Podemos und ihre populistische Strategie
Das Parteiprogramm von Podemos, hervorgegangen aus der Protestbewegung in Spanien, weist vor allem alternative und klassische linke Forderungen auf. Dennoch wird im Wahlkampf bewusst populistisch agiert.
Podemos ist ein Kind der Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise, und das prägt den ökonomischen Kurs der Partei. Die noch junge politische Kraft versteht sich als Nachfolgerin der »Indignados« (Empörte), deren Protest sie ins Parlament tragen will. Die links-libertäre Bewegung hatte im Mai 2011, auf dem Höhepunkt der Krise, überall in Spanien öffentliche Plätze besetzt. Auf den friedlichen Versammlungen wurden basisdemokratische Organisationsformen erprobt. Die Aktivisten debattierten über gesellschaftliche Utopien. Für die späteren Podemos-Gründer um Generalsekretär Pablo Iglesias war dabei klar: Politische Alternativen müssen nicht nur auf der Straße eingefordert, sondern auch von der Regierung durchgesetzt werden.
Alternative und klassisch linke Forderungen
Daraus folgte eine Mischung aus alternativen und klassisch linken Forderungen im Programm von Podemos. So verfolgt die Partei einerseits weiterhin viele Anliegen, die auch der Protestbewegung wichtig waren. Dazu zählt das Eintreten gegen Korruption und für Transparenz, aber auch für digitale Methoden der Mitbestimmung. Zudem versucht die Partei, die gesellschaftliche Vielfalt abzubilden: Zur Parlamentsfraktion von Podemos gehört ebenso eine Politikerin im Rollstuhl wie die erste schwarze Abgeordnete in der spanischen Geschichte.
Daneben bearbeitet die Partei andererseits die großen wirtschaftspolitischen Baustellen des Landes: die einseitige Ausrichtung der Wirtschaft auf Baugewerbe und Immobiliensektor sowie die Sparpolitik der vergangenen Jahre. Wesentlicher Grund für den ökonomischen Zusammenbruch des Landes war eine geplatzte Immobilienblase. Im weitgehend de-industrialisierten Spanien stieg deshalb die Arbeitslosigkeit rasch an. Podemos will die Wirtschaft mit einem Programm der Diversifizierung weniger anfällig für Krisen machen. Dazu gehören auch umfangreiche Investitionen in erneuerbare Energien, die mindestens 300.000 neue Arbeitsplätze schaffen sollen, wie es im Programm zur letztjährigen Parlamentswahl heißt.
Die Immobilienkrise wiegt aber auch deswegen so schwer, weil die allermeisten Spanier Wohneigentum besitzen, das nach dem Zusammenbruch massiv an Wert verlor. Zudem müssen viele verarmte Wohnungsbesitzer – wegen einer Besonderheit des spanischen Rechts – selbst nach ihrer Zwangsräumung weiter Hypothekenzahlungen an die Bank leisten. Podemos will ihre Situation mit einem (Teil-)Erlass der Schulden erleichtern. Außerdem sollen die Zwangsräumungen ausgesetzt und die eigenmächtige Nutzung leerstehender Häuser entkriminalisiert werden.
Bruch mit der Sparpolitik
Die im Parteiprogramm angekündigten höheren Ausgaben für Bildung und Gesundheit will Podemos mit Steuererhöhungen finanzieren. Ab einem Jahreseinkommen von 300.000 Euro stiege demnach der Spitzensteuersatz auf 55 Prozent. Auch Unternehmen, Vermögen und Erbschaften würden stärker herangezogen, so die Pläne der Partei. Das soll jährliche Mehrausgaben von 15 Milliarden Euro erlauben.
Damit bricht Podemos bewusst mit der Sparpolitik, die sowohl Sozialisten als auch Konservative seit Jahren betreiben. Auch die amtierende Regierung unter dem Konservativen Mariano Rajoy wird auf Brüsseler Druck massiv kürzen müssen. Trotz aller Kritik am marktradikalen Kurs, den Podemos vor allem dem deutschen Einfluss anlastet, bekennt sich die Partei klar zur EU und strebt sogar eine vertiefte Zusammenarbeit an. Sie plädiert für eine organisierte europäische Solidarität, die Staaten bei ökonomischen Problemen nicht alleine lässt. Dazu müsse die Europäische Zentralbank stärker wirtschaftspolitisch eingreifen dürfen, etwa nach dem Muster der US-amerikanischen FED. Auch soll eine »soziale Eurogruppe« aus den Arbeitsministern der Mitgliedsstaaten eingerichtet werden. Ihre Aufgabe bestünde in der Überwachung sozialer Ungleichgewichte und einer koordinierten Arbeitsmarktpolitik in der Eurozone. Geht es nach Podemos, sollen überdies die Schulden der Einzelstaaten vergemeinschaftet werden. »Europa muss sich dringend auf der stabilen Grundlage der sozialen Demokratie neu erfinden«, sagt Jorge Moruno vom Consejo Ciudadano Estatal (Bürgerrat), eine Art erweiterter Parteivorstand. Ansonsten drohe »autoritäre Regression als Konsequenz des Austeritätsdogmas«; es drohe also wegen der unsozialen Sparpolitik und deren Folgen autoritäre Verhältnisse in den EU-Staaten.
Politische Alternativen müssen nicht nur auf der Straße eingefordert, sondern auch von der Regierung durchgesetzt werden.
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Trotz dieser deutlich links-alternativen Ausrichtung setzte Podemos im Wahlkampf erklärtermaßen auf eine populistische Strategie. Iglesias und andere Spitzenleute erklärten, sie seien weder links noch rechts. Vielmehr würden sie »die Leute« gegen die korrupte »Kaste« der Berufspolitiker vertreten, zu der Konservative und Sozialisten gleichermaßen zählen. Dahinter stand und steht das strategische Ziel, nicht nur Volkspartei, sondern möglichst auch stärkste Kraft im Land zu werden. Zumindest aber sollten die Sozialisten dauerhaft verdrängt werden, so wie es Syriza in Griechenland mit der Pasok gelungen ist. Dabei scheute insbesondere Iglesias nicht vor Begriffen wie »Patriotismus« und »Vaterland« zurück, die in der spanischen Linken aufgrund der Bürgerkriegsvergangenheit verpönt sind. Diese Strategie geht allerdings nicht auf: Die typischen Podemos-Wähler verorten sich in Umfragen klar links, sind eher jung, gebildet und wohnen in Städten. Mehr noch: Der Populismus hat sogar traditionell linke Wähler aus dem Umfeld der Kommunistischen Partei verprellt. Auch deswegen bleibt Podemos bisher statt der angestrebten Regierungsbeteiligung einstweilen nur die Oppositionsrolle.
Mehr von Steffen Vogel finden Sie in OXI 4/2017.
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