Wirtschaft
anders denken.

Luft statt Böller: Warum Feuerwerk ein Problem ist. Der OXI-Überblick

28.12.2017
Kupferstich von Franz Hogenburg / GemeinfreiD. Graminäus »Beschreibung derer Fuerstlich Gueligscher Hochzeit …", Köln 1587

Alle Jahre wieder sorgt das Thema Feuerwerk für ein bisschen Aufregung. Die einen fliehen aus den Städten, die anderen wollen lieber Brot statt Böller. Ein echtes Problem an der Knallerei ist aber der Feinstaub. 

Warum eigentlich Feuerwerk?

Wikipedia kann manchmal herrlich trocken sein: »Ein Feuerwerk ist eine pyrotechnische Darstellung, zumeist am Nachthimmel, bei der Feuerwerkskörper planmäßig gezündet werden.« Was an Silvester in den meisten Gegenden geschieht, geht darüber hinaus – denn von planmäßig kann nicht die Rede sein, wenn jede/r für sich der Knallerei nachgeht. Die Sache hat Tradition, ist allerdings ursprünglich »ein aristokratisches Vergnügen für Adelshochzeiten oder Geburten« gewesen, wie der »Spiegel« erinnert.

Die Anfänge liegen in China, später entwickelt sich ausgehend von Italien eine europäische Feuerwerkstradition. Im 18. Jahrhundert hielt die Pyrotechnik dann als Repräsentationsaktion Einzug ins Öffentliche (Stadtverwaltungen) und wurde für die mit dem Kapitalismus aufsteigende Bourgeoisie zum Spektakel. Als die Preise für Knaller und Raketen seit den 1950er Jahren sanken, wurden diese zum Massenkonsumgut und privates  Böllern wurde für viele zum festen Bestandteil des Jahresausklang.

Eine ausführliche Betrachtung zur politischen und kulturellen Geschichte des Feuerwerks findet sich hier.

Wie viel Feuerwerk wird verkauft?

Der Verband der pyrotechnischen Industrie rechnet für dieses Jahr mit einem Umsatz auf dem Niveau von 2016. Seinerzeit wurden rund 137 Millionen Euro mit Knallern und Raketen umgesetzt. Auf längere Sicht betrachtet steigt der Umsatz – 2007 wurde mit Feuerwerkskörpern in Deutschland ein Umsatz von etwa 100 Millionen Euro erzielt. 2013 lag er bei 124 Millionen Euro, 2015 waren es schon 133 Millionen Euro.

»Die Hoffnung ist, dass wir das hohe Niveau des Vorjahres wieder erreichen«, wird der Geschäftsführer des Verbands der Pyrotechnischen Industrie, Klaus Gotzen in Medien zitiert. Einen Zusammenhang zwischen Wirtschaftslage und Böllereiumsatz sieht der Verband nicht. »Wir hatten auch schon Jahre mit schwächerer Konjunktur und starken Umsätzen.« Der Silvesterumsatz hänge eher schon vom Wetter an den Verkaufstagen ab.

Wichtigster Teil des Verkaufs sind »Batterien/Verbundfeuerwerk«, die 50 Prozent des Umsatzes ausmachen. Raketen (20 Prozent) und Knaller (5 Prozent) kommen zusammen nur auf ein Viertel des Gesamtumsatzes. Rund 75 Prozent der verkauften Pyrotechnik wird in die Bundesrepublik importiert. Inklusive der Zulieferer sind in der Branche zwischen 2.000 und 3.000 Mitarbeiter bundesweit beschäftigt.

Wie kommt das Böllern an?

In einer YouGov-Umfrage von 2014 sagten 53 Prozent der Befragten, für sie stünden eher die positiven Seiten der Böllerei im Vordergrund. »Die negativen Seiten, etwa die Gefahr und der Dreck, sind nur für 37 Prozent ausschlaggebend«, hieß es damals in Medienberichten. In einer Umfrage aus dem Jahr 2016 erklärten 34 Prozent der Befragten, Angst vor Böllern zu haben. Das ist nicht verwunderlich, haben laut einer anderen Studie doch mehr als 25 Prozent schon mal eine Verletzung bei der Knallerei miterlebt – bei anderen oder an sich selbst. Das deshalb die Distanz zum Böllern größer wird, kann man aber nicht sagen.

Wie steht’s um »Brot statt Böller«?

Seit Anfang der 1980er Jahre rufen vor allem kirchliche Einrichtungen zu Spenden auf. »Wir laden dazu ein, das neue Jahr mit einem Geschenk an Menschen in Not zu beginnen. Der Spaß, den ein Feuerwerk macht, ist nur kurz. Die Freude, die durch Teilen entsteht, ist von Dauer«, sagt zum Beispiel die Präsidentin von Brot für die Welt, Cornelia Füllkrug-Weitzel. Solche Aufrufe sind seit langem umstritten.

Bei der Aktion 3.Welt Saar heißt es zum Beispiel, »der ›Brot statt Böller‹-Aufruf trägt eine gehörige Portion Lustfeindlichkeit zur Schau und appelliert an das schlechte Gewissen«. Auffallend sei auch, »dass die Kritik am Silvesterfeuerwerk erst dann ansetzt, wenn ›die breite Masse’ Raketen zündet, nicht aber am Feuerwerk der Besserbetuchten, beispielsweise nach Klassik-Open-Air-Konzerten«. In der »Tageszeitung« hieß es 2012, die Spendenaufrufe wären nicht so schlimm, würden sie »nicht wider besseren Wissens eine perfide Gleichung aufmachen« – dass es einen Zusammenhang zwischen dem Hunger in Afrika und der Böllerei gibt. Dies wird zurückgewiesen.

Auch in diesem Jahr machten wieder Meldungen die Runde, in denen es hieß, »mit dem in Deutschland für Silvesterböller ausgegebenen Geld könnten im Südsudan rund 2,4 Millionen Menschen ein Jahr lang gesundheitlich betreut werden«. Kritiker halten solche Vergleiche für konstruiert: »Genauso gut könnte man dazu aufrufen, keine Weihnachtsbäume, Bücher oder Jogginganzüge zu kaufen.«

Laut der besagten Umfrage von 2014 erklärten 15 Prozent der Befragten, dass sie Geld spenden würden und im Gegenzug etwas weniger oder gar keine Raketen und Böller kaufen. 11 Prozent spenden zum Jahreswechsel, doch dies habe keinen Einfluss auf ihren Feuerwerkskonsum.

Warum ist Böllern dann trotzdem ein Problem?

Laut dem Umweltbundesamt werden beim Feuerwerk zum Jahreswechsel enorme Feinstaub-Mengen freigesetzt. Es geht um rund 5.000 Tonnen, das entspricht in etwa 17 Prozent der jährlich im Straßenverkehr abgegebenen Feinstaubmenge. Das Einatmen von Feinstaub gefährdet die menschliche Gesundheit. Wie schnell die Feinstaubbelastung nach dem Silvesterfeuerwerk abklingt, hängt vor allem von den Wetterverhältnissen ab. Kräftiger Wind hilft, die Schadstoffe rasch zu verteilen, so das Umweltbundesamt – das auf »extrem erhöhte Konzentrationen in den ersten Stunden des neuen Jahres« hinweist.

Am 1. Januar 2017 war deshalb bereits an 129 der 320 Messstationen einer der zulässigen Überschreitungstage für die Grenzwerte (50 μg/m im Tagesmittel) »verbraucht«. In einigen Städten lag die Konzentration zehnmal so hoch wie jener Wert, »von dem an etwa in Stuttgart Feinstaubalarm ausgerufen wird«, hieß es in der Presse.

Diese enorme Umweltbelastung zieht die Frage nach sich, ob man dagegen nicht Verbote in Stellung bringen sollte. Dies wird immer wieder und vor allem auf lokaler Ebene diskutiert. Viele Kommunen mit historischen Altstädten haben beschränkte Verbote erlassen, diese allerdings vor allem wegen der Feuergefahren für Bauten.

Der Autor Nils Markwardt stellte unlängst auf Twitter die These auf, »eine rigide, bundesweite Einschränkung der Böllerei (ausgewiesene Zonen, 1 zentrales Feuerwerk in jeder Stadt oder ähnliches) würde mehr Zustimmung bekommen, als viele Politiker vermuten«. Eine Umfrage lässt das durchaus möglich erscheinen: Gegenüber YouGov sagten im Januar dieses Jahres 64 Prozent der Bundesbürger Ja zu Fahrverboten in deutschen Innenstädten an Tagen mit hoher Feinstaubbelastung. Die Umfrage war allerdings mit Blick auf die Debatte über Luftverschmutzung durch Autoverkehr gemacht worden.

Beim Verband der Pyrotechnischen Industrie sieht man die Sache wenig überraschend anders: Es würden »schon seit langem zur Herstellung von Feuerwerkseffekten nur solche Chemikalien verwendet, deren Rückstände nach dem Abbrand kein Umweltrisiko darstellen«. Was den Feinstaub angeht, heißt es dort, durch das Silvesterfeuerwerk finde »in städtischen Gebieten eine kurzzeitige Erhöhung der Schwebstaubkonzentration statt«. Man sehe aber »keinerlei Anhaltspunkte einer beeinträchtigenden Auswirkung auf die Umwelt«, die »aus öko-toxikologischer Sicht Einschränkungen oder sogar weitere gesetzliche Regelungen erforderlich machen würden«.

Im »Spiegel« vertrat der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach die andere Richtung: Der Sozialdemokrat sieht »ein echtes Gesundheitsrisiko« in dem Böller-Feinstaub und wird im »Spiegel« mit den Worten zitiert: »Was man an Silvester einatmet, bleibt für den Rest des Jahres im Körper.« Lauterbach drängte dort zudem die Hersteller, alternatives Feuerwerk zu entwickeln, das geringere Belastungen der Luft mit sich bringt. Verbote hält Lauterbach aber nicht für sinnvoll. Das würden die Bürger nicht mitmachen, es sei wichtiger, dass die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung mehr über Feinstaubgefahren aufklärt.

Geschrieben von:

OXI Redaktion

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