Wirtschaft
anders denken.

Nicht länger durch Wachstum definiert

06.11.2017
Rafael Saldaña flickr, Lizenz: CC BY-SA 2.0

Über Postwachstum wurde schon viel geschrieben. Damit man in den Weiten des Gedankenimpulses nicht verloren geht, empfehlen die Kriwis der FU Berlin »Degrowth – Handbuch für eine neue Ära«.

Wieso nutzen wir das BIP weiterhin als Maß für unseren Wohlstand? Warum benötigen wir Wachstum überhaupt? Und weshalb haben wir trotz des Wissens um den (effizienten) Einsatz grüner und ressourcenschonender Technologien weiterhin so enorme Probleme? Wie kann man sich eine wachstumslose oder gesundschrumpfende Gesellschaft vorstellen, die den Fokus auch auf soziale, ökologische, psychologische – also menschlichere – Faktoren legt?

Obwohl an den Universitäten immer noch der Gedanke vom klassischen Wirtschaftswachstum (BIP-Steigerung) als Allheilmittel für eine Ökonomie gelehrt wird, bekommt eine Idee immer mehr Aufmerksamkeit: Postwachstum.

Der Begriff fasst Ansätze und Ideen aus allen politischen Richtungen und Ländern des globalen Nordens wie auch des globalen Südens zusammen, die sich damit auseinandersetzen, ob eine Gesellschaft jenseits des Wachstumsgedankens möglich sein könnte. Im Gegensatz zu anderen Theorien ist dieser Ansatz vor allem eines: dynamisch. Postwachstum hat kein Endziel, auf das es hinarbeitet. Leider ist diese Chance zur freien Ideenentfaltung zugleich der größte Kritikpunkt: Es gibt nur wenig offensichtliche und skalierbare Konzepte.

Somit ist Postwachstum keine eigenständige Theorie oder eine in sich geschlossene Denkschule, sondern ein übergeordneter Gedankenimpuls, der aus unterschiedlichsten Perspektiven beleuchtet werden kann.

Um in diesem weiten Terrain des Postwachstums nicht verloren zu gehen, lohnt es sich, gerade als ÖkonomIn einen Blick in das folgende Buch zu werfen:

»Degrowth – Handbuch für eine neue Ära« (2016) wurde von den Vordenkern des Postwachstums, Giacomo D’Alisa, Federico Demaria und Giorgio Kallis herausgegeben und enthält zahlreiche themenspezifische Essays, Abhandlungen und Erklärungen unterschiedlichster VerfechterInnen dieser Idee. Dank des interdisziplinären Ansatzes, der Vielzahl von Perspektiven einen gebührenden Raum zu geben, ist Degrowth zu dem (!) Standardwerk unter den WachstumskritikerInnen geworden.

Obwohl einige Aufsätze zunächst ein wenig zu wissenschaftlich für den Laien erscheinen, ist es doch möglich, sich mit Fragen über politische und gesellschaftliche Transformation, Sharing-Ökonomien, Urban Gardening, Dematerialisierung, Peak-Oil, Veränderung des Arbeitsbegriffes, bis hin zu konzeptionellen Ansätzen wie »Buen Vivir« aus Lateinamerika oder »Ubuntu« aus Afrika zu beschäftigen.

Das Buch ist leicht zu lesen, klar strukturiert aufgebaut und deshalb ein attraktives Nachschlagewerk. Es bietet aber auch NichtökonomInnen und Interessierten, die sich noch nicht viel mit dem Thema beschäftigt haben, die Möglichkeit, sich einen Überblick über die verschiedenen Ansätze zu verschaffen. Degrowth ist somit eine Bereicherung für alle, die sich fundiertes Wissen über eine aktuelle Debatte aneignen möchten, die auch in Zukunft Gesellschaft und Politik prägen wird.

Unentschlossene finden auf der Plattform Exploring Economics des Netzwerkes für Plurale Ökonomik eine gut aufbereitete Einführung zum Thema Degrowth.

D’Alisa, Giacomo; Demaria, Federico; Kallis, Giorgios (Hrsg.): Degrowth – Handbuch für eine neue Ära. oekom verlag. München 2016

Dieser Beitrag wurde verfasst von Friederike Hildebrandt und Christian Kujath von den Kritischen WirtschaftswissenschaftlerInnen an der FU Berlin.

Geschrieben von:

Kriwis FU Berlin

studentische Initiative

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