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Machen E-Autos die Wirtschaft marode?

05.10.2016

Die Ära der Elektroautos steht bevor. Sie können nicht nur umweltfreundlicher, sie stellen für die Autoindustrie ein ernsthaftes Problem dar. Die reagieren mit Featurisierung statt ernsthafter Innovation.

Auf dem Pariser Autosalon (1. bis 16. Oktober 2016) zeigen Hersteller, womit sie Geld verdienen wollen und wovon sie fantasieren. Daher gibt es alles – von der Luxus-Studie von Mercedes über Hyper-Sportwagen von Lamborghini bis hin zum Elektrokleinwagen Opel Ampera-e. Das ist zwar ein verkleideter Chevrolet Bolt, den es in den USA schon seit Anfang 2016 zu kaufen gibt, er fährt dennoch bis zu 500 Kilometer mit einer Akkuladung. Was ihn zum aktuellen Streckenweltmeister macht. Im Frühjahr 2017 wird er im Handel sein.

Die Ära des E-Mobils steht uns also unmittelbar bevor. Und die deutsche Autoindustrie sieht sich Problemen gegenüber:

  • Elektromotoren sind einfache und bewährte Antriebsaggregate. Sie sind viel simpler konstruiert als ein Verbrennungsmotor. Das senkt die Umsätze.
  • Elektromotoren arbeiten in einem großen Umdrehungsbereich sehr elastisch. Die Getriebe können sehr viel einfacher sein. Eine Handschaltung samt Kupplung ist überflüssig. Das senkt die Umsätze.
  • Elektromotoren sind langlebiger, verschleißärmer und brauchen sehr viel weniger Wartung als Verbrennungsmotoren. Der Wartungs- und Reparaturbetrieb der herstellergebundenen Händler, das sogenannte Aftersale-Business, wird massiv schrumpfen. Das senkt die Umsätze in bedrohlichem Umfang.
  • Der gesamte Motorenentwicklungsbereich bei Herstellern und Zulieferbetrieben wird nach und nach wegbrechen. Die Weiterentwicklung von E-Motoren kann weit unaufwendiger betrieben werden. Das senkt die Umsätze. Und gefährdet viele Betriebe.

Was Umsätze sinken lässt, bedroht Arbeitsplätze. Das Zugpferd der deutschen Exportwirtschaft ist damit von deutlichen Schrumpfungsprozessen bedroht.

Was macht die Automobilwirtschaft dagegen? Sie fokussiert sich auf Digitalisierung. Digitalisierung setzt die Automatisierung des Autos fort. Schon seit Jahrzehnten rüsten Autobauer ihre Produkte mit immer mehr Motoren, elektronischen Steuerungen und Aggregaten aus, die ein Maximum an Komfort und Sicherheit versprechen. Was die Preise nach oben getrieben hat.

Mittels Digitalisierung lässt sich die »Featurisierung« der digitalen Technik auf das Auto übertragen. Es wird ein Hybrid aus Automobil und digitalisiertem Spiel- und Arbeitsplatz werden. Ob »wir« das brauchen oder nicht, ist nicht die Frage. »Wir« kaufen ja auch Dutzende anderer Geräte, die uns Spieloptionen und Omnipotenzversprechen bieten.

Digitaler Luxus mit Funktionen, von denen wir heute nicht mal erahnen, dass wir sie je würden brauchen können, wird die Preise des Durchschnittsautos trotz billiger E-Technik weiter oben halten. Das vorläufige Ende dieser Entwicklung wird ein System von vernetzten selbstfahrenden Autos sein. Für die Umwelt eine optimistische Vision. Das Prinzip einer auf permanentes Wachstum setzenden Industrie ist aber weiter ungebrochen. Die Chancen des E-Motors dürften nur auf wirtschaftlichen Nebenstrecken genutzt werden. Das Stichwort lautet hier »frugale Innovationen«. Damit wird eine Innovationsstrategie bezeichnet, die auf intelligente Einfachheit statt Überfluss setzt. Übertragen auf das E-Auto käme die Vision eines Fahrzeugs heraus, das die technische funktionale »Transparenz« eines Käfers, einer Ente, eines R4 mit aktueller Technik kombiniert. Da Unternehmen Nischenmarketing betreiben, werden wir dies Auto bekommen. Wie weit es sich durchsetzt, ist eine andere Frage.

Geschrieben von:

Jo Wüllner

freier Journalist

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