Wirtschaft
anders denken.

Propaganda für »schlanken Staat und niedrige Steuern«

18.07.2018
Foto: Peter Kuley / , Lizenz: CC BY-SA 2.5Finanzministerium in Berlin

Der »Steuerzahler-Gedenktag« macht Schlagzeilen – Propaganda für »schlanken Staat und niedrige Steuern« ganz nach dem Geschmack neoliberaler Lobbyisten: Gieriges Gemeinwesen gegen fleißige Steuerzahler. Viele Medien machen mit.

»Bis Mittwoch Arbeit nur für Staatskasse«, schlagzeilt es am Mittwoch überall herum – eine Nachricht ganz nach dem Geschmack neoliberaler Propagandisten. »Die Deutschen haben in diesem Jahr nach Berechnungen des Steuerzahlerbundes wieder mehr als sechs Monate für die Staatskasse gearbeitet«, meldet die Deutsche Presse-Agentur und das findet dann dutzendfach gleichlautende Verbreitung. »Erst von diesem Mittwoch an fließen – rein rechnerisch – die Einkünfte von Bürgern und Betrieben ins eigene Portemonnaie.« 

Immerhin wird in der Nachricht auch angemerkt, dass es sich bei dem »Steuerzahler-Gedenktag« um eine unter anderem »bei Ökonomen umstrittene« Aktion handelt. Man könnte es auch deutlicher formulieren: Ein privater Lobbyverein, der sich den Anschein einer unabhängigen Kontrollinstanz gibt, was auch unkritischer Nachbeterei durch Medien zu verdanken ist, macht Stimmung für einen »schlanken Staat und niedrige Steuern«, wobei in der Regel das Interessenfundament unterschlagen wird, auf dem Aktionen wie der »Steuerzahler-Gedenktag« fußen. 

Denn der Steuerzahlerbund repräsentiert »vor allem mittelständische Unternehmer, Freiberufler und Besserverdiener«, wie das der Steuerexperte Stefan Bach einmal formuliert hat. Und weiter: »So fordert der Bund der Steuerzahler gerne und laut Steuersenkungen bei Einkommensteuer und Unternehmensteuern oder die Abschaffung des Solidaritätszuschlags, was vor allem Wohlhabende entlasten würde. Missstände im Steuerrecht und in der Finanzverwaltung, etwa Steuervergünstigungen oder die verbreitete Steuerhinterziehung bei Kapitaleinkünften, die in erster Linie wohlhabende Steuerzahler betreffen, werden dagegen nicht thematisiert.«

In der »Süddeutschen« kritisiert Cerstin Gammelin ganz zu Recht, dass »der Abzug von 54,3 Cent von jedem Euro für staatliche Aufgaben und die eigene Vorsorge bei Rente und Gesundheit… noch lange kein Grund« sei, aus einer solchen Rechnung »eine Botschaft im Trumpschen Sinne zu destillieren; nach dem Motto: Der Staat ist böse, sehr böse, er nimmt dem fleißigen Steuerzahler das Geld weg. Das müssen wir ändern. Wer so handelt, muss sich die Frage gefallen lassen, welche Interessen er vertritt.«

Die problematische Wirkung von Aktionen wie dem »Steuerzahler-Gedenktag« besteht aber nicht bloß an der Oberfläche. Die regelmäßige Beschallung der Öffentlichkeit mit Botschaften wie »Die Steuern sind zu hoch« oder »Bis Mittwoch Arbeit nur für Staatskasse« reproduzieren ein Bild vom Öffentlichen als Belastung, vom Staat als Abgreifer, von einem Gemeinwesen, das nur kostet. Mit Begriffen wie »Gedenktag« wird dem Steuerzahler eine Art Opferrolle zugesprochen, die ganze Geschichte soll nur einen Schluss zulassen: Die Steuern müssen runter.

Allein in dem von der Deutschen Presse-Agentur verbreiteten Satz »Die Deutschen haben in diesem Jahr nach Berechnungen des Steuerzahlerbundes wieder mehr als sechs Monate für die Staatskasse gearbeitet«, der in Schlagzeilen mit dem Begriff »nur« noch aufmunitioniert wird, stecken gleich mehrere Nebelkerzen: unterschiedliche Interessen werden im Wir-Kollektiv »Die Deutschen« versenkt, einen Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit gibt es hier auch nicht. 

Überhaupt ist die ganze Aktion gegen den Gedanken gerichtet, dass gerade die »Schwachen« einen starken Staat benötigen, den die »Starken« selbstverständlich überwiegend finanzieren sollten, da sie auch überwiegend von den den aus öffentlichen Mitteln bezahlten gesellschaftlichen Voraussetzungen der Reichtumsproduktion profitieren. 

Stattdessen wird die alte Leier von der öffentlichen Hand gespielt, der den »Leistungsträgern« etwas wegnimmt, oder mit den Worten des Bundes: »wie sehr der Staat die Einkommen seiner Bürger und Betriebe belastet«. Was ein Gemeinwesen für die Leute macht, welche Finanzierung es dafür braucht, wie darin auch eine Komponente der Umverteilung liegen kann – davon wollen die Steuersenkungsapologeten nichts wissen. Wer Schlagzeilen wie »Ab Mittwoch wird endlich richtig verdient!« verbreitet, macht sich zum Helfer solcher Botschaften.

Foto: Peter Kuley / CC BY-SA 2.5

Geschrieben von:

Svenja Glaser

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