Wirtschaft
anders denken.

Nennen wir es doch Kooperationsregierung

02.11.2019

Über 30 Mal hat die Bundesrepublik bereits eine Minderheitsregierung erlebt. Sie gelten als teuer und instabil – zu unrecht. Überblick über eine Regierungsvariante, die Ausdruck eines sich verändernden Parteiensystems ist und als Kooperationsregierung demokratiepolitisch ein Schritt in die Zukunft wäre.

In den vergangenen Jahren hat das Interesse an Minderheitsregierungen zugenommen – in Schüben, die von Wahlergebnissen in einem immer komplexer werdenden Parteiensystem angetrieben wurden. Das Thüringer Votum erweist sich nun als neuer Booster, ob im Freistaat, unter welchen Bedingungen und für wie lange eine Minderheitsregierung künftig in Erfurt im Amt sein könnte, ist Gegenstand kontroverser Debatten.

Diese Diskussionen werden auf mehreren Ebenen geführt: Mal in parteipolitischer Perspektive, wenn etwa der Frage nachgegangen wird, ob eine solche Variante der Linkspartei Glaubwürdigkeitsprobleme verschaffen würde, weil man diese »noch schmerzhaftere Kompromisse als bisher eingehen« müsste, da diese mit Union oder FDP gefunden werden müssten, wie etwa Aert van Riel glaubt. Mal geht es um die Frage, ob eine Minderheitsregierung nicht als demokratische Brandmauer gegen einen noch größeren Einfluss der rechtsradikalen AfD wirken könnte, ja: müsste, wie das unter anderem Robert D. Meyer sieht.

Vordenken in Thüringen

Der Thüringer Staatskanzlei-Chef und strategische Kopf in der Linkspartei, Benjamin-Immanuel Hoff hat in seinem Blog beim »Freitag« dazu aufgefordert, »angesichts der unübersichtlicher werdenden Mehrheitsverhältnisse in den Ländern insbesondere aufgrund der Schwäche der Volksparteien und der größer werdenden Zahl der Parteien in den Landtagen (…) die ablehnende Haltung zu Minderheitsregierungen zu überdenken und beweglicher zu werden. Insbesondere wenn Regierungsfähigkeit auf der einen Seite aber auch Erkennbarkeit der Parteien auf der anderen Seite miteinander in Einklang gebracht werden soll.«

Hoff macht sich hier auch Gedanken über die institutionellen Formen, in denen eine solche Minderheitsregierung eingebettet sein kann: »Abzuwägen ist daher unter solchen Umständen die anzustrebende Qualität und Regelungsdichte eines Koalitionsvertrages der an der Minderheitsregierung beteiligten Fraktionen und Parteien. Auch wenn eine zu perfekte und detaillierte Vereinbarung die Einbeziehung von Stimmen der Opposition ggf. nicht unerheblich erschweren würde, bedarf auch das Eingehen einer gemeinsamen Minderheitsregierung der Vereinbarung gemeinsamer Ziele und Vorhaben. Deren Formulierung wird man nicht allein einem Arbeitsprogramm der Landesregierung überlassen können.«

Hoff schreibt in seinem Blog, nur Rot-Rot-Grün sei »derzeit in der Lage, diese Herausforderung zu meistern«. In einem weiteren Beitrag skizziert er auch etwas genauer, was so eine Option für Thüringen, für Rot-Rot-Grün und auch für die Formen heißt: »Der Preis für eine handlungsfähige rot-rot-grüne Minderheitsregierung wären also temporäre, auch mal schmerzhafte Niederlagen im Parlament. Die Basis der temporären Zusammenarbeit wären ein eher offenes Arbeitsprogramm für Thüringen seitens Rot-Rot-Grün statt des klassischen Koalitionsvertrags und ein grundsätzlich zu verabredendes Fairness-Abkommen mit den beiden Oppositionsparteien CDU und FDP.«

Besser als ihr Ruf

»Minderheitsregierungen sind besser als ihr Ruf«, meint Lisa Caspari auf Zeit online und gibt einen Überblick über die bisher in der Bundesrepublik agierenden 31 Minderheitsregierungen. »Manche waren durchaus erfolgreich«, heißt das Fazit.

In der politikwissenschaftlichen und parteiberatenden Forschung ist das Thema Minderheitsregierungen seit geraumer Zeit Gegenstand wachsenden Interesses. Horst Kahrs von der Linken-nahen Rosa-Luxemburg-Stiftung verweist auf die häufiger werden Umstände, die eine solche Option erwägenswert machen – auf den Wandel des Parteiensystems. »Solche politischen Gemengelagen werden sich in dieser Phase der politischen Transformation vermutlich häufen. Noch werden sie eher als eine Art demokratiepolitischer Notstand und als Verlust an politischer Stabilität begriffen und nicht als die neue parlamentarisch-demokratische Normalität oder gar als Gewinn an politischer Debatte und demokratischer Qualität.« Kahrs Hoffnung ist auf »eine unter diesen Bedingungen wieder erstarkende politische Kultur« gerichtet, »die Konflikte austrägt über verschiedene mögliche Antworten auf die großen Fragen bzw. Verunsicherungen« gibt.

Ein Name, der im Zusammenhang mit Minderheitsregierungen immer wieder genannt wird, ist der des Politikwissenschaftlers Stefan Klecha. Er hat 2005 »Minderheitsregierungen in Deutschland« im Auftrag der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung untersucht. Sein Fazit damals: »Minderheitsregierungen sind zweifelsfrei für Ausnahmen konzipiert, dann aber funktionieren sie stabil und stellen sich obendrein als handlungsfähig dar. In Punkto Stabilität sind sie komplexen Koalitionen und Großen Koalitionen bislang sogar überlegen.«

Interessant ist Klechas Hinweis, dass Minderheitsregierungen »gerade in den Phasen von Neuorientierungen des Parteiensystems eine ungemein wichtige Funktion« einnehmen. Sie kämen »bisher auf, wenn sich Veränderungen im Parteiensystem vollziehen«. In einem solchen Wandel befinden wir uns weiterhin, er hat sich seit 2005 – siehe dazu Kahrs – mit dem Aufstieg der AfD noch einmal deutlich dynamisiert.

2012 hatte Klecha noch einmal »über Chancen und Risiken von Minderheitsregierungen« publiziert. Im Blog des Göttinger Instituts für Demokratieforschung hieß es seinerzeit: »Natürlich bleiben Minderheitsregierungen ungewöhnlich, schwierig und sind auch nicht per se erstrebenswert. Sie setzen gute Nerven sowie virtuose Fähigkeiten hinsichtlich Verfassungsauslegung oder Geschäftsordnungsdebatten voraus. Aber sie sind eine machtpolitisch durchaus relevante und für die Regierungsparteien interessante Alternative zu Großen oder zu Komplexen Koalitionen.«

Wie weit ist die Enttabuisierung schon?

Eine Alternative sind sie, interessant sind sie auch – ob sie in Anspruch genommen werden, ob Parteien sich auf neue Modi der Kooperation einlassen, das ist eine andere Frage.

Anfang dieses Jahres hat Martin Pfafferott von der Friedrich-Ebert-Stiftung ein Buch mit dem Titel »Die ideale Minderheitsregierung. Zur Rationalität einer Regierungsform« vorgelegt. In einer Rezension dazu heißt es, Pfafferott strebe mit seiner Untersuchung »eine Enttabuisierung der Minderheitsregierung an, die in der Literatur gelegentlich als ›Beweis politischer Irrationalität oder Inkompetenz‹ gesehen wird: ›die Essenz dieser angenommenen Irrationalität gründet sich in der axiomatischen Setzung des Formats Mehrheitsregierung in parlamentarischen Regierungssystemen‹.«

Interessanterweise führt Pfafferott den eher schlechten Ruf von Minderheitsregierungen »nicht nur auf die politische Kultur in der Bundesrepublik zurück, sondern auch auf Versäumnisse der Politikwissenschaft«. Dort hat sich in den vergangenen Jahren allerdings auch einiges getan.

Matthias Finkemeier hat 2014 eine Dissertation zu Minderheitsregierungen vorgelegt, in denen er die »Flexibilisierung der Mehrheitsbildung auf Landesebene in Deutschland« untersucht. Er macht darin einen Begriffsvorschlag: Das Wort »Minderheitsregierung ist per se mit einem defizitären Antlitz verbunden und wird seiner Rolle als möglicher Agenda-Setter und Kompetenzzentrum für geeignete Politikvorschläge nicht gerecht«. Finkemeier hält den »Begriff der Kooperationsregierung« für »sinnvoller und angemessen, der überdies vom sprachlichen Klang her positiv besetzt ist. Dies kann zwar dazu führen, dass das Regieren nicht einfach und geräuschlos vonstatten geht, aber die Chance besteht, die Parlamente wieder zur wahren Stätte des Austauschs und der Begegnung zu machen.«

Es geht Finkemeier aber dabei nicht bloß um rhetorische Fragen, sondern um »die Etablierung eines Modells«, bei dem Minderheitsregierungen dann auch wirklich als »Kooperationsregierung« agieren, dies hebe »ihre Rolle als Kompetenzzentrum für eine fortschrittliche Politik und Dienstleister des Parlaments hervor und zeigt, auf welche Weise institutionelle Vetopunkte und parteipolitische Blockaden überwunden werden können«.

In einer Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags von 2017 – im Hintergrund liefen die schwierigen Debatten über die Bildung einer Bundesregierung ab – wird ausführlich auf »Minderheitsregierungen in der Bundesrepublik Deutschland seit 1949« eingegangen. Da die Klassifizierung in der Forschungsliteratur nicht eindeutig ist, hat man hier alle Regierungen als Minderheitsregierungen gefasst, »die über keine eigene parlamentarische Mehrheit verfügten. Minderheitsregierungen, die nach Konstituierung des jeweiligen Parlaments zu Beginn einer Wahlperiode nur noch geschäftsführend im Amt sind, werden berücksichtigt, sofern diese in einem engen Zusammenhang mit instabilen oder unklaren parlamentarischen Mehrheitsverhältnissen stehen. Dagegen sind geschäftsführende Regierungen, die bei einem regulären Regierungswechsel mit eindeutigen bzw. klaren Mehrheitsverhältnisse nur noch vorrübergehend die Geschäfte bis zum Amtsantritt der neuen (Mehrheits-) Regierung wahrnehmen, in der vorliegenden Zusammenstellung nicht berücksichtigt worden.« Der 30-seitigen Ausarbeitung sind eine längere Literaturliste sowie ein tabellarischer Überblick beigegeben.

Die Debatte von 2017/2018

Die schwierige Regierungsbildung auf Bundesebene Ende 2017, Anfang 2018 bildete den vor der Thüringen-Wahl bisher letzten größeren »Schub« des Interesses für Minderheitsregierungen. Damals war »eine unionsgeführte Minderheitsregierung« vorübergehend »eine von drei verbliebenen realistischen Möglichkeiten – neben einer erneuten großen Koalition und einer Neuwahl«, wie es die »Rheinische Post« formulierte. Ein Bundestag mit sieben Parteien in sechs Fraktionen – und eine noch komplexer werdende Lage in den Landesparlamenten führte die Zeitung zu dem Schluss: »Über die Minderheitsregierung wird noch zu sprechen sein.«

In den »Blättern für deutsche und internationale Politik« hatte seinerzeit Rudolf Walther für eine solche Variante plädiert und dabei auf »wunderbares Anschauungsmaterial für die Arbeit von Minderheitsregierungen« im Norden Europas verwiesen. »Am meisten Erfahrungen damit hat man in Dänemark, wo von den 32 Regierungen nach 1945 nur vier eine Parlamentsmehrheit hinter sich hatten. Ganze 28 Regierungen waren also auf die Unterstützung von einer oder mehreren Oppositionsparteien angewiesen. Im Laufe der Jahre haben sich die politischen Parteiführungen die nötigen taktischen und strategischen Fähigkeiten angeeignet, um schwierige politischen Lagen realistisch einschätzen und die Interessen an einer Beteiligung oder Nichtbeteiligung an einer Regierung abwägen zu lernen.«

Die Politikwissenschaftlerin Eva Krick hat seinerzeit im »Freitag« einen »Denkanstoß aus dem Norden Europas« in Sachen Minderheitsregierung geliefert: »Das Modell der Minderheitsregierung birgt die Chance, die politische Aushandlung wieder etwas stärker in den öffentlichen Blick zu rücken und die Profile der Parteien zu schärfen. Dies könnte die parlamentarische und öffentliche demokratische Debatte durchaus beleben. Deutschland ist in der Kompromissbildung bereits geübt. Würden die ohnehin fortwährend ablaufenden politischen Verhandlungen öffentlicher und begründungsorientierter ausgetragen, könnte dies das Verständnis für die Funktionsweise und Legitimität von ausgleichender, konsensorientierter Politik stärken, welche oft von Wahlkampfgetöse verdeckt wird, bei dem es vor allem um Wettbewerb und Abgrenzung geht«, so Krick.

Eine Frage der Kosten?

Nach der bisher letzten Bundestagswahl 2017 wurde nicht zuletzt über die Frage diskutiert, ob Minderheitsregierungen und das Regieren mit wechselnden Mehrheiten »nicht zu mehr Debatte und Demokratie führen, sondern zum Gegenteil. Es würde mehr geschachert, mehr gehandelt, mehr abgesprochen werden als jemals zuvor«, so damals die »Welt« – die auf die »Kosten« eines solches Modell abstellte: »Das Parlament würde zu einem Hinterzimmer-Kaufhaus werden, in dem für jede Leistung eine Gegenleistung verlangt werden würde, jedes Vorhaben teuer bezahlt werden müsste.«

Dass die Annahme, solche Formen müssten »Hinterzimmer-Geramsche« annehmen, empirisch kaum haltbar ist, hat damals Niklas Potrafke vom ifo Zentrum für öffentliche Finanzen und politische Ökonomie im »Handelsblatt« dargelegt. »Entgegen anderslautenden Meinungen käme sie Deutschland nicht automatisch teurer als eine Mehrheitsregierung. Das belegen aktuelle Studien«, so Potrafke – seinerzeit mit Blick auf die Bundesebene.

Er stützte sich dabei auf eine gemeinsam mit Lea Fricke vorgelegte Untersuchung über die »Fiskalpolitiken von Minderheitsregierungen«. Dass solche »den Steuerzahler teuer zu stehen kommen«, wie es soft heißt, weil Minderheitsregierungen eine Mehrheit im Parlament fehle und »Kompromisse, die für jede Gesetzesvorlage mit anderen Parteien einzugehen sind«, oft »Geld kosten« würden, also höhere Staatsausgaben und Haushaltsdefizite hätten, dafür gebe es keine Evidenz.

Wie alternativlos ist die GroKo?

2014 veröffentlichte Edgar Grande in der Zeitschrift »der moderne staat« seinen Essay über die politisch-institutionelle Logik von Minderheitsregierungen« unter der Überschrift: »Wie alternativlos ist die Große Koalition in Deutschland?« Er bezweifelt darin, dass Minderheitsregierungen »nicht stabil und handlungsfähig sein können«, wobei sich Grande auf »Befunde der vergleichenden Regierungs- und Koalitionsforschung« stützt, »um Anhaltspunkte zu den Funktionsbedingungen von Minderheitsregierungen in Deutschland zu gewinnen. Er überprüft drei Bündel von Faktoren: die institutionellen Bedingungen der Wahl und Abwahl von Regierungen; die politischen und institutionellen Kosten und Nutzen des Regierens für die politischen Parteien; und die politischen Bedingungen der Mehrheitsfindung. Er kommt zu dem Ergebnis, dass die politischen und institutionellen Voraussetzungen für die Bildung von funktionierenden Minderheitsregierungen in Deutschland durchaus gegeben sind und Minderheitsregierungen folglich auch hier eine realistische Alternative zu Großen Koalitionen sein könnten.«

Ebenfalls 2014 hatte Daniel Morfeld seine Studie »Regieren im Vielparteiensystem. Das Minderheitskabinett Kraft 2010-2012 in Nordrhein-Westfalen« vorgelegt. In einer Rezension dazu heißt es: »Als Befund bleibt am Ende – und über Nordrhein‑Westfalen hinaus –, dass Minderheitsregierungen in der politischen Kultur Deutschlands nur dann stabil (und dann auch konstruktiv) arbeiten können, wenn die Oppositionsparteien befürchten müssen, bei Neuwahlen Mandatsverluste zu erleiden. Nach dem Scheitern der Minderheitsregierung Kraft seien bei ähnlichen Wahlergebnissen in Zukunft eher gegenseitige Blockaden zu erwarten. Die Frage, wie Parlamente in einem Vielparteiensystem verlässlich Regierungen bilden können, bleibt also offen.«

2012 haben Steffen Ganghof, Christian Stecker, Sebastian Eppner und Katja Heeß in der »Zeitschrift für Parlamentsfragen« eine Analyse der Gesetzgebung der Minderheitsregierung in NRW unter der Überschrift »Flexible und inklusive Mehrheiten?« vorgelegt.

2010 kam der Politikwissenschaftler Thomas Gschwend vor dem Hintergrund der Landtagswahlen in NRW zu dem Ergebnis, »dass Minderheitsregierungen genauso effizient regieren können wie Regierungskonstellationen, die über eine Mehrheit im Parlament verfügen, wenn man zum Beispiel als Indikator nimmt, wie viele Gesetzesvorschläge erfolgreich durch das Parlament gebracht werden. Im übrigen ist es ja nicht immer so, dass man sich auf die eigene Mehrheit tatsächlich verlassen kann. Man weiß allerdings, dass Minderheitsregierungen nicht so stabil sind und es womöglich früher zu Neuwahlen kommt. Aber Studien haben ergeben, dass Parteien in einer Minderheitsregierung bei nachfolgenden Wahlen nicht überproportional abgestraft werden«.

Ob »Minderheitsregierungen in Deutschland auf Bundesebene« eine »Krise oder Chance«, sind analysierte Gerd Strohmeier im internationalen Vergleich 2009 in der »Zeitschrift für Politik«.

Ein noch älteres Beispiel für eine Minderheitsregierung nahm sich Sven Thomas 2003 in der »Zeitschrift für Parlamentsfragen« vor – er schreibt dort über die »Handlungsfähigkeit von Minderheitsregierungen am Beispiel des ›Magdeburger Modells‹«.

2013 schien Anna Steinfort vor der Abstimmung für das Portal regierungsforschung.de auch eine Minderheitsregierung in Niedersachsen möglich. Dort wurde nach der Wahl dann zwar eine Koalition aus SPD und Grünen gebildet, aber Steinforts Überlegungen gehen über den konkreten Fall hinaus: »Minderheitsregierungen können eine Bereicherung für das Zusammenspiel zwischen Parlament und Regierung sein, auch sie können legislative Handlungsfähigkeit herstellen. So simpel es auch klingen mag: Minderheitsregierungen benötigen parlamentarische Mehrheiten zum regieren. Aufgrund dessen können sie neue Kooperationsstrukturen befördern, die über Partei- und Fraktionsgrenzen hinweg Sachentscheidungen ermöglichen, die von breiten Mehrheiten getragen werden. In ihren Verhandlungsstrukturen unterscheiden sie sich häufig nicht von den in- formellen Strukturen im Parlament unter einer Mehrheitsregierung. In Geschäftsordnungen nicht vorgesehene Koalitionsgremien, enge Verflechtungen zwischen den regierungstragenden Fraktionen und der Ministerpräsidentin bzw. dem Ministerpräsidenten sowie die Bildung von (Fach-)Kommission sind ohnehin Teil der heutigen Regierungspraxis. Mit diesem Verständnis sind überhöhte Erwartungen ebenso wenig angebracht wie zögerliche Skepsis: Minderheitsregierungen sind weder ein Allheilmittel, noch eine Schädigung für das parlamentarische Regierungssystem. Vielmehr sind sie (zumindest vorübergehend) eine Alternative, mit der es (in Deutschland) noch mehr Erfahrungen zu sammeln gilt.«

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