Wirtschaft
anders denken.

»Nicht so unschuldig«: Die Waldbrände in Griechenland und die Sparauflagen der Gläubiger

26.07.2018
Grafik: Common.eG

Update 18 Uhr: Internationales Spendenkonto eingerichtet

Die griechische Regierung hat inzwischen ihren »Maßnahmenkatalog zur Hilfe der Brandopfer und ihrer Angehörigen in Griechenland« auch über die Botschaft in der Bundesrepublik bekanntgemacht. Die Einzelheiten finden sich hier. Dort heißt es unter anderem: »Unser Ziel ist es, die betroffenen Regionen und ihre öffentlichen Infrastrukturen sowie zerstörten Residenzen schnellstmöglich wiederherzustellen und hierzu werden alle Sonderregelungen, die eine Beschleunigung der Genehmigungsverfahren aller entsprechender Baumaßnahmen vorsehen, ausgeschöpft, wenn nötig, werden zusätzliche legislative Maßnahmen getroffen.«

Es wurde darüber hinaus ein Spendenkonto eingerichtet: »Aufgrund der internationalen und der inländischen Solidaritätswelle, die unserem Land und den Betroffenen in den Regionen des östlichen und westlichen Attika entgegen strömt, hat die griechische Regierung die Öffnung eines Sonderkontos bei der Bank von Griechenland beschlossen, zur Finanzierung von Hilfsleistungen an alle von den Bränden im östlichen und westlichen Attika Betroffenen und vor allem zur Rekonstruktion und Entschädigung der zerstörten Residenzen sowie der Restaurierung der betroffenen Regionen und ihrer Infrastruktur.«

Die Konto-Nummer dieses Bankkontos lautet: 23/2341195169 bei der Bank von Griechenland, IBAN-Nr.: GR46 0100 0230 0000 0234 1195 169.

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Schon vor Jahren wurde gewarnt, die Sparauflagen der Gläubiger könnten den Brandschutz in Griechenland in Schwierigkeiten bringen. Nun flammt die Debatte wieder auf: Hat der Austeritätskurs eine Mitschuld am Ausmaß der Katastrophe?

Nach den verheerenden Bränden in Griechenland nimmt die Debatte darüber Fahrt auf, wie es zu der Katastrophe mit mehr als 80 Opfern kommen konnte. Große Empörung rief dabei der wegen seiner rechtsradikalen Äußerungen schon einschlägig bekannte Bischof Ambrosius von Kalavryta hervor, der die Feuer als »Strafe Gottes« für die atheistische Regierung um Alexis Tsipras bezeichnete: »The atheists of SYRIZA are the causes of the general disaster! Their atheism draws the wrath of God.«

Abseits solcher hanebüchenen Wortmeldungen wird der Fokus hier und da auf die von den Gläubigern verlangte Austeritätspolitik als Mitursache für den verheerenden Verlauf der Waldbrände gerichtet. Die »Frankfurter Allgemeine« schreibt, »vor allem im Ausland« habe die Diskussion darüber begonnen, »ob nicht die Gläubigerländer Griechenlands« mit ihren Sparauflagen »die Hauptschuld hätten an der Katastrophe, den unzureichenden Rettungsmöglichkeiten und mangelnden Vorkehrungen«. Verwiesen wird unter anderem auf die italienische Zeitung »Corriere della Sera«, in der es heißt, »Kürzungen im Katastrophenschutz waren Teil des Austeritätspakets«. Noch im Frühjahr 2018 seien die Ausgaben für den Brandschutz demnach um 34 Millionen Euro gekürzt worden. Zu anderen Zahlen kommt der Ökonom Andrew Watt.

Der Vorsitzende der Linkspartei, Bernd Riexinger, twitterte, die Waldbrände seien »zwar verursacht von der Hitze. Die Einsparungen bei der Brandbekämpfung wurden aber durch unter anderem deutsche Sparprogramme in Griechenland verordnet«. Riexinger sagte, die Bundesregierung »trägt eine Mitschuld«. Ähnlich äußerte sich Katja Kipping, »die Feuerwehr wurde kaputt gespart durch Schäubles Spardiktat«, so die Linkenchefin in dem Kurzmeldungsdienst.

Die FAZ zitiert dagegen einen namentlich nicht genannten griechischen Ökonomen, der dies zurückweist: »Als die Rettungsprogramme entworfen wurden, haben die Gläubigerinstitutionen Wert darauf gelegt, dass für grundlegende Leistungen wie Brandbekämpfung die Qualität verbessert werde und dafür ausreichend Geld zur Verfügung steht.« Die Ausgaben für die Feuerwehren »hätten während der vorigen Jahre zunächst einen konstanten Anteil am Bruttoinlandsprodukt gehabt und seien seit 2013 auch noch gestiegen«.

Zugleich wird aber eingeräumt, »dass Griechenlands Volkseinkommen während der vergangenen zehn Jahre um ein Viertel gesunken ist«. Wenn der Anteil der Ausgaben für den Brandschutz gleich geblieben ist oder auch bei Steigerungen, die unterhalb der Absenkung des BIP liegen, könnte das also dennoch auf eine Senkung der Ausgaben hinauslaufen. Die Gehälter der Feuerwehrleute und Katastrophenschützer wurden ohnehin gekürzt.

Der Linkspolitiker Fabio De Masi sagte auf Twitter, es sei »Fakt«, dass »Kürzungspolitik tötet. Denn wäre Rezession in Griechenland nicht vertieft worden, wären Investitionen in Feuerwehr und Brandschutz absolut höher«. Es sei aber auch darauf hinzuweisen, dass die Militärausgaben zu hoch seien und dass Aufklärung über die mögliche »Brandursache Bauland-Spekulation« nötig sei.

Dass ein Zusammenhang zwischen Austeritätskurs der Gläubiger und den Ressourcen für Brandbekämpfung hergestellt wird, ist überdies nicht neu. »Wegen der Finanzkrise und der Sparmaßnahmen konnte Griechenland seine Löschflugzeugflotte in den letzten Jahren nicht modernisieren. Von 16 Maschinen sind laut Medienberichten nur vier einsatzbereit«, hieß es vor einem Jahr angesichts starker Waldbrände im »Spiegel«.

Ein Report aus Griechenland in der FAZ nimmt noch eine andere mögliche Mitursache in den Blick: Unter Berufung auf Nikos Sachinidis, den Leiter des Verbandes Freiwilliger Feuerwehren in Griechenland, heißt es dort, der mit Unterstützung aus Deutschland und Österreich aufgebaute Verband, der auf die Bekämpfung von Waldbränden spezialisiert ist, »sei vor einigen Jahren systematisch und aus politischen Gründen geschwächt worden«. Früher habe man bis zu 100 Löschfahrzeuge und 2.000 Mitglieder aufbieten können, nach einer Gesetzesänderung im Februar 2014 »dürfen wir de facto keine Feuer mehr löschen – das ist nun allein den Berufsfeuerwehren vorbehalten«. Von denen gebe es nur etwa 270 Wachen, teils würde die Anfahrt »zu einem Brand bis zu einer Stunde« dauern. »Nach unserer Kenntnis ist die Gesetzesänderung auf Verlangen der Berufsfeuerwehren zustande gekommen, da sie in uns eine Konkurrenz gesehen haben.«

Tomasz Konicz nimmt auf dem Portal »Streifzüge« die »Wut in der Bevölkerung« auf, »die die lokalen Behörden für die mangelnde Vorbereitung und die späte Reaktion während der Brandkatastrophe verantwortlich machten«. Das ist auch Tenor in den Kommentaren der konservativen Zeitung »Kathimerini«, die auf behördliches Versagen, Fehler bei der Brandbekämpfung und ganz generell auf die strukturellen Probleme beim Zivilschutz abstellt.

Dies blendet allerdings aus, »wie das deutsche Spardiktat die Wahrscheinlichkeit verheerender Feuerkatastrophen in Hellas erhöhte«, wie das Konicz formuliert, dabei die Rolle der Bundesregierung bei der Ausrichtung und Durchsetzung der Austeritätsprogramme abstellend. »Feuerwehrleute klagten gegenüber dem ›The Sydney Morning Herald‹, dass sie aufgrund der Austeritätsmaßnahmen sehr schlecht auf größere Feuer vorbereitet seien«, heißt es da – und dann wird ein Feuerwehrmann mit den Worten zitiert: »Wir haben über Jahre um mehr Ressourcen gebeten. Wir fragen nach neuen Flugzeugen.« Auch Matt Wrack, Generalsekretär der britischen Feuerwehrgewerkschaft Fire Brigades Union habe »den desaströsen Zustand der von Schäuble kaputtgesparten griechischen Feuerwehr bestätigt«. Wrack habe bei einem Besuch die Folgen der Austerität auf die Feuerbekämpfung »studiert«.

Man kann die Warnungen vor möglichen Einschränkungen der Kapazitäten der Lebensrettung, des Brandschutzes und der Feuerbekämpfung übrigens bis zum Beginn des ersten Kreditprogrammes und der damit verbundenen Auflagen zurückverfolgen. Dass es zwischen Haushaltskürzungen und den Risiken verheerender Waldbrände einen folgenreichen Zusammenhang geben kann, wurde damals vorausgesagt. Einige Fakten gibt es auf dieser Website.

Das soll nicht jene von Verantwortung freisprechen, die womöglich aus ökonomischen Interessen die Feuer legten. Dies geschieht auch mit dem Argument, dass 2007 eine schwere Brandkatastrophe eintrat, also noch vor Beginn irgendwelcher Spardiktate. »Spielte auch Brandstiftung eine Rolle?«, fragt die FAZ und verweist darauf, dass in früheren Jahren oft per Brandstiftung Boden in Bauland verwandelt wurde. Dies sei aber »nicht mehr so einfach wie früher, die Gesetze sind verschärft worden«.

Eine Äußerung von Bürgerschutzminister Nikos Toskas vom Dienstag wird aber angesichts der furchtbaren Folgen noch eine Weile nachhallen: Er wurde mit den Worten zitiert, die Feuer seien »nicht so unschuldig«.

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