Wirtschaft
anders denken.

Mehrwertsteuer runter, Importe rauf?

29.01.2017
Zwei Esel mit je einer brschrifteten Satteldecke, auf der die Mehrwertsteuersätze 7 und 19 Prozent aufgedruckt sind, grasen auf einer Rasenfläche im Berliner Regierungsviertel. Im Hintergrund ist das Bundeskanzleramt zu sehen.Foto: INSM / Flickr CC-BY 2.0 LizenzSinnvolle Idee: Mehrwertsteuer senken, damit ärmere Haushalte weniger belastet werden

Wenn Donald Trump Strafzölle verhängt, ist auch das deutsche Exportmodell bedroht. Der renommierte Volkswirtschaftler Carl Christian von Weizsäcker schlägt deshalb vor: Mehrwertsteuer senken. Ein Kommentar.

Mit der Androhung von Donald Trump, Importe in die USA mit hohen Zöllen zu verteuern, gerät auch Bewegung in die deutsche Debatte: Wie schädlich oder nützlich sind die hohen Leistungsbilanzüberschüsse von Deutschland im Handel mit anderen Ländern? In die USA exportiert die deutsche Wirtschaft 2,5-mal so viel wie umgekehrt; in Zahlen: 125,4 zu 50,1 Milliarden Dollar. Dieses Außenhandelsdefizit müssen die amerikanische Unternehmen und Haushalte mit Krediten finanzieren.

Trumps Strafzölle zielen zwar zunächst auf die Exportmacht China, aber im Grundsatz gelten sie auch Deutschland; zumal sich China und Deutschland in der Rolle des Export-Weltmeisters abwechseln. Aktuell hat Carl-Christian von Weizsäcker, ein konservativer, aber kein neoliberaler Ökonom, im Spiegel den Vorschlag gemacht, die Importe zu erhöhen. Und wie? Die Mehrwertsteuer soll um fünf Prozent gesenkt werden. Der Zusammenhang ist einfach: Eine niedrigere Mehrwertsteuer belebt den Konsum von Produkten (auch) aus dem Ausland, die Importe steigen, und es sinkt der Überschuss in der deutschen Leistungsbilanz. Dafür müssen die Exporte nicht verringert werden. Dieses (erst einmal) theoretische Modell kann funktionieren. Offen bleibt jedoch, ob die USA an der dann allgemeinen Steigerung der Importe nach Deutschland ausreichend teilhaben. Denn: Auch wenn die Preise der US-Produkte sinken, ist es nicht zwingend, dass sie entsprechend stärker nachgefragt werden.

Aber: Es ist uneingeschränkt sinnvoll, die Mehrwertsteuer zu senken. Diese Steuer ist unsozial, denn sie belastet die armen Haushalte, die wenig sparen (können) und die den größten Teil ihres Einkommens für den Alltagskonsum ausgeben, relativ viel stärker als die reichen Haushalte; indirekte Steuern, wie die Mehrwertsteuer, wirken regressiv – je höher das Einkommen, desto geringer die Belastung – und nicht progressiv wie die Einkommenssteuer.

Wenn Donald Trump Strafzölle verhängt, ist auch das deutsche Exportmodell bedroht. Mehrwertsteuer runter, Importe rauf?

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Weizsäcker schlägt vor, den damit verbundenen Steuerausfall mit zusätzlichen Kreditaufnahmen zu finanzieren. Auch das ist sinnvoll, weil die Zinsen für deutsche Staatsanleihen faktisch Null betragen und sich Deutschland damit leicht finanzieren kann.

Mitte 2006 hatte die damalige Große Koalition die Mehrwertsteuer von 16 auf 19 Prozent erhöht. Dieser unsoziale Akt würde so wieder korrigiert. Eine geringere Steuer führt zu mehr Binnenkaufkraft und stärkt Wachstum und Beschäftigung. Auch wenn mit dem stärkeren Konsum die Preise etwas steigen, so ist das nicht schlimm: ein bisschen mehr Inflation für Deutschland ist eher positiv, weil sie die deutschen Produkte im Euroraum etwas teurer macht und damit die reale Abwertung deutscher Produkte einschränkt; Deutschland hat eine geringere Inflation als die anderen Euro-Staaten, was seine Produkte günstiger macht. Die deutsche Wirtschaft ist seit Jahren im Euroraum erdrückend stark – weniger deutsche Wettbewerbsfähigkeit tut der Eurozone gut. Mit dem Vorschlag von Carl Christian von Weizsäcker – also alles Paletti? Nicht ganz: Zum einen wären – bei einer Verwirklichung des Vorschlages – die Effekte für die deutsch-amerikanische Handelsbilanz offen. Und zum zweiten gibt es einen noch besseren Vorschlag: generell höhere Löhne in Deutschland. Aber trotzdem: Allein die Korrektur der Mehrwertsteuer wäre schon ein Fortschritt. Und ein Fortschritt ist es auch, dass in der deutschen Politik und Öffentlichkeit endlich das akzeptiert werden muss, was bisher immer verdrängt wurde: dass der hohe deutsche Exportüberschuss für andere Länder zu schweren Problemen führt. Wer nicht hören will, muss fühlen.

Geschrieben von:

Michael Wendl
Michael Wendl

Mitherausgeber von »Sozialismus«

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