»Nicht zu emotionslos«: Der Europaparteitag der Linken und das Echo in den Medien
Leidenschaftlich für Europa? Alles nur Formelkompromisse? Unwählbar? Die Linkspartei hat in Bonn ihr Europaprogramm beschlossen. Wie sieht das Echo in den Medien aus – ein Überblick.
Delegiertentreffen sind Arenen der politischen Selbstverständigung, auch der inneren Demokratie von Parteien. Aber sie werden natürlich nicht zuletzt mit Blick auf die Außenwirkung abgehalten. Bald sind Wahlen, der Wahlkampf hat praktisch schon begonnen. Daher ist die Frage nicht ganz unwichtig: Wie wird der Bonner Europaparteitag der Linken medial gespiegelt?
In der »Rheinischen Post« heißt es, »mit ihrem Votum für einen reformorientierten Neustart der Union hat die Basis die Parteiführung gestärkt. Mit der Forderung nach einer ›Republik Europa‹ hätte sich die Linke aber auch als noch radikalere europafreundliche Partei profilieren können. Es wäre ein neuer spannender Ansatz im Parteienspektrum gewesen. Doch so radikal wollte die Basis denn doch nicht sein.« Mehr hier.
Die »Tageszeitung« meint, »dieser Europaparteitag über das Wahlprogramm der EU ist bisher weit entfernt von den emotional geführten Debatte über die Migrationspolitik, die im Juni vergangenen Jahres in Leipzig den Bundesparteitag fast sprengte. Obwohl im Grunde Erleichterung zu spüren ist, dass die Gräben zugedeckt sind, musste der Fraktionsvorsitzende Dietmar Bartsch in seiner Rede die Partei fast ermahnen, nicht zu emotionslos daherzukommen.« Mehr hier. In der Zeitung wird auch Lucy Redler vom sich links sehenden Flügel interviewt: »Der Programmentwurf der Linken ist ein Spagat. Die Partei versucht, es allen recht zu machen, kann damit aber die Frage, ob sie für mehr oder weniger EU-Integration ist, nicht klar beantworten. Es wäre besser gewesen, wenn die Linke eine deutlich EU-kritischere Position bezogen hätte, ohne den Eindruck zu erwecken, dass wir zurück zum Nationalstaat wollen.« Hier noch ein weiterer Bericht aus dem Blatt.
Das »nd« blickt auf die Nominierung der KandidatInnen und meint: »Unterschiede machten vor allem der Grad an Empathie und die Lautstärke, mit der die Forderungen vorgetragen wurden. Was unterm Strich bleibt: Die Linke hat eine ausgewogene Liste von Europaprofis und Newcomern, von Jungen und Nicht-mehr-ganz-so-Jungen, von Ost und West, Frauen und Männern gewählt.« An anderer Stelle ist im nd zu lesen: »Für die proeuropäische Grundstimmung hatten nicht zuletzt die Reden der Parteivorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger und des Präsidenten der Europäischen Linken, Gregor Gysi, gesorgt.« Die Zeitung hat zudem mit Spitzenkandidatin Özlem Demirel gesprochen, die unter anderem sagt: »In einer Zeit, in der zum Teil faschistische Kräfte oder rechtspopulistische Kräfte stärker werden, darf es sich die politische Linke nicht erlauben, sich jetzt selber zu spalten. Da muss man sich auch mal zusammenreißen. Man muss die Punkte genau herausarbeiten, an denen es Konsens gibt.« Und weiter: »In der Zielsetzung gegen Austeritätspolitik, gegen eine weitere Aufrüstung und für den Erhalt unserer Umwelt sind wir uns einig. Selbstverständlich diskutieren wir als Linkspartei über den Weg, wie wir zu einer friedlicheren, solidarischeren und sozialen Gesellschaft kommen können. Es ist auch normal, dass es in einer Partei, die in Bewegung ist, dazu verschiedene Vorstellungen gibt.«
Die »Süddeutsche« befindet, »so groß wie nie zuvor ist bei einigen führenden Linken die Bereitschaft zu leidenschaftlichen Bekenntnissen zu Europa«. Und weiter: »Nun ist, typisch Linke, ein Formelkompromiss zwischen eigentlich unvereinbaren Positionen herausgekommen. Zu Recht werden Defizite der EU kritisiert, aber die Gemeinschaft nicht grundsätzlich infrage gestellt. Das ist ein kleiner Erfolg für die Reformer, aber keine gemeinsame Vision für Europa. Ein überzeugender Start in den Wahlkampf hätte anders ausgesehen.« Hier findet sich der Bericht der SZ zum Parteitag.
Die »Stuttgarter Zeitung« schreibt unter anderem, »mit ihrem Bekenntnis zur Europäischen Union hat sich die Linke dagegen die Möglichkeit gegeben, einen Wahlkampf mit positiven Botschaften zu führen, ohne sich den Raum zur Kritik zu nehmen. Das ist nicht unwichtig. Vor allem aber ist nun klar, dass die Linke in Sachen Europa nicht im selben Boot wie die Rechtspopulisten sitzt. Die stehen mit ihrem wirklichkeitsvergessenem Ideal einer Rückkehr zu nationalen Abschottungskonzepten nun ganz allein da. Das ist gut so.«
Der »Tagesspiegel« stellt sich die Frage: »Der Versuchung, mit den in ganz Europa stärker werdenden rechten Parteien mit verschärfter EU-Kritik in den Wettbewerb zu treten, hat die Linke also widerstanden. Ob der konstruktive Ansatz dazu führen wird, die 7,4 Prozent – das entsprach bei der Wahl 2014 sieben Abgeordneten – zu verteidigen oder gar zu überbieten?« Auf dem Bonner Parteitag habe die Linkspartei »fundamentale Unterschiede zur EU-Kritik von rechts« geltend gemacht und es sei »zugleich die Emanzipation der Linken von ihrem Ex-Vorsitzenden Oskar Lafontaine«. Hier gibt es noch einen Bericht der Zeitung vom Parteitag.
Im »Göttinger Tagblatt« heißt es unter anderem: »In der Sache gibt es in der Linken ein Patt zwischen denen, die die Europäische Union trotz aller Zweifel wertvoll finden und zum Ausgangspunkt einer vertieften Integration machen wollen, und den anderen, die die EU für einen Teil des Problems und nicht der Lösung halten – und sie damit dämonisieren.«Und weiter: »In der Form war der Bonner Parteitag einerseits ein Fortschritt. Denn die Europa-Debatte ging wohltuend zivilisiert vonstatten. Es war nicht so giftig wie sonst oft bei der Linken, sondern es war, was es nicht immer ist: ernst zu nehmend.«
Die »Mittelbayerische« kommentiert den Linksparteitag mit Blick auf andere Parteien – auch die AfD hatte ein Treffen und die Debatte über rechtsradikale Positionen von Partnerparteien der CDU auf EU-Ebene geht ja auch weiter. »Erfreulicherweise füllt sich das Lager der Befürworter der EU. Zumindest unter den deutschen Parteien«, so das Blatt« über die Linkspartei.
In der »Frankfurter Allgemeinen« dagegen wird die Linke in einem Atemzug mit der AfD genannt: »Kommt es den Wählern der AfD wirklich darauf an, zu wissen, wen oder was sie wählen? Viele geben ihre Stimme ab, nicht weil sie für, sondern weil sie gegen etwas sind. Die Europapolitik scheint dafür besonders geeignet zu sein. Die zweite Partei, die auf dieser Welle reitet, ist die Linkspartei«, so das Blatt. »Sie hatte am Wochenende ihre liebe Not, sich zwischen einer positiven Utopie (›Republik Europa‹) und einer negativen Utopie (›Weg mit der EU‹) zu entscheiden. Unabhängig davon musste sie aufpassen, nicht durch die eine oder andere Vokabel in den AfD-Jargon zu verfallen.« Der Kommentar geht so weit, zu behaupten, »AfD und Linkspartei mögen im Europawahlkampf getrennt marschieren, aber was die Kampagne gegen die etablierten Europaparteien angeht, handeln sie, wie die links- und rechtsradikalen Lager in anderen europäischen Ländern auch, nach dem Prinzip: Vereint schlagen.« Hier findet sich der Parteitagsbericht der FAZ.
Auf »spiegel online« heißt es, »Die Linke will viel zu oft beides sein – radikale Protestpartei und seriöse Kraft im demokratischen Spektrum. Die Angst vor der Spaltung bestimmt den Kurs. Doch dieser falsch verstandene Pluralismus treibt die Linke immer tiefer in die Identitätskrise.« Und weiter: »Die Linke lässt zu, dass mit Formelkompromissen große Teile der Partei bei Kernfragen der Politik auf Dauer gegensätzliche Positionen vertreten. Indem nie klar ist, welchen Wert Vorstands- oder Parteitagsbeschlüsse langfristig haben, bleibt für Wähler und potenzielle Partner eine Frage offen: Mit wem hat man es bei den Linken eigentlich zu tun?«
Auf »tagesschau.de« wird der Bonner Linksparteitag mit den Worten kommentiert: »Die Linke muss es endlich schaffen, ihre Idee eines sozialen und friedlichen Europas, einer EU mit einem gestärkten Parlament positiv unters Volk zu bringen, sonst droht ihr erneut ein enttäuschendes Wahlergebnis wie 2014. Zugegeben: Die Linke befindet sich in einer schwierigen strategischen Situation. Die SPD rückt stärker nach links, weg von den Hartz-Reformen. Dieser Schwenk der Sozialdemokraten könnte die Linke einige Stimmen kosten. Dazu kommt die Konkurrenz von rechts. Die AfD buhlt vor allem im Osten um Protestwähler und will mit aggressiver Anti-EU-Politik punkten«. Die Linkspartei müsse dagegen eine Antwort in der Europapolitik formulierten, die klarer laute: »mehr Europa wagen und nicht weniger. Weniger wehklagen und mehr gestalten wollen. Auch da hat Gregor Gysi, der als Präsident der Europäischen Linken im Abendrot seiner politischen Karriere steht, völlig Recht.«
Die Zeitung »junge Welt« gefällt sich in allerlei Invektiven gegen VertreterInnen des als linksreformerisch angesehen Flügels – »groteske Figur«, »Rechtsverschiebung«, »dummdreist« und schreibt weiter: »Mit einem irgendwie ›linken Profil‹, das hat der Bonner Parteitag einmal mehr gezeigt, ist es freilich längst nicht mehr getan. Was nützen linke Parolen, die Stimmen bringen, wenn der politische Ertrag so aussieht wie nach fünf Jahren Linkspartei-Regiment in Thüringen? Eine Partei, die Figuren wie Hoff, Kulke, Liebich, Ramelow et alii erträgt, ist – auf allen Ebenen – unwählbar.«
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