Wirtschaft
anders denken.

Lobbyarbeit in der Schule

Felix Kamella, Campaigner bei LobbyControl, über die Lobbyarbeit von Unternehmen an Schulen, die wachsende Ablehnung von Unterrichtsmaterialien von RWE und co., die fehlende Transparenz und die Verantwortung der Politik.

23.05.2016
Felix Kamella, Campaigner bei LobbyControl, hat in Bonn Politische Wissenschaft, Osteuropäische Geschichte und Slavistik studiert. Bei LobbyControl ist er verantwortlich für die Kampagne gegen Lobbyismus an Schulen.

Im Jahr 2013 haben Sie mit einer eigenen Untersuchung den Einfluss von Unternehmen auf den Schulunterricht zu einem Thema gemacht. Was hat sich seither verändert: Hat der Einfluss zugenommen? Oder eher abgenommen?

Kamella: Auf jeden Fall hat die kritische Diskussion deutlich zugenommen. Und es gibt auch einzelne Erfolge: In Niedersachsen wurde nach unserer wiederholten Kritik ein Kooperationsprojekt zwischen Schulen und Energiekonzernen wie ExxonMobil beendet. Enttäuschend ist jedoch, dass sich generell die verantwortlichen Kultusministerien der Länder weigern, etwas Handfestes gegen die Einflussnahme zu unternehmen. Sie schieben bis auf wenige Ausnahmen die Verantwortung alleine den Schulen zu. An der Haltung hat sich in den letzten Jahren wenig geändert.

Nicht nur Sie, auch die Gewerkschaften thematisieren den Unternehmer-Einfluss immer wieder. Wie stark ist die Unterstützung, die Sie bei Eltern, Schülern und in der Lehrerschaft finden?

Unser Appell gegen die Schulaktivitäten des Energiekonzern RWE wurde innerhalb von nur zehn Tagen über 26.000 Mal unterzeichnet. Über diese große Zustimmung habe ich mich schon sehr gefreut. Ansonsten lässt sich das natürlich nur schwer in Zahlen ausdrücken. Mein allgemeiner Eindruck ist: Es gibt viele LehrerInnen, die das ebenfalls kritisch sehen. Aber es gibt auch viele mit unkritischer Haltung. Diese versuchen wir mit unserer Aufklärungsarbeit zu erreichen.

Auch in den Medien ist die Lobbyarbeit der Unternehmen in den Schulen immer wieder ein Thema, jedoch nur gelegentlich und dann meist nur am Rande. Warum ist der Widerstand dagegen nicht stärker?

Das entspricht nicht meiner Wahrnehmung. Die Resonanz beispielsweise auf unsere Recherche zu den Schulaktivitäten von RWE war sehr groß. Problematischer ist, wie gesagt, der fehlende Widerstand der zuständigen Schulministerien. Warum beispielsweise die NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann den Lobbyaktivitäten von RWE an Schulen kein Ende setzt, kann ich nicht nachvollziehen.

Ist es nicht auch sinnvoll, wenn SchülerInnen aus Sicht von Praktikern, in diesem Fall von Unternehmern und Managern, etwas über Wirtschaft, Arbeitsmarkt und Finanzen lernen, sozusagen aus erster Hand?

Natürlich kann der Kontakt zu außerschulischen Akteuren den Schulalltag bereichern. Es geht ja auch nicht darum, die Schulen abzuschotten. Wenn es jedoch nicht mehr darum geht, SchülerInnen Wissen und Erfahrungen zu vermitteln, sondern wenn es um Lobbyismus geht und darum, das politische Klima zu verändern, dann ist das aus mehreren Gründen problematisch. Zum einen können sich diese Formen der Einflussnahme nur besonders finanzstarke Akteure leisten. Das heißt: Wem die notwendigen finanziellen Mittel fehlen, dessen Botschaft droht unterzugehen. Zudem ist Lobbyismus an Schulen schwer zu erkennen, da er intransparent ist und manipulative Methoden anwendet. Die Gefahr ist daher groß, dass es sich in diesen Fällen um inhaltlich einseitige Lerninhalte handelt. Und derjenige, der versucht, Schulen für seine Interessen zu instrumentalisieren, der handelt gegen Bildungsziele wie eigenständige Meinungsbildung und Kritikfähigkeit.

Was muss aus Ihrer Sicht unbedingt geändert werden?

Wir sehen vor allem die Politik in der Verantwortung. Diese muss Schülerinnen und Schüler vor der unlauteren Einflussnahme von Konzernen schützen und einen kritischen Umgang mit externen Materialien und Angeboten fördern. Konkret fordern wir eine Monitoringstelle, die den kritischen Umgang mit Angeboten von außerschulischen Akteuren fördert und LehrerInnen berät. Zukünftige Lehrkräfte müssen bereits in der Ausbildung für die Gefahren der Einflussnahme sensibilisiert werden. Die externen Unterrichtsmaterialien müssen gekennzeichnet sein, so dass LehrerInnen, Eltern und SchülerInnen auf den ersten Blick erkennen können, von wem das Material stammt und wessen Interessen darin vertreten werden. Wir fordern zudem, dass alle bisherigen Kooperationen überprüft werden. Denn sie können zu Abhängigkeiten und mangelnder Distanz führen. Es müssen auch klare Regeln für Kooperationen vereinbart werden. Werbung an Schulen muss verboten und das Sponsoring stärker geregelt werden. Die aktuellen Vorgaben lassen einen zu großen Interpretationsspielraum zu. Entscheidend ist: Es muss mehr Geld für Schulen und Bildung geben. Denn das deutsche Bildungssystem ist unterfinanziert. Und das ist das zentrale Einfallstor für Lobbyisten.

Das Interview führte:

Wolfgang Storz

Kommunikationsberater

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