Wirtschaft
anders denken.

Antirassismus durch Vergesellschaftung

03.08.2021
Ein Gebäude am Kottbusser Tor in Berlin. Dort ist die Mieter:innenbewegung sehr aktivFoto: bart van kersavond, Lizenz: CC BY-SA 2.0, bearbeitetAm Berliner Kottbusser Tor werden viele Migrant:innen verdrängt

Die Mieter:innenbewegung hat als migrantische Bewegung begonnen. Rassismus und die Wohnungsfrage hängen unmittelbar miteinander zusammen. Aus OXI 7/21.

Indem der Berliner Mietendeckel auf Landesebene vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt wurde, hat die Mieter:innenbewegung einen harten Rückschlag erlebt, denn auf Bundesebene ist so eine Maßnahme im Kontext der aktuellen Kräfteverhältnisse derzeit undenkbar. Andere Linke erhoffen dagegen einen potenziellen neuen Aufschwung für die Kampagne »Deutsche Wohnen und Co enteignen«. Sie hat es sich zum Ziel gesetzt, Immobilienkonzerne mit mehr als 3.000 Wohnungen in Berlin zu enteignen, also neben Deutsche Wohnen GmbH beispielsweise auch Akelius oder Vonovia. Letztere gab kürzlich bekannt, die Deutsche Wohnen aufzukaufen, was den Zusammenschluss der beiden größten Wohnungskonzerne unter dem Namen Vonovia bedeuten würde. Trotz dieses potenziellen Namenswechsels sind die Aktivist:innen der Kampagne »Deutsche Wohnen und Co enteignen« optimistisch, dass das von ihnen initiierte Volksbegehren erfolgreich sein wird.

In der aktuellen Wohnungskrise, die längst nicht mehr nur Großstädte wie Berlin betrifft, spielt neben hohen Mieten auch Diskriminierung eine Rolle. Kürzlich wurde ein weiterer Fall von Rassismus auf dem Wohnungsmarkt öffentlich: Beim größten Bremer Wohnungsunternehmen offenbarten interne Dokumente, dass Angestellte Gebrauchsanweisungen bekamen, um Kunden nach Sprache, Herkunft und Aussehen zu sortieren. Als Person mit ausländischem Namen auf Wohnungssuche zu sein, ist kein Spaß. Ich durfte selbst jahrelang eine Wohnung in Berlin suchen und auf den größten Teil der Bewerbungen bekommt man nicht einmal eine Antwort.

Rassismus auf dem Wohnungsmarkt zeigt sich in unterschiedlichen Formen und leitet sich unmittelbar aus dem Recht auf Eigentum ab. Die am weitesten verbreitete und platteste Form ist die Ablehnung wegen Name, Aussehen oder Akzent. Vermieter:innen können frei über ihr Eigentum verfügen und damit willkürlich Bewerber:innen ablehnen. Der US-amerikanische Bürgerrechtler Stokely Charmichael sagte einmal: »Wenn ein weißer Mann mich lynchen will, ist das sein Problem. Wenn er die Macht dazu hat, ist es mein Problem. Rassismus ist eine Frage der Macht.« Menschen sollten nicht die Macht haben, anderen Menschen das Recht auf Wohnen zu entziehen. Das bedeutet, wir müssen das Wohnen demokratisieren, indem wir es dem Markt entziehen. Gesellschaftliche Probleme wie Obdachlosigkeit weisen darauf hin, dass es nicht funktioniert, Wohnen zur Ware zu machen.

Die materielle Situation vieler migrantischer Menschen in Berlin erlaubt es ihnen häufig gar nicht erst, um gute Wohnungen zu konkurrieren. Ethnische Segregation und Ghettoisierung in der Stadt hängen unweigerlich mit Armut zusammen. Als Rechtfertigung für bestehende Ausbeutung und Herrschaftsverhältnisse untergräbt Rassismus bestehende erkämpfte Rechte und gesellschaftliche Mindeststandards für ein menschenwürdiges Leben. Das heißt, schlecht bezahlte Jobs werden zum großen Teil von Migrant:innen erledigt. Armut ist – in Deutschland und global – überproportional nicht-weiß. Die Aufwertung und Verteuerung von Vierteln, in der Stadtsoziologie als Gentrifizierung bezeichnet, verdrängt ärmere Menschen aus diesen Vierteln und schafft damit eine Wohnungsnot, insbesondere in migrantischen Communities.

Von einer Demokratisierung des Wohnens würden folglich vor allem Menschen profitieren, die auch von Rassismus betroffen sind. Menschen ohne sicheren Aufenthalt, aber auch Wanderarbeiter:innen können sich oft nur auf illegale oder halblegale Mietverhältnisse einlassen und viele Wohnungslose in Berlin sind Menschen aus Osteuropa. Das Recht auf Wohnen ist noch nicht verwirklicht. Mieter:innen-Initiativen wie Kotti und Co haben diesen Zusammenhang von Wohnungsnot und Rassismus sichtbar gemacht, indem sie die Gentrifizierung im vor allem migrantisch geprägten Kreuzberg thematisiert haben. Die Mieter:innenbewegung, ohne die es weder einen Berliner Mietendeckel gegeben hätte noch eine mittlerweile sogar bundesweit geführte Diskussion um Vergesellschaftung von Wohnraum, hat also als migrantische Bewegung begonnen.

Geschrieben von:

Bafta Sarbo

Sozialwissenschaftlerin

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