Wirtschaft
anders denken.

Lohnkonkurrenz durch Migration? Was die Theorie sagt – und was die Empirie dazu erforscht hat

08.06.2018
Nicohofmann, Lizenz: CC BY-SA 3.0Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg

Ein wiederkehrendes Argument in der linken Debatte lautet, Migration verschärfe die Lohnkonkurrenz und übe negativen Druck auf Einkommen aus – dies sei auch das Interesse des Kapitals an Arbeitsmigration. So lautet zumindest die Theorie. Empirische Studien kommen teils zu ganz anderen Ergebnissen.

Die Debatte über Migration und Asyl hat in der gesellschaftlichen Linken an Schärfe zugenommen. An dieser Stelle soll es allerdings nicht um parteipolitisch motivierte Rhetoriken (»Wir können nicht alle aufnehmen«) oder Versuche gehen, die Debatte weg von ihrer politischen Substanz auf eine Ebene der Moralkritik zu verschieben. Sondern um eine für die der  Linken zugerechneten Parteien und sonstigen Akteure in diesem Zusammenhang relevante Frage: Welche Folgen hat Migration auf die Erwerbsmärkte in den Zielländern und damit auf Löhne und Arbeitsmarktchancen von Beschäftigten. 

Ein wiederkehrendes Argument lautet, Migration verschärfe die Lohnkonkurrenz und über negativen Druck auf Einkommen aus – dies sei auch das eigentliche Interesse des Kapitals an Arbeitsmigration. Diese Gedanke findet sich auch in theoretischen Ansätzen. Aber halten die auch mit der Realität mit? Wir haben uns dazu einmal ein paar Studien angesehen.

Modelle, die Realität und theoretische Ansätze

Zunächst ein paar Grundlagen. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung  hat 2016 mit Blick auf »Lohn- und Beschäftigungseffekte der Zuwanderung nach Deutschland« zunächst die Folgen für eine »modellhafte Volkswirtschaft mit festen Produktionsstrukturen, homogenen Arbeitnehmern und einem unveränderlichen Arbeitsangebot der ansässigen Bevölkerung« betrachtet, bei der Zuwanderung das inländische Arbeitsangebot erhöht und »zu niedrigeren Löhnen der einheimischen Bevölkerung oder einem Anstieg der Arbeitslosigkeit« führen müsste, »falls Löhne sich nicht an Veränderungen im Arbeitsangebot anpassen«. 

Doch das ist bloß ein Modell. »Volkswirtschaften sehr viel komplexer und können sich an Veränderungen im Arbeitsmarkt durch verschiedene Mechanismen anpassen. Empirische und theoretische Studien legen nahe, dass der Kapitalstock eines Landes flexibel ist und sich mittel- und langfristig an Veränderungen im Arbeitsangebot anpassen kann. Ein erhöhtes Arbeitsangebot kann Kapitalrenditen steigern und damit Investitionen anlocken. Bliebe das Verhältnis von Kapital zu Arbeit trotz Einwanderung konstant, würde sich das gesamtwirtschaftliche Lohnniveau nicht verändern. Weiterhin kann sich eine offene Volkswirtschaft, anstatt über Löhne, über Gütermärkte und Produktionstechnologien an Veränderungen des Arbeitsangebots anpassen. Dies geschieht durch die Ausweitung der Produktion in den von der Einwanderung relativ stark betroffenen Sektoren oder durch den Wechsel zu Technologien, die vermehrt Arbeit als Input nutzen. Darüber hinaus können Einwanderer die Nachfrage nach inländischen Gütern und Dienstleistungen anheben. Letzteres kann wiederum die Nachfrage nach (einheimischen) Arbeitskräften steigern und im resultierenden Gleichgewicht zu positiven Effekten am Arbeitsmarkt führen.«

Von der Neoklassik bis zum Neomarxismus

Der in Hamburg lehrende Wirtschaftsgeograph Christof Parnreiter hat hier die wichtigsten »Theorien und Forschungsansätze zu Migration« im Überblick dargestellt – von der Neoklassischen Ökonomie über die Theorie des dualen Arbeitsmarktes bis zu den New Economics of Migration und der Weltsystemtheorie und dem Neomarxismus. 

In der Perspektive der letztgenannten Ansätze wird Migration »als ein Subsystem des Weltmarktes gesehen, als ein ›labor supply system‹ auf einem ›Weltmarkt für Arbeitskraft‹. Einerseits aufgrund der expansiven Natur des Akkumulationsprozesses, andererseits wegen des Wunsches, die Arbeitskosten zu senken, stellt der Bedarf nach Arbeitskräften eine Konstante der Entwicklung des kapitalistischen Weltsystems dar.« 

Und weiter: »Auf drei Ebenen hängen die aktuellen Prozesse der Globalisierung und Migration unmittelbar zusammenErstens beschleunigen die Globalisierungsdynamiken die Entwurzelung von Menschen in den Peripherien. Die Landwirtschaft in der Dritten Welt wird immer umfassender in die internationale Arbeitsteilung einbezogen und zwar sowohl als Produktionsstandort als auch vermittelt über die Weltmarktkonkurrenz. Das Ergebnis ist, daß ländliche Bevölkerungsschichten direkt von ihrem Land vertrieben werden… Zweitens hängen Globalisierung und Migration zusammen, weil die Formierung eines transnationalen Raums, der durch die globalen Bewegungen von Kapital, Gütern, Dienstleistungen, Informationen etc. geschaffen wird, Mobilitätsbarrieren beseitigt… Drittens bringt Globalisierung auch einen neuen Bedarf an marginalisierter Arbeitskraft in den Zentren hervor und befördert so internationale Migrationen. Denn zu den Umbrüchen der Weltwirtschaft seit den 1970er Jahren gehören sozioökonomische Reorganisationen in den alten Zentren, die zu Veränderungen in der Arbeitsorganisation, in der Einkommensverteilung und in der Arbeitskraftnachfrage führen. Die wirtschaftliche und soziale Neuordnung forciert – insbesondere in den großen Metropolen – die Polarisierung von Wirtschaft und Gesellschaft. Für den Arbeitsmarkt bedeutet dies, daß die Nachfrage nach Arbeitskräften für schlecht bezahlte, instabile und sozial nicht oder schlecht abgesicherte Jobs wächst.« 

Ein »Weltmarkt für Arbeitskraft«

Parnreiter weist aber auch darauf hin, dass die Beschäftigung von ImmigrantInnen in den Zentren der Weltwirtschaft »keine Alternative zur Kapitalmobilität« darstellt, »also der Auslagerung von Produktionen in ›Billiglohngebiete‹ dar, sondern ist eine Komponente derselben. In beiden Fällen ist es das Ziel, Zugang zu peripheren und peripherisierten Arbeitsmärkten zu erhalten – gleichgültig ob diese nun im In- oder im Ausland liegen, ob sie für Jobs in den modernsten oder in ›rückständigen‹ Sektoren dienen, ob sie für den Weltmarkt oder die lokale Wirtschaft produzieren«.

Lydia Potts, die den Begriff »Weltmarkt für Arbeitskraft« mitgeprägt hat, betont, dass in historischer Perspektive »alle praktizierten Formen des europäischen Kolonialhandels, des Kapitalexports, der Plantagenökonomie und der Extraktion der unterschiedlichen Rohstoffe sowie der Transport von Waren aller Art auf der Anwendung und Ausbeutung der Arbeitskräfte Amerikas, später Afrikas, Asiens und Australiens basieren«. Der entscheidende Punkt: »Der Weltmarkt für Arbeitskraft ist daher nicht mehr oder weniger späte Folge eines Weltmarktes für Waren und Kapital bzw. der Weltmarktintegration kolonisierter Gebiete, sondern die Anwendung ›äußerer‹ Arbeitskraft durch Europa und im Sinne seiner ökonomischen Interessen«, sei vielmehr »eine der wesentlichen Voraussetzungen kapitalistischer Weltwirtschaft«. (siehe dazu ihr Beitrag in: Rassismus und Migration in Europa, Beiträge eines Kongresses, September 1990, Argument Sonderband, Hmaburg 1992)

Was sagen Studien über die Arbeitsmarkteffekte von Migration?

Soweit ein paar theoretische Grundlagen, aber wie sieht es mit der Empirie aus? Zunächst auch hier eine Vorbemerkung: Die zur Verfügung stehenden Expertisen betrachten in der Regel frühere Zeiträume oder bilden Schätzungen über mögliche noch bevorstehende Effekte ab. Das liegt in der Natur der Sache: Für Empirie braucht es Daten, die gibt es für zurückliegende Zeiträume. 

Allerdings gibt es auch eine Reihe von Untersuchungen, die vergleichbare Entwicklung zu anderen Zeiten und in anderen Regionen in den Blick nehmen und diese als im Grunde übertragbar ansehen. Hinzu kommt, dass auch die wissenschaftliche Erforschung der Effekte von Migration auf den Erwerbsmarkt nicht frei von politischen Implikationen ist – wie man weiter unten am Beispiel der Forderung sehen kann, den Mindestlohn für Geflüchtete auszusetzen, weil dieser »ein Hindernis für die erfolgreiche Integration« in den deutschen Arbeitsmarkt darstelle.

Einen Überblick über »Deutsche und internationale Studien zur Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten« findet sich in einem Working Paper der Fachstelle Einwanderung aus dem Jahr 2017. Darin geht es auch um mögliche Auswirkungen des wachsenden Zugangs der Geflüchteten auf den deutschen Arbeitsmarkt«. Dazu heißt es: »Zwar weisen einige Expertinnen und Experten darauf hin, dass ökonomische Prognosen äußerst schwierig seien. Dennoch sehen einige Wirtschaftsinstitute und Stiftungen die Flüchtlingszuwanderung als Konjunkturprogramm.«

IMK: Wachstum und Beschäftigung steigen an

Dazu werden einige Beispiele genannt: »Das Institut für Makroökonomie IMK der Hans Böckler Stiftung kommt zu dem Schluss, dass ›die gesamtwirtschaftliche Aktivität infolge der Flüchtlingsmigration deutlich ansteigt‹. Die Autorinnen und Autoren gehen davon aus, dass die massive Zuwanderung von Flüchtlingen zwar auch erhebliche Mehrausgaben zur Folge haben wird, in der Gesamtbilanz jedoch das Wachstum und die Beschäftigung stark ansteigen wird.« Und: »Die Deutsche Bundesbank kommt zu einem etwas differenzierteren Befund: Demnach wird der Zugang von Geflüchteten in den Arbeitsmarkt bis 2018 sehr verhalten erfolgen, die staatlichen Mehrausgaben werden jedoch positive Auswirkungen auf die Binnennachfrage zeitigen und den Staatskonsum erhöhen.

Bereits 2015 konnte man in der »Welt« einen umfangreichen Überblick nachlesen, der sich mit der Frage befasste, ob »die Neuankömmlinge die Löhne hierzulande drücken werden?« Die Zeitung warf dazu einen »Blick auf andere wohlhabende Volkswirtschaften, die einen ähnlichen Zustrom erlebt haben«. So gebe es »innerhalb der OECD eine ganze Reihe von Volkswirtschaften, die teilweise über viele Jahre hinweg jährlich eine dauerhafte Zuwanderung hatten, die rund einem Prozent der Bevölkerung entsprach«, etwa die Schweiz, Schweden, Norwegen, Dänemark, Australien und Neuseeland. 

»Niedrigqualifizierte profitierten von der Zuwanderung«

Zu diesen Ländern gibt es Studien, die auch nach bestimmten Beschäftigtengruppen differenzieren. Für die Schweiz heißt es dazu unter anderem, »dass die Zuwanderung aus den EU-Ländern die im internationalen Vergleich überaus niedrige Arbeitslosenquote von Schweizern um 0,2 Prozentpunkte erhöht hatte. Allerdings galt das nur für hoch qualifizierte Personen. Die Zuwanderung wirkte sich zudem auf die Gehälter hoch qualifizierter Arbeitnehmer aus… Niedrigqualifizierte profitierten dagegen von der Zuwanderung. Ihre Löhne stiegen stärker, als erwartbar gewesen wäre.«

Ein anderes Beispiel, das genannt wird: Israel. Als dort nach dem Fall der Mauer viele Zuwanderer aus der früheren Sowjetunion aufnahm und so die Bevölkerung zwischen 1990 und 1994 um zwölf Prozent wuchs, wirkte sich dies auf die Beschäftigungslage praktisch gar nicht aus, obwohl die Ausbildungsniveaus der Einwanderer vergleichbar hoch wie jene der Israelis waren. Allerdings: »Ein zehnprozentiger Anstieg des Immigrantenanteils drückte die Löhne der Israelis um ein bis drei Prozent, dieser Effekt verschwand dann aber nach vier bis sieben Jahren wieder.«

Ein weiteres Beispiel ist der dänische Arbeitsmarkt, den die Migrationsforscher Giovanni Peri und Mette Foged untersucht haben – und zwar: »Welchen Effekt Flüchtlinge auf den dänischen Arbeitsmarkt hatten. Ihre Erkenntnisse waren überraschend und sind durchaus auf Deutschland übertragbar, weil sich die dänische Volkswirtschaft im untersuchten Zeitraum in einer ähnlich robusten Verfassung befand wie die deutsche im Moment. Peri und Foged stellten fest, dass die Flüchtlinge zunächst begannen, in Berufen mit niedrigem Qualifikationsniveau zu arbeiten. Dadurch profitierten allerdings dänische niedrig qualifizierte Arbeitnehmer, die in Jobs mit höherem Qualifikationsprofil wechselten. Die Tätigkeiten, für die nur eine geringe Qualifikation nötig war, wurden teilweise von Flüchtlingen übernommen. Gleichzeitig sorgten die Neuankömmlinge dafür, dass die Nachfrage in der Volkswirtschaft insgesamt anstieg.« Die »Welt« zitiert aus den Ergebnissen: »Die Zuwanderung hat bei den gering qualifizierten Einheimischen für höhere Löhne, höhere Erwerbstätigkeit und insgesamt größere Arbeitsmobilität gesorgt.«

Auch in Norwegen wurde der Zuzug von Migranten auf das Lohnniveau untersucht, das Ergebnis laut der Zeitung: »Die Migranten aus anderen nordischen Ländern hatten einen substanziellen Effekt auf die Löhne von Einheimischen – offenbar weil sie direkt mit Norwegern um Jobs konkurrieren. Die Einwanderer aus ärmeren Ländern sorgten dagegen kaum dafür, dass Löhne sanken. Der Effekt war, wenn überhaupt messbar, nur minimal, betraf allerdings gering qualifizierte Einheimische. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt eine Studie aus Schweden.«

Laut einer Studie von Semih Tumen für die IZA World of Labor Plattform, welche unter anderem die Einwanderungswelle aus Syrien in die Türkei nach 2011 untersuchte, habe diese Migration »nur negative Effekte auf die Beschäftigung von türkischen Arbeitnehmern gehabt, nicht aber auf deren Löhne«, so die »Welt«. Fazit der Studie, in der mehrere solcher spontaner, starker Migrationsereignisse geprüft wurden, lautet: »Flüchtlingsströme haben einen kleinen Effekt auf die Beschäftigung heimischer Arbeitskräfte, aber vernachlässigbare Folgen für ihre Löhne.«

Effekte von Einwanderung auf Lohnhöhe sehr gering

Dass die Effekte von Einwanderung auf die Lohnhöhe und die Arbeitsmarktchancen eher gering sind, findet sich auch als Tenor in anderen Studien. Der deutsche Beitrag zur Pilotforschungsstudie »The Impact of Immigration on Europe’s Societies« im Rahmen des Europäischen Migrationsnetzwerks von 2005 ergab zum Beispiel, »dass negative Lohneffekte für Einheimische insgesamt nicht gegeben sind; zum Teil sind eher positive Effekte zu beobachten. Ebenso sind lediglich geringe Auswirkungen auf die Beschäftigung festzustellen, die eine leicht positive Tendenz haben.« In der Expertise wird zudem »auf einen positiven Fiskaleffekt der Zuwanderung« hingewiesen sowie darauf, »dass der von den Zuwanderern geleistete Nettobeitrag zum Sozialversicherungssystem dazu beiträgt, die mit der zunehmenden Bevölkerungsalterung einhergehenden Probleme abzuschwächen«.

Herbert Brücker vom Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung IAB und der Universität Bamberg kam 2013 zu dem Ergebnis, dass sich aufgrund des damals konstatierten Qualifikationsanstiegs unter den Neuzuwanderern nach Deutschland sich »die Wirkungen der Migration auf Arbeitsmarkt und Sozialstaat« verändert hätten: »Per Saldo ergeben sich durch Migration langfristig neutrale oder sogar positive Effekte für den Arbeitsmarkt. Die gesamtwirtschaftliche Arbeitslosenquote sinkt durch die Zuwanderung, während sie in der Vergangenheit vor allem wegen der überdurchschnittlichen Beschäftigungsrisiken von Personen mit Migrationshintergrund leicht gestiegen ist. Auch ergeben sich günstigere Verteilungseffekte: Während in der Vergangenheit vor allem die geringer qualifizierten Beschäftigten die Anpassungslasten der Migration tragen mussten, so sind jetzt vor allem besser qualifizierte Arbeitskräfte, deren Arbeitsmarktrisiken ohnehin gering sind, betroffen.« 

Wenn, dann tragen Migranten die Folgen

Die Studie betont auch einen wichtigen und in der hiesigen Debatte unterblichteten Punkt: Die negativen Arbeitsmarktwirkungen der Migration konzentrieren sich »weiterhin auf die bereits in Deutschland lebenden Migranten. Dies ist vor allem auf den Umstand zurückzuführen, dass Migranten und einheimische Arbeitskräfte auch bei gleicher Qualifikation und Berufserfahrung nur unvollkommen im Arbeitsmarkt konkurrieren.«

Auch Brücker kommt darüber hinaus zu dem Befund, dass »sich in Deutschland erhebliche Gewinne für den Sozialstaat durch Zuwanderung« ergeben würden. »Das mag auf den ersten Blick überraschen, weil Personen mit Migrationshintergrund rund doppelt so häufig wie Einheimische von Arbeitslosigkeit betroffen sind und folglich in deutlich höherem Umfang Transferleistungen nach dem Sozialgesetzbuch II und III beziehen. Diese Effekte werden jedoch durch den Nettobeitrag von Personen mit Migrationshintergrund zu den umlagefinanzierten Rentenversicherungssystemen und anderen Sozialversicherungssystemen mehr als kompensiert.« Bereits für die Vergangenheit sei berechnet worden, »dass sich der laufende Nettobeitrag der in Deutschland lebenden Migranten zur fiskalischen Bilanz des Sozialstaates auf rund 2.000 Euro pro Jahr und Kopf beläuft.« Siehe zu Brückers Forschung auch hier.

»Senkung inländischer Löhne um 0,0595 Prozent«

Von Max Friedrich Steinhardt liegen mehrere Arbeiten zu den Arbeitsmarkteffekten der Zuwanderung vor, eine empirische Analyse für Deutschland erschien 2008. Sie zeigte, »dass Zuwanderung insgesamt lediglich einen geringen negativen Effekt auf die Löhne und die Arbeitslosigkeit der deutschen Beschäftigten hat«. So habe »ein Anstieg des Anteils der ausländischen Beschäftigten in einer Skill Group um einen Prozentpunkt zu einer Senkung der inländischen Löhne um 0,0595 Prozent« geführt. »Von dem insgesamt schwachen negativen Lohneffekt der Zuwanderung sind Beschäftigte mit geringer Bildung im Vergleich zu Personen mit hoher Bildung stärker betroffen«, heißt es in dieser Studie. »Bezüglich des Effektes auf die Arbeitslosigkeit der Zuwanderung haben die Schätzungen gezeigt, dass ein Anstieg des Ausländeranteils an der Gesamtbeschäftigung in einer Skill Group um einen Prozentpunkt einen Anstieg der inländischen Arbeitslosenquote um 0,052 Prozentpunkte zur Folge hat. In Bezug auf inländische Beschäftigte mit geringer und hoher Bildung können keine signifikanten Unterschiede festgestellt werden.« Siehe zu Bauers Forschung auch hier.

Bereits von 1997 stammt eine Untersuchung von Thomas Bauer über »Lohneffekte der Zuwanderung«. Dabei wurden die einheimischen und ausländischen Beschäftigten in ungelernte Arbeiter, Facharbeiter und Angestellte gruppiert. »Die Schätzergebnisse zeigten, daß ausländische Angestellte in einer Substitutionsbeziehung zu einheimischen ungelernten Arbeitern und einheimischen Angestellten stehen. Die Löhne einheimischer Facharbeiter werden bei einer Erhöhung des Angebots ausländischer ungelernter Arbeiter negativ beeinflußt. Zwischen allen anderen Gruppen einheimischer und ausländischer Arbeiter wurde eine Komplementaritätsbeziehung gefunden. In Einklang mit dem überwiegenden Teil der empirischen Studien zu den Arbeitsmarkteffekten der Zuwanderung in der Bundesrepublik Deutschland war das Ausmaß der berechneten Lohneffekte in allen Fällen vernachlässigbar klein. Gemäß diesen Ergebnissen können die in der derzeitigen politischen Diskussion zur deutschen Einwanderungspolitik geäußerten Befürchtungen starker negativer Effekte der Zuwanderung ausländischer Arbeitskräfte auf die Löhne einheimischer Arbeitnehmer nicht bestätigt werden.« 

Mit Migration gegen den Mindestlohn

Anders als die meisten bisher genannten Studien ist der Tenor bei Hans-Werner Sinn, der 2016 befand: »Theoretisch kann es positive Arbeitsmarkteffekte für die deutsche Bevölkerung geben. Flüchtlinge könnten als Selb­ständige tätig werden und die Ökonomie mit neuen Produk­ten aus ihren Heimatländern bereichern. Einige werden sich für höher qualifizierte Arbeiten eignen. Doch die meisten werden im Dienstleistungssektor unterkommen wollen und sich der Industrie als Fließbandarbeiter anbieten. Ob sie die gewünschten Stellen finden werden, steht allerdings in den Sternen, denn die kommen im Regelfall nur bei einer weite­ren Ausspreizung der Lohnskala nach unten zustande, die freilich durch den Mindestlohn behindert wird.«

Sinn geht davon aus, dass »angesichts der geringen Qualifikation der Flüchtlinge… es zu einem erheblichen Teil eine Immigration in die Arbeitslosigkeit geben« werde. Dies führe dazu, hier wird auf »eine ältere Studie des ifo-Instituts« verwiesen, »dass die in den 1990er Jahren in Deutschland vorhandenen Migranten dem Staat per saldo erhebliche Kosten verursachen«. Sinn im O-Ton: Nach einer Untersuchung von Bernd Raffelhüschen »kosten bereits die Altmigranten den Staat per saldo viel Geld, weil sie unterdurchschnittliche Markteinkommen haben und deshalb von der Umverteilung des Sozialstaates profitieren. Und die neuen Migranten wer­ den noch teurer als die alten, weil sie erst noch integriert werden müssen.«

Aus Sinns ifo-Institut stammt eine weitere Studie, die 2015 offenbar auch daraus den Schluss zieht, den Mindestlohn für Geflüchtete auszusetzen. Geringes Bildungsniveau und Daten über die in den Vorjahren eingewanderten Menschen »aus Ländern außerhalb des westlichen Kulturkreises« würden für das Stichjahr 2013 zeigen, »dass der Mindestlohn sehr wahrscheinlich ein Hindernis für die erfolgreiche Integration der in diesen Monaten ankommenden Flüchtlinge in den deutschen Arbeitsmarkt darstellen wird. Eine Reform ist dringend geboten.«

Dazu noch ein letztes Zitat aus dem bereits genannten Überblick über Studien in der »Welt« zu den Effekten von Migration auf den Erwerbsmarkt: »Es ist gut, dass Deutschland einen Mindestlohn hat«, wird da der Nobelpreisträger Joseph Stiglitz zitiert: »Das wird verhindern, dass die Flüchtlinge für geringe Löhne arbeiten werden, dass Druck auf die Löhne entsteht, und dass Geringverdiener in Deutschland unter der Zuwanderung leiden werden. Der Mindestlohn verhindert all das.«

Foto: Nicohofmann / CC BY-SA 3.0

Geschrieben von:

OXI Redaktion

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