Wirtschaft
anders denken.

Lieferketten-Sorgfalt im Praxistest

07.11.2023
Bananen im Regal, am Ende der LieferkettenFoto: Bild von StockSnap auf Pixabay

Auf Bananenplantagen in Ecuador und Costa Rica werden systematisch Menschenrechte verletzt. Dagegen wehren sich Gewerkschafter:innen jetzt mit einer juristischen Beschwerde gegen Rewe und Edeka in Deutschland.

Liegen im Supermarkt zwei Bananen. Auf der einen klebt der übliche Aufkleber mit dem Logo eines internationalen Nahrungsmittel-Multis. Das Label der anderen dagegen zeigt einen kleinen Frosch und die Aufschrift »Rainforest Alliance«. Welche der beiden hat wohl bessere Chancen, bei der an Umweltschutz und fairen Arbeitsbedingungen interessierten Verbraucherin zu landen? Eben. Und deswegen ist es auch weit mehr als ein schlechter Witz, wenn ausgerechnet auf den zentralamerikanischen Herkunftsplantagen dieser Banane Hungerlöhne gezahlt, Arbeiter:innen giftigen Pestiziden ausgesetzt und Gewerkschafter:innen bedroht werden. Das genau dies geschieht, davon haben Menschenrechtsorganisationen seit Jahren wieder und wieder berichtet, ohne dass sich viel verbessert hätte.

Bundesbehörde mit Kontroll- und Sanktionsmacht

Doch seit Januar 2023 gilt in Deutschland das Gesetz zur Lieferkettensorgfaltspflicht und ermöglicht juristische Schritte gegen hiesige Supermarktketten und damit denjenigen, die letztlich von den Menschenrechtsverletzungen auf den Plantagen profitieren. Die Gewerkschaft der Bananenarbeiter:innen Ecuadors, ASTAC, nutzt dieses gesetzliche Druckmittel jetzt gegen REWE und EDEKA. Beide, so der gut dokumentierte Vorwurf, dulden auf den Plantagen ihrer Zulieferer sowohl in Ecuador wie Costa Rica Verstöße gegen örtlich geltende Arbeitsschutzbestimmungen, die gewerkschaftliche Vereinigungsfreiheit, und Lohndumping, insbesondere die ungleiche Bezahlung von Männern und Frauen.

Dagegen legte die Gewerkschaft, unterstützt von OXFAM Deutschland und dem European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR), beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) Beschwerde ein. Diese Bundesbehörde ist zuständig für die Überwachung des Lieferkettengesetzes und muss bei Verstößen tätig werden. Dabei hat sie durchaus weitreichende Befugnisse: Sie reichen von Einsicht in Unternehmensunterlagen über Besichtigung von Betriebsgrundstücken, Vorladungen und konkrete Auflagen bis zur Verhängung von Zwangs- und Bußgeldern. Letztere können bei vorsätzlichen oder fahrlässigen Pflichtverstößen bis zu acht Millionen Euro oder zwei Prozent des durchschnittlichen Jahresumsatzes betragen. In welchem Maße das Bundesamt diese Sanktionsmacht tatsächlich anwendet, wird entscheidend sein für die Wirksamkeit des Lieferkettengesetzes.

Siegel, Zertifikate und andere Etikettenschwindel

Darüber hinaus verweist die offizielle Beschwerde auch auf den verlogenen Etikettenschwindel mit Zertifikaten und Audits, den lokale Aktivist:innen und internationale Organisationen ebenfalls schon lange anprangern. »Gefälligkeitsgutachten« wäre vermutlich der treffendere Begriff für das, was da von den Zertifizierungsagenturen abgeliefert wird. Zu deren Erstellung gehören vorab angekündigt oder ganz und gar erfundene Betriebskontrollen ebenso wie die Manipulation von Aussagen der Beschäftigten, oder auch deren Einschüchterung. Alles damit die Auftraggeber, hiesige Supermärkte, Berichte bekommen, die ihre Geschäfte nicht stören. Oder, wie die Menschenrechtsjuristinnen Carolin Terwindt und Miriam Saage-Maaß schon 2017 analysierten: »Privatwirtschaftliche Kontrollen ohne Haftungsanspruch haben zu einem System ohne wirkliche Kontrollen der Sozialaudits geführt, dass zudem den Arbeiter:innen die nötigen Rechtsmittel verwehrt.«

Gewerkschaften sind entscheidend

Sechs Jahre später glaubten REWE und Edeka noch immer, die Vorwürfe der Arbeiter:innen aus Ecuador und Costa Rica mit Verweis auf Siegel und Zertifikate abwimmeln zu können. Für Jorge Acosta, Generalkoordinator der ecuadorianischen Gewerkschaft für Bananenarbeiter:innen, ASTAC, folgt daraus: »Das Lieferkettengesetz sollte daher die Rolle der Gewerkschaften ins Zentrum stellen. Sie sind die einzigen, die die Einhaltung der Arbeitsrechte garantieren können.« In welchem Maße das deutsche Lieferkettengesetz diesen Auftrag erfüllt, wird sich an den von engagierten Menschenrechtler:innen unterstützen Beschwerden und Klagen zeigen, die jetzt eingelegt werden. Selbst wenn sie erfolgreich sind, erhalten die geschädigten Arbeiter:innen aber auf dieser Grundlage keinen Schadenersatz. Diese Lücke könnte dann möglicherweise das Europäische Lieferkettengesetz schließen, das zum Ende dieses Jahres verabschiedet werden soll. Für die an Umweltschutz und fairen Arbeitsbedingungen interessierte Verbraucherin bleibt es unübersichtlich – nicht nur beim Bananenkauf.

Geschrieben von:

Sigrun Matthiesen

Journalistin

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