Wirtschaft
anders denken.

»Räumungsverkauf« verfehlt Gläubiger-Ziele deutlich

04.07.2018
Grafik: Common.eG

Die Privatisierung von öffentlichem Eigentum in Griechenland gehörte zu den umstrittensten Auflagen der Gläubiger. Aktuelle Zahlen zeigen: Die den Regierungen in Athen gestellten Einnahme-Ziele wurden verfehlt, die Linkspartei kritisiert ganz generell den »Räumungsverkauf«. 

»Wie stellen sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Erlöse aus Privatisierungen während der Griechenlandprogramme« dar, so hatte es die Linksfraktion im Bundestag im Juni gefragt – nun meldet der »Spiegel« unter Berufung auf Zahlen des Bundesfinanzministeriums, » von seinen ursprünglichen Privatisierungszielen bleibt Griechenland weit entfernt«.

Laut dem Bericht wurden aus der Veräußerung öffentlichen Besitzes in den Jahren 2011 bis 2017 insgesamt 5,1 Milliarden Euro erlöst – nur ein Zehntel dessen, was als Zielmarke in den Auflagen des dritten Kreditprogramms ab 2015 aufgeführt war. Der frühere sozialdemokratische Premier Giorgos Papandreou, dessen Amtszeit in das erste Kreditprogramm ab 2010 fällt, hatte selbst auch schon von Einnahmen im Umfang von 50 Milliarden Euro im Zuge des »weltgrößten« Privatisierungsprogramms gesprochen.

»Der Plan zur Privatisierung von Vermögenswerten in Höhe von 50 Milliarden Euro hat das Potenzial, die Schuldenquote in den nächsten fünf Jahren um mehr als 20 Prozentpunkte des BIP zu senken und die wirtschaftliche Effizienz zu steigern«, hieß es 2011 bei der EU-Kommission – dem Jahr, in dem der Hellenic Republic Asset Development Fund – kurz: HRADF – als Privatisierungsbehörde gegründet wurde. Die Zielmarke von 50 Milliarden sollte laut diesem Papier bereits 2015 erreicht werden. 

Nach Ansicht vieler Experten war schon länger klar, dass die Ziele nicht erreicht würden. Und nicht wenige Kritiker wiesen auch darauf hin, dass der Kurs des Verkaufs öffentlichen Eigentums grundsätzlich in die falsche Richtung geht. Auch die Konstruktion mancher Privatisierungsprojekte stand unter Beobachtung: So erfolgte der Verkauf der gewinnbringenden griechischen Regionalflughäfen an die deutsche Fraport AG bei nur »einem Bieter und unter zeitlichem Druck«, wie die Linksfraktion es formuliert. In der Frageformulierung der Linksfraktion ist der Zweifel mehr als deutlich, dass mit »fire sales« unter solchen Bedingungen keine hinreichenden Erträge für den griechischen Staatshaushalt zu erzielen waren.

Der Abgeordnete Fabio De Masi wird vom »Spiegel« mit den Worten zitiert, »die Privatisierung öffentlicher Vermögenswerte in einem depressiven Umfeld ist wie Räumungsverkauf«. Schon früher hatte er Kritik am Privatisierungskurs geäußert – der nicht zuletzt, siehe Fraport, deutschen Konzernen zu neuen Gewinnen verhilft. »Dieses Geld fehlt nun in Griechenland für Investitionen und Sozialausgaben«, so De Masi schon Ende 2017. »Beim Verkauf der Regionalflughäfen, der von der Troika auf Wunsch der schwarz-grünen hessischen Landesregierung sowie Fraport durchgesetzt wurde, war Fraport der einzige Bieter. Das hat mit Marktwirtschaft nichts zu tun, sondern war gewöhnliche Erpressung.« Der Abgeordnete verwies auch damals auf die grundsätzliche Schwachstelle der Gläubiger-Auflagen: »Privatisierungen in einer Wirtschaftskrise sind doppelt teuer, da sich Investoren das Tafelsilber wie bei Panikverkäufen zu Ramschpreisen sichern können. Die Zeche dafür zahlen letztendlich die Griechinnen und Griechen.«

Es sieht auch nicht so aus, als ob sich am Grundproblem des Privatisierungskurses noch etwas ändern könnte: Die EU-Kommission geht in ihrem »Überprüfungsbericht ESM-Stabilitätshilfeprogramm für Griechenland« vom Juni 2018 von Erlösen für 2018 von rund 4,5 Milliarden Euro aus – wenn vier größere Transaktionen noch abgeschlossen werden können: »Die Institutionen erwarten im zweiten Halbjahr 2018 den finanziellen Abschluss des Hellenikon-Projektes (Entwicklung alter Flughafen Athen), der Konzessionsverlängerung des neuen Athener Flughafens, des Verkaufs des Gasnetzbetreibers DESFA und des Bahnzulieferers ROSCO.«

»Privatisierungen können dazu beitragen, die Wirtschaft effizienter zu gestalten und die Staatsverschuldung zu verringern«, heißt es in dem Überprüfungsbericht. Der Begriff »können« macht klar, dass dies auch nach Ansicht der EU-Kommission kein zwingendes Ergebnis ist. Und das ist auch über Griechenland hinaus belegt. So ergab eine Studie des Transnational Institute im Jahr 2016 »keinen Beleg dafür, dass privatisierte Firmen effizienter arbeiten«. In fast allen untersuchten Fällen seien »nur profitable Unternehmen zu unterbewerteten Preisen verkauft« worden. Und sie hatten soziale Folgen: »Privatisierungen haben die Löhne untergraben, die Arbeitsbedingungen geschwächt und die Einkommensungleichheit vergrößert«, so die Studie von 2016.

In einer Ausarbeitung für die Linkspartei-nahe Rosa-Luxemburg-Stiftung hieß es 2016, »der Versuch, der Staatsverschuldung durch Privatisierungserlöse beizukommen, muss als vollständig gescheitert betrachtet werden«. Dem griechischen Staat seien »sprudelnde Einnahmequellen abhanden« gekommen, »die Gewinne für die neuen privaten oder staatlichen Eigner sind immens, die Verluste für den griechischen Staat ebenso – und auch für die griechische Bevölkerung«. 

Kritiker verweisen zudem schon lange darauf, dass der Verkauf öffentlichen Vermögens auch öffentliche Handlungsspielräume einschränkt. Um die aber geht es den Gläubigern auch gar nicht: Der Zweck der Einrichtung des Privatisieurngsfonds »HCAP besteht in der Verwaltung werthaltiger griechischer Vermögenswerte, der Maximierung ihres Werts mit dem Ziel ihrer anschließenden Verwertung zur Stützung der Entwicklung der griechischen Wirtschaft sowie der Verringerung der finanziellen Verpflichtungen Griechenlands«, so der Überprüfungsbericht.

Geschrieben von:

Vincent Körner

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