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Piloten und Flugbegleiter streiken, Ryanair droht: der OXI-Überblick

12.09.2018
Ralf Roletschek / GFDL 1.2

Seit dem frühen Morgen wird der Billigflieger-Konzern Ryanair bestreikt. Der Arbeitskampf ist wichtig auch über die Belange von Piloten und Flugbegleitern hinaus. Es geht um transnationale gewerkschaftliche Kämpfe – und die Frage nach den gesellschaftlichen Kosten der Billigfliegerei.

Seit dem frühen Morgen wird der Billigflieger-Konzern Ryanair von Piloten und Flugbegleitern bestreikt. Die Beschäftigten legen an zwölf deutschen Basen des größten europäischen Anbieters für Billigfliegerei die Arbeit nieder, der Konzern hat 150 von insgesamt 400 Flügen in der Bundesrepublik abgesagt. Die größten Basen befinden sich in Frankfurt am Main, Berlin und Weeze in Nordrhein-Westfalen.

Der Konzern reagierte mit Drohungen und dem Einsatz von Piloten aus anderen Standorten. »Dieser Streik kann nur das Geschäft von Ryanair in Deutschland beschädigen und wird, sollte er fortgesetzt werden, zu einer Streichung von Basen und Jobs bei Piloten und Kabinenbesatzungen führen«, wird Kenny Jacobs, Marketting-Chef der Airline, im »Handelsblatt« zitiert, das die Äußerungen »unverhohlen« nennt – sie richte sich besonders gegen die Beschäftigten kleinerer Standorte, die im Winter Verluste schreiben würden.

Bei Ryanair hatte die Piloten erst im August gestreikt, gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen aus den Niederlanden, Belgien und Schweden. Europaweit findet seit Wochen ein Arbeitskampf gegen die Fluggesellschaft statt. Es geht um erstmalig abzuschließende Tarifverträge für höhere Gehälter und bessere Arbeitsbedingungen.

In Irland und Italien hatte es erste Einigungen mit Pilotenvertretungen gegeben. In Italien sind diese allerdings nicht unumstritten. Hier liegt eine gewerkschaftspolitische Frage auf dem Tisch: die der transnationalen Solidarität und der Schwierigkeiten gemeinsamer Arbeitskämpfe – wegen national unterschiedlicher institutioneller und rechtlicher Rahmenbedingungen.

Gerade deshalb aber ist der Ryanair-Streik auch über die Piloten und Flugbegleiter hinaus politisch wichtig. »Die Piloten von Ryanair wollen, dass die Airline mit ihnen als eine Gruppe agiert und europaweite Vereinbarungen erreicht, um eine Spaltung des Unternehmen zu vermeiden«, wird die britischen Gewerkschaft BALPA zitiert.

»Trotz des deutlichen Zeichens durch den Streik Anfang August, herrscht immer noch Stillstand am Tariftisch. Wir erwarten endlich Lösungen«, sagt Ingolf Schumacher, Vorsitzender Tarifpolitik der Vereinigung Cockpit. Zuletzt hatte es Konflikte um den möglichen Einsatz eines Schlichters oder Mediators gegeben.

Die Gewerkschaft ver.di hat nun die Flugbegleiter ebenfalls zum Streik aufgerufen. Hier geht es um ein substanziell höheres Entgelt, die Einführung eines Basisgehalts für alle Flugbegleiterinnen und Flugbegleiter sowie eine Kompensation bei Verspätungen. Verhandlungen endeten am 5. September ergebnislos.

Der Erfolg der Billigflieger ist auf die Liberalisierung des Luftverkehrs zurückzuführen, die in den 90er-Jahren stattgefunden habe, so Ivo Rzegotta vom Bundesverband der Deutschen Luftverkehrssicherheit schon vor einigen Monaten. Seither sind Ticketpreise gesunken und das Flugangebot ausgebaut worden – allerdings mit hohen gesellschaftlichen Kosten. Die aggressive Niedrig-Preispolitik wird auf Beschäftigte abgewälzt, die Vielfliegerei führt zu schweren Umweltbelastungen. Laut Rzegotta sollten Reisende sich vergegenwärtigen, welche Auswirkungen die Billigflüge auf die Umwelt und die Arbeitsbedingungen der Angestellten haben.

Der Chef von Ryanair, Michael O’Leary, wird mit den Worten zitiert: »Umweltschützer ärgern wir, wo immer wir können. Eigentlich müsste man die erschießen. Denn die wollen Fliegen so teurer machen, dass es wieder ein Privileg für die Reichen wird.« In der »Zeit« hieß es dazu in einem Kommentar, »wem die Umwelt nicht völlig schnurzpiepegal ist und die Leute auch nicht, der könnte den Streik zum Anlass nehmen, über das eigene Konsumverhalten nachzudenken.«

Die Frage, inwieweit sich in der Billigfliegerei ein ökologisches und ökonomisches Moment von Umverteilung zu Gunsten von Besserverdienern verbirgt, wird seit längerem gestellt. Günstiges Herumjetten für die einen müssen andere mit geringen Löhnen und schlechten Arbeitsbedingungen bezahlen. Zudem trägt die Gesellschaft die Kosten bei Umweltschäden und Klimawandel; die Fliegerei wird sogar noch steuerlich subventioniert – der kommerzielle Kerosinverbrauch ist steuerfrei, anders als beim Mineralöl.

Zuletzt hat Andreas Knie vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung ein Verbot von Inlandsflügen ins Spiel gebracht. Ein solches könne die dringend nötige Verkehrswende anstoßen – und nebenbei zu einer gesetzlich geregelten Entschleunigung führen.

Foto: Ralf Roletschek / GFDL 1.2

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