventuell für einen Zeitraum »von bis zu 18 Monaten«.
Mit all dem hängst Knackpunkt 2 zusammen: die so genannte »Nachprogrammüberwachung«. Wie aus einem Vorbericht des Bundesfinanzministeriums zur Sitzung der Eurogruppe in Sofia hervorgeht, der oxiblog.de vorliegt, ist dabei unter anderen »die Frage der Aktivierung und Fortführung des BIP-Mechanismus« weiter strittig.
»Während die Europäischen Institutionen, der Internationale Währungsfonds (IWF) und einige Mitgliedstaaten eine weitgehend automatische Anwendung des Mechanismus befürworteten, sprach sich die deutsche Delegation, unterstützt von einer Reihe weiterer Mitgliedstaaten, für einen diskretionären Ansatz aus. Danach könnte der Mechanismus nur dann aktiviert und fortgeführt werden, wenn Griechenland auf Basis einer regelmäßigen Überprüfung seinen Nachprogrammverpflichtungen nachkommt, wie sie etwa aus der Einhaltung der europäischen Fiskalregeln resultieren. Ein schwaches Wachstum würde somit Griechenland nicht automatisch berechtigen, seine Schuldendienstzahlungen zu reduzieren«, heißt es in dem Regierungsdokument. Das läuft auf die Fortsetzung der Politik der Memoranden heraus, die Athen eine bestimmte Politik aufzwingen.
In einem Papier der Task Force on Coordinated Action TFCA, die sich aus Regierungsvertretern der Euroländer zusammensetzt, ist diese unter anderem deutsche Haltung auch in einer Fußnote niedergelegt, aber eben nur dort. Auf dem Papier heißt es zu Fragen der Politik nach dem Auslaufen des dritten Kreditprorgammes für Griechenland im August denn auch, die Bundesregierung mache »sich den Inhalt des Dokuments nicht zu eigen«.
Schon zuvor hatte es Berichte über die Differenzen gegeben, die nicht zuletzt zwischen der Regierung in Paris und dem ESM auf der einen Seite, und anderen Eurostaaten, darunter die Bundesrepublik auf der anderen gegeben. Die Vorarbeiten für mögliche Schuldenerleichterungen, so hatte unlängst das »Handelsblatt« berichtet, hätten längst begonnen, bereits im Februar seien Experten gebeten worden, »Optionen durchzuspielen«. Diese würden zeigen, »wie weitgehend die Schuldenerleichterungen ausfallen könnten«.
Es gibt verschiedene Vorschläge: vom ESM und von der französischen Regierung. Angedacht sind in dem Papier unter anderem Verlängerungen der Laufzeiten einiger Kredite um im Schnitt sieben Jahre, die noch der frühere EFSF-Rettungsschirm ausgezahlt hatte. Auch wurde überlegt, Zinszahlungen von insgesamt 13 Milliarden Euro für fünf Jahre zu stunden. Die Regierung in Frankreich, in Sachen Kreditprogramme stets mit mehr Rücksicht auf die Sicht der Griechen als die Hardliner in Berlin, habe vorgeschlagen, »Kredite von 25 Milliarden Euro teilweise (zu) stunden und so eine durchschnittliche Laufzeitverlängerung von zwölf Jahren (zu) erreichen. Zudem sollen die Zinsen auf Rettungskredite für Athen bei zwei Prozent gedeckelt werden, was einer Erleichterung von 18 Milliarden Euro entspräche«, so das »Handelsblatt«.
ESM und Paris schlagen darüber hinaus vor, »Schuldenerleichterungen bis zum Jahr 2050 an die Wirtschaftsentwicklung des Landes koppeln«. Bei einem durchschnittlichen BIP-Wachstum innerhalb fünf Jahren unter 2,8 Prozent, soll Athen laut der Initiative aus Paris von der Rückzahlung ganz und bei etwas höheren Wachstumsraten teilweise befreit werden. Die Vorschläge des ESM laufen darauf hinaus, die Rückzahlungen auf bestimmte Prozentanteile der Wirtschaftsleistung festzuschreiben, wenn die BIP-Entwicklung unter eine bestimmte Marke fällt.
Hinzu kommt ein dritter Aspekt: die SYRIZA-geführte Regierung in Athen hat auch eigene Pläne. Die könnten wiederum mit den Ansichten der Gläubiger kollidieren. Das ganze wird auch durch die innenpolitische Dynamik in Griechenland geprägt, wo es nicht mehr allzu lang zu den nächsten Wahlen ist. Einen kleinen Vorgeschmack darauf gibt es hier.
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