Kritischer Umgang mit Risiken? Bei den deutschen Banken hat sich wenig verändert
Zehn Jahre nach Beginn der Finanzkrise fährt ein großer Teil der Finanzindustrie weiter auf dem alten, gefährlichen Kurs: Eine PwC-Studie zeigt, wie wenig sich im Umgang mit Risiken geändert hat. Mehr Regulierung wäre nötig, zum Teil wollen das die Banker sogar.
Wie steht es um den Umgang mit Risiken in der Finanzindustrie? Offenbar nicht so gut. »Auch zehn Jahre nach der Finanzkrise ringen viele deutsche Banken noch immer mit der grundlegenden Einstellung ihrer Mitarbeiter im Umgang mit Risiken«, heißt es in einer aktuellen Studie des Beratungskonzerns PwC.
45 Prozent der dafür befragten Führungskräfte erklärten, in den vergangenen rund zehn Jahren seit dem Höhepunkt der Finanzkrise von 2007/2008 sei für sie ein Wandel im Umgang mit Risiken »kaum zu erkennen« oder sie sagen, seit der Krise habe sich nichts geändert. Nur 49 Prozent der befragten Entscheider der deutschen Bankenbranche würden aus ihrer Perspektive ein »deutliches Umdenken« im Umgang mit Risiken sehen.
Was treibt diese Risiken vor allem an? Laut der PwC-Studie sind es ganz ähnliche Faktoren wie diejenigen, die vor zehn Jahren wie Benzin im ohnehin schon lodernde Krisenfeuer im Finanzsektor wirkten: »Entscheidenden Einfluss nehmen dabei immer noch die bestehenden Anreizsysteme der Banken. So betrachten 51 Prozent der Manager die aktuellen Bonusmodelle als ›potenzielle Treiber für das Eingehen höherer Risiken‹. Sogar 73 Prozent stimmen der Aussage zu, dass ambitionierte Zielvorgaben die Mitarbeiter generell dazu verleiten können, höhere Risiken in Kauf zu nehmen.«
In der Sprache der Unternehmensberater geht es hier um »Risikokultur«, dazu zählen auch institutionalisierte Rahmensetzungen wie etwa ein »Wertekanon« für das jeweilige Finanzhaus, in dem dann bestenfalls festgelegt ist, welche Linien nicht überschritten werden sollen, um nicht zu hohe Risiken einzugehen.
Zwei Drittel der Banken noch ohne eigenes Regelwerk
»Tatsächlich existiert der Umfrage zufolge bislang erst in jeder vierten Bank ein formell definierter Wertekanon; zudem stellen die Befragten nur in 54 Prozent der Fälle eine ›hohe Übereinstimmung‹ zwischen dem Kanon und der gelebten Praxis fest.« Jede dritte Bank habe »ein verbindliches Rahmenwerk zur Risikokultur«, ein weiteres Drittel der Finanzunternehmen plant solch ein internes Regelwerk, ein weiteres Drittel nicht einmal das. »Auch die Fehlerkultur scheint noch ausbaufähig. So empfinden momentan nur 69 Prozent der Befragten den Umgang mit Fehlern in ihrer Bank als offen und transparent«, schreibt PwC.
Nun könnte man meinen: Auf die Kreditinstitute kann man sich ohnehin nicht allein verlassen, es reiche nicht, dass die Finanzindustrie sich Regeln gibt, der Staat müsse diese verbindlich einführen und durchsetzen. Interessant ist: Eine stärkere Regulierung wird von den Bankmanagern nicht nur kritisch gesehen, so PwC.
86 Prozent der befragten Manager stimmte der Aussage zu, dass »ein stärkerer Einfluss durch Regulierung und Aufsicht hilft, die Risikokultur im Finanzsektor zu verbessern«. Allerdings trübt sich das Bild sofort wieder ein, denn bei der Hälfte der befragten Unternehmen lehnt man strikte staatliche Anforderungen dazu ab und setzt auf ein altes Modell: die Regulierer sollen nur Prinzipien und Empfehlungen vorgeben, die Banken sollen den Rest selbst innerhalb eines Spielraumes entscheiden.
Falscher Umgang mit Risiken war ein Treiber der Krise
Warum das wichtig ist? Eine umfangreiche Übersicht der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung zu Ursachen, Verlauf und Folgen der Finanzkrise seit 2007 hat ausdrücklich »esoterische Risikomodelle« als Mitursache für den Kladderadatsch kritisiert. So hätte bis dahin eine »Illusion der Risikosteuerung« vorgeherrscht, »Risikofachleute entziehen sich allgemeiner Diskussion«, es gebe »kaum Kommunikation über Risiken auf Normalverständnisniveau«.
Und auch was die »Anreize« zum Eingehen hoher Risiken angeht, hat die Stiftung auf den Zusammenhang mit den Vergütungen und Boni hingewiesen: Zwar hat es »exzessive Banker-Boni bereits im deutschen Kaiserreich zwischen 1870 und 1914« gegeben. Zunächst in den USA, später auch anderswo, hätten sich aber später modernere, »extreme Bonus-Systeme für Banker« etabliert, insbesondere in den Investmentbanken. Diese seien »auf kurze Zeiträume ausgerichtet«, die Belohnung steige mit Renditen und Risiken, es gebe keine Hebel für einen Malus. Insofern Boni einen sehr hohen Anteil an der Gesamtvergütung von Spitzenbankern ausmachten, führten diese Vergütungsmodelle »zum Eingehen immer höherer Risiken«.
Darüber ist viel gesprochen worden, es ist davor gewarnt worden und es ist nach Regeln gerufen worden, dies zu stoppen. Die PwC-Studie zeigt nun, wie weit der Weg zu einer besseren Regulierung im Bereich Risikovermeidung noch ist. Zehn Jahre nach der Krise … ist immer noch vor der nächsten Krise.
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