Wirtschaft
anders denken.

Der DIW-Chef und die oligarchische Tendenz

10.04.2016
Marcel Fratzscher in der Nahaufnahme.Foto: Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen / / flickr CC BY 2.0Marcel Fratzscher, Chef des DIW.

Marcel Fratzscher will mehr Spenden von den Reichen, um Soziales zu finanzieren. Das ist keine gute Idee. Ein Kommentar.

Marcel Fratzscher sorgt seit einiger Zeit dafür, dass mehr über den wachsenden Reichtum einiger weniger und die zunehmende Armut von vielen gesprochen wird. Das ist gut so, denn das Thema Umverteilung kann größere Verbreitung gut gebrauchen. Die Verfestigung relativer Armut einerseits und die Entkoppelung politisch einflussreicher Vermögenseliten andererseits ist so etwas wie einer der Kernknoten der aktuellen politischen Herausforderungen. Wer darüber nicht reden will, sollte über den Rechtsruck in Europa, Entdemokratisierung und die Schwächung des Öffentlichen nicht reden. Dass Fratzscher, der auch Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) ist, dabei auch Selbstmarketing für sich und sein Buch sowie das DIW betreibt, das in Konkurrenz zu anderen ökonomischen Beratungsinstanzen steht, kann man kritisieren. Daran, dass der Wirtschaftswissenschafter ein politisch entscheidendes Thema in der Öffentlichkeit stärker macht, ändert das nichts.

Wenn schon Kritik, sollte man sie an den Schlussfolgerungen äußern, auf die Fratzscher bisweilen kommt. Gegenüber dem Tagesspiegel am Sonntag forderte der DIW-Mann jetzt, dass Reiche von ihrem Vermögen mehr spenden sollen als bisher. Fratzscher blickt dabei in die USA, wo Superreiche schon sehr viel stiften und spenden: »In Deutschland sehen wir es dagegen als Aufgabe des Staates an, sich um die sozial Schwachen zu kümmern. Da könnten wir von den Amerikanern lernen.« Dass »man die Gesellschaft auch finanziell unterstützt, ist noch relativ neu. Das muss erst noch in unseren Köpfen ankommen«, so Fratzscher.

Nein, das ist keine gute Idee. Fratzscher knüpft hier an einen falschen Gedanken an, der den immer weiter nach rechts torkelnde Philosoph Peter Sloterdijk einmal dazu gebracht hat, eine »Revolution der gebenden Hand« auszurufen. Mehr noch: einen »fiskalischen Bürgerkrieg« gegen einen angeblich »steuerstaatlich zugreifenden Semi-Sozialismus«. Der Reichtum der Vermögenden wird in einem solchen Denken von seinen gesellschaftlichen Entstehungsbedingungen abgekoppelt, Vermögen danach bewertet, wie groß die Tugend der Freigiebigkeit der Besitzenden ist. Und je spendenbereiter sich die zeigen, die von allem Materiellen zu viel haben, desto gerechtfertigter erscheint ein System, in dem die Produktion des gesellschaftlichen Reichtums verschleiert werden muss, weil sonst immer mehr Leuten ein Licht aufgehen könnte, wie unvernünftig, ungerecht und absurd das ganze eigentlich ist.

Die Kompensation sozialstaatlicher Aufgaben, die wegen falscher Verteilungspolitik und einer neoliberalen Verachtung des Öffentlichen nicht mehr erfüllt werden, durch Barmherzigkeit – das ist der falsche Weg heraus aus der Unterfinanzierung einer Gesellschaft, in der ein Mindestmaß an Solidarität als Anspruch verwirklicht ist. Was gebraucht wird: steuerliche Umverteilung von Oben nach Unten.

Je stärker sich die Finanzierung des Öffentlichen hingegen vom guten Willen der Superreichen abhängig macht, desto stärker wird sich eine oligarchische Tendenz durchsetzen: Vermögende entscheiden dann darüber, was gefördert und finanziert wird – und was nicht. Das ist demokratiepolitisch unverantwortlich und legitimiert am Ende einen Kapitalismus, von dem nicht erst die »Panama Papers« gezeigt haben, dass in ihm politische Reichtumsmehrung auf Kosten der Gesellschaft eines der obersten Gebote ist.

Geschrieben von:

Tom Strohschneider

Journalist

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