Wirtschaft
anders denken.

Lexit-Appell für einen »linken Euro-Ausstieg«

29.06.2016
Jemand hat sich in einer EU-Fahne verfangen.Foto: Ed Everett / Flickr CC-BY 2.0 LizenzBloß raus hier! Die EU ist nicht reformierbar, meinen die Unterzeichner des Lexit-Appels.

Europäische PolitikerInnen und WissenschaftlerInnen werben für den »Lexit«, einen »linken Ausstieg aus dem Euro«. Nur so könnten Neoliberalismus und Nationalismus gestoppt werden.

WissenschaftlerInnen und PolitikerInnen aus europäischen Ländern drängen auf einen »linken Ausstieg« aus dem Euro und sehen darin eine Möglichkeit »zur Verteidigung und Wiederherstellung der Demokratie«. Ein am Mittwoch veröffentlichten Appell fordert eine »internationalistische Alternative« zu den europaweit wachsenden Anti-EU-Positionen von rechts. »Vor dem Hintergrund des alarmierenden Demokratieabbaus, der Zerstörung sozialer Rechte und der Privatisierung öffentlichen Eigentums müssen emanzipatorische Kräfte in Europa auf der Basis von Selbstbestimmung realistische und glaubwürdige Alternativen zum autoritären, neoliberalen Integrationsmodell vorlegen«, so die UnterzeichnerInnen. Daher setze man sich für einen »einen Lexit aus dem Euro-System« ein.

Unterstützt wird die Initiative unter anderem vom deutschen Europaabgeordneten Fabio De Masi, dem früheren italienischen Vizefinanzminister Stefano Fassina, dem Ökonom Heiner Flassbeck, Costas Lapavitsas von der SYRIZA-Abspaltung Laiki Enotita und dem Soziologen Wolfgang Streeck. Die EU sei »kein neutrales Spielfeld«, schreiben die UnterzeichnerInnen in der Absicht, vor Illusionen über die Reformfähigkeit der Europäischen Union zu warnen. Auf der Basis einer deutschen Dominanz und über Regeln, die mit der Euroeinführung geschaffen wurden, sowie vor dem Hintergrund der »strengen und kaum legitimierten Maßnahmen, mit denen auf die Eurokrise reagiert wurde«, sei der autoritäre, neoliberale Charakter der EU-Integration sogar »weiter verschärft« worden. Das gegenwärtige europäische Integrationsprojekt sei »zu einem Hindernis für Demokratie und Souveränität« geworden.

Ist die Europäische Union demokratisierbar?

Der Appell entstand bereits vor dem Brexit-Referendum in der vergangenen Woche, wurde aber erst jetzt vom »Lexit Netzwerk« einer breiteren Öffentlichkeit vorgestellt. Die AutorInnen knüpfen auch an Diskussionen über einen »Plan B« in Europa an, die nach dem Berlin-Brüsseler »Coup« gegen die SYRIZA-geführte Regierung in Griechenland unter linken PolitikerInnen und ÖkonomInnen geführt wurde. An Treffen der »Plan B«-Bewegung in Paris und anderen europäischen Städten hatten unter anderem Ex-Bundesfinanzminister Oskar Lafontaine und sein griechischer Kollege Yanis Varoufakis teilgenommen. Letzterer engagiert sich inzwischen im Netzwerk DiEM25 für eine radikale Demokratisierung der EU und lehnt einen Ausstieg aus dem Euro-Währungssystem ab.

Genau hierin aber sehen die UnterzeichnerInnen des Lexit-Appells den entscheidenden Knackpunkt: Die Europäischen Währungsunion sei »von Anfang an auf Austerität und Preisstabilität ausgerichtet« gewesen. Der Euro kranke dabei nicht etwa an irgendwelchen »Konstruktionsfehlern«, sondern er funktioniere »im Sinne seiner neoliberalen Macher sehr gut«. Statt zu sozialer und ökonomischer Konvergenz zwischen den Euroländern beizutragen, habe dann auch der Euro als Gemeinschaftswährung dazu geführt, »dass sich Löhne, Produktivität etc. noch weiter auseinander entwickeln«. Dadurch wurden »riesige makroökonomische Ungleichgewichte« verursacht, die in den einzelnen Staaten negative Auswirkungen unterschiedlichen Ausmaßes angenommen haben. Im Ergebnis wurde »ein immenser Druck auf schwächere Volkswirtschaften« ausgeübt, die in der Praxis auf »einen Rückbau sozialer Sicherungssysteme, exzessive Privatisierungspolitik, Lohn- und Sozialdumping, Steuerwettbewerb, Attacken gegen kollektive Tarifverhandlungen und gewerkschaftliche Organisierung sowie eine Verteufelung öffentlicher Beschäftigung und Massenentlassungen im öffentlichen Sektor« hinausgelaufen seien.

Last Exit »Lexit«

Einen progressiven Ausweg innerhalb des Europäischen Währungssystems sehen die UnterstützerInnen des Lexit-Appels nicht. Die Eurozone erfülle »nicht die Voraussetzungen einer funktionierenden Währungsunion. Es ist auch nicht zu erwarten, dass sich dies in Zukunft ändert«. Realistischer sei hingegen die Gefahr eines noch stärkeren Aufschwungs »rechtsextremer Kräfte in fast allen Euroländern«. Auch diese würden unter anderem auf Anti-EU-Parolen und Anti-Euro-Positionen ihren Erfolg realisieren – davon grenzt sich das Lexit-Netzwerk ab und kritisiert dies als »xenophoben Neoliberalismus«, der eine Bewegungsfreiheit von Menschen zum Ziel habe, nicht aber wirksame Maßnahmen gegen Kapitalmacht, Lohndumping und soziale Spaltung.

Die europäische Währungsunion werde nach Ansicht der Unterstützer des Appells früher oder später ohnehin kollabieren. Daraus ergebe sich »die Notwendigkeit, zwischen alternativen Exit-Szenarien zu wählen, rechts oder links, jeweils mit sehr unterschiedlichen Folgen für die sozialen Klassen in den beteiligten Ländern«. Mit dem Aufruf verfolge man das Ziel, »emanzipatorische, linke Strategien für einen Euro-Exit und eine Überwindung der neoliberalen Integration zu entwickeln«.

 

Der Beitrag erschien auch auf neues-deutschland.de.

Geschrieben von:

Tom Strohschneider

Journalist

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