Wirtschaft
anders denken.

Marx über Arbeit, Freiheit und Glück

08.04.2016
Eine Büste von Marx. Im Hintergrund sind Bäume und ein Haus.Foto: fhwrdh / flickr CC BY 2.0 Die Ideen von Marx haben nicht an Aktualität verloren.

Der Mensch arbeitet nach Marx nicht nur der Arbeit wegen. Vielmehr arbeitet er für die Selbstverwirklichung. Das wird in politischen Debatten und Tarifverhandlungen oft vergessen.

»Dass das Bruttoinlandprodukt (BIP) kein perfektes Maß für Wohlstand ist, haben Kritiker schon lange … bemängelt. Schließlich hängt das Glück der Menschen nicht allein von materiellen Dingen ab« (FAZ 13.02.2016). Diese Einsicht ist trivial und längst zum Gemeinplatz geworden. Allerdings blieb sie so folgenlos wie eine Sonntagsrede. Und dabei wird es auch bleiben, solange der Zusammenhang von Glück, substantiellem Wohlstand und Arbeitszeit sorgfältig aus der politischen Debatte und Tarifverhandlungen herausgehalten werden. Tarifverhandlungen, die mit Lohnzuwachs bei gleichbleibenden Arbeitszeiten enden, bringen den Arbeitenden das Trinkgeld von Mehr-Konsum, aber nicht Freiheit, Glück und substantiellen Wohlstand. Der Masse der working poors, Arbeitslosen, Hartz-IV-Leuten und völlig Verarmten bringt ein solches Ergebnis gar nichts.

Das Ziel des Arbeitens

Die Vorstellungen, worin das Ziel des Arbeitens besteht, waren unter aufgeklärten Bürgern im 19. Jahrhundert ehrgeiziger und gehaltvoller als heute. Sie reichten über mehr Geld und mehr Konsum hinaus. In einem genialen anonymen Traktat von 1821 hieß es dazu, in der Paraphrase von Karl Marx (1857/58): »Schöpfung von viel disposable time (verfügbarer Zeit, arbeitsfreier Zeit) für die Gesellschaft überhaupt und für jedes Glied derselben; diese Schöpfung von Nichtarbeitszeit erscheint auf dem Standpunkt des Kapitals als Nicht-Arbeitszeit, freie Zeit für einige«. Deshalb will das Kapital den Menschen zwingen, »jetzt länger zu arbeiten, als der Wilde« es tat. Aber für die Arbeitenden und die Gesellschaft gehe es darum, die Arbeitszeit »auf ein fallendes Minimum zu reduzieren, und so die Zeit aller frei für ihre Entwicklung zu machen. (…) Denn der wirkliche Reichtum ist die entwickelte Produktivkraft aller Individuen«. Die bestand für Marx wie für seinen bürgerlichen Gewährsmann nicht darin, zu arbeiten und zu konsumieren. Das Ziel des Arbeitens sei es viel mehr, frei zu sein »für die Entwicklung einer individuellen Anlage«. Arbeiten zielt auch auf außerhalb von ihr Liegendes – auf, so Marx wörtlich, »Selbstverwirklichung, (…) reale Freiheit« und »Glück« jenseits der historischen Formen von Sklaven-, Fron- oder Lohnarbeit.

Insofern fällt die aktuelle Debatte über Arbeit und über das, was bei Tarifverhandlungen erreicht werden sollte, hinter das zurück, was vor beinahe 200 Jahren gedacht worden ist.

Karl Marx, Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie (1857/58), Frankfurt (1970), S. 595 f.

Geschrieben von:

Rudolf Walther

Historiker

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