»Nein, da komme ich nicht ran«: Warum die Wut in den Betrieben nicht die Linken stärkt
Eine Studie über betriebliche Zustände als Nährboden für Rechtspopulismus sucht nach Ursachen für Rechtsruck und AfD-Erfolg. Aber warum richtet sich die Wut nicht nach links? Die SPD ist unten durch und die Linkspartei wird nicht als Alternative wahrgenommen.
Wie kommt es zu rechtspopulistischen Listen bei den Betriebsratswahlen? Warum kommt die rechtsradikale AfD unter Beschäftigten und Gewerkschaftern auf überdurchschnittliche Wahlergebnisse? Und was hat das alles mit der betrieblichen Wirklichkeit und den Alltagserfahrungen der Beschäftigten zu tun? Dazu gibt eine Studie von Dieter Sauer, Ursula Stöger, Joachim Bischoff, Richard Detje und Bernhard Müller über betriebliche Zustände als Nährboden für Rechtspopulismus wichtige Antworten. In der März-Ausgabe von OXI hatten wir einen Vorabdruck aus dem nun erschienenen Buch dazu. Und am Mittwochabend wurde die Studie in Berlin vorgestellt.
Ursula Stöger und Joachim Bischoff haben die Kernfragen, wichtige Antworten und einige daran anschließende politische Überlegungen präsentiert – es geht im Grunde darum, Solidarität in der Klasse, also in betrieblichen und mit der Lohnarbeit verknüpften Angelegenheiten wieder erfahrbar zu machen. Was an betrieblicher Zuspitzung, an Druck und Veränderungsdrohung seit Jahren auf die Beschäftigten wirkt, dort wie eine allgemeine Entsicherung von Lebenskontrolle wirkt, hat sich – von einem Katalysator, einem »i-Punkt« war die Rede – im Zuge des zur Flüchtlingskrise stilisierten Zuzugs von Asylsuchenden kanalisiert, auch »normalisiert« und wurde dabei medial-politisch auch verstärkt.
Gefühlte »Sprachlosigkeit«, wenn es um linke Sichten geht
Das ist ein weites Feld, und die qualitativen Befragungen können dieses auch nicht vollständig oder ausreichend ausmessen. Sie geben aber wichtige Hinweise darauf, was sich mindestens ändern müsste, damit die Kritik an den herrschenden Verhältnissen nicht von Rechts aufgegriffen, ethnisiert und zu einem auf nationalistischen Wir-Konstruktionen beruhenden Ausschlussdenken radikalisiert wird. Das zielt natürlich auf die Arbeitsbeziehungen selbst, auf die kollektive Bearbeitung des Arbeit-Kapital-Widerspruchs und so fort.
Bei der Vorstellung der Studie in Berlin wurden außerdem zwei Punkte genannt, die den Fokus auf politische Akteure legen: Erstens die gefühlte »Sprachlosigkeit«, wenn es um linke Sichten, um deutliche Systemkritik geht – etwas, was Gewerkschaften nicht mehr tun oder es wird ihnen nach Jahrzehnten des Co-Managments nicht mehr geglaubt. Gewerkschaften werden oft als Reparaturkolonnen angesehen, die in der Defensive stehen, neue »Angriffe« auf Lebensführung, Berufsrollen, Arbeitsbiografien, Leistungsvermögen, Primärverteilung abzuwehren versuchen – aber nur selten eine Antwort darauf geben, wie es denn »im Großen und Ganzen (wieder) anders werden kann«.
Skepsis und Distanz zu linken Parteien
Ein zweiter Punkt zielt auf die über den betrieblichen Raum hinausgehende Desillusionierung was die »sozialdemokratische Matrix« angeht: Man sieht in linken Parteien immer öfter nicht mehr die Kräfte, die durch ihre Politik einen Beitrag zur »Rückerlangung der Kontrolle über das eigene Leben« leisten.
Dieser Vertrauensverlust betrifft zuvörderst die SPD: »Besonders tief sitzt die Enttäuschung über die Sozialdemokratie, die sich von ihrem Anspruch, Interessenvertreterin der Lohnabhängigen zu sein, vollständig verabschiedet habe – und das nicht erst seit heute«, heißt es in der Studie – die dies mit Zitaten aus den Gesprächen mit Gewerkschaftsmitgliedern, Vertrauensleuten und (zumeist gewerkschaftlich organisierten) Betriebsräten unterlegt. »Die haben ja eigentlich eher für den Einzelnen es schlechter gemacht und schwerer. Also allein schon diese Agenda 2010 hat ja viele Arbeitnehmer schlechter gestellt«, heißt es da unter anderem.
»Und habe mich dann davon abgewandt«
Eine andere Gesprächspartnerin sagt: »Also wenn ich von mir persönlich ausgehen kann, dann würde ich sagen, ich bin auch wütend, weil ich auch politisch immer aktiv war. Ich sage mal, mein Vater hat schon im Stahl gearbeitet, da war das klar, da warst du in der Gewerkschaft und hast die SPD gewählt, weil das war die Arbeiterpartei. So, und dann war ich in der Gewerkschaft und ich war Betriebsrätin und ich war in der SPD und irgendwann habe ich gemerkt, also das ist jetzt nicht mehr die Arbeiterpartei. Und habe mich auch an allen möglichen Diskussionen beteiligt. Dann war es soweit, dass man mir gesagt hat, ich gehöre eigentlich nicht mehr dahin. Da habe ich gesagt okay, das sehe ich auch so. Und habe mich dann davon abgewandt.«
Ein anderer Kollege wird mit den Worten zitiert: »Es gibt Leute, die kommen nie auf einen grünen Zweig, obwohl sie jeden Tag gearbeitet haben, und das macht mich wütend. Und das ist sicher auch der Nährboden, auf dem Pegida grast.« Zudem habe sich bei der Untersuchung gezeigt, dass hier eine Elitenkritik anschließt, die sich gegen »die da oben« und die etablierten Parteien richtet – und mit einem Verständnis einhergeht, dass die Leute aus Protest AfD wählen.
»Dass die Linkspartei dafür auch keine Machtperspektive aufweise«
Warum aber richtet sich dieser Protest nicht nach links? Warum setzen von der SPD Enttäuschte nicht auf die Linkspartei? Hierzu hat die Studie ebenfalls interessante Beobachtungen gemacht: »Überwiegend wird von den von uns Befragten die Partei DIE LINKE eher nicht als Alternative wahrgenommen, weil die Befragten Zweifel daran haben, dass sie ernsthaft für ein Bündnis mit einem entsprechenden Programm im Alltag spürbarer Veränderungen stehe, und meinen, dass sie dafür auch keine Machtperspektive aufweise.« Die Autorinnen und Autoren der Studie kommen weiter zu dem Schuss, die Linkspartei habe »zwar ein klar ausgewiesenes sozialpolitisches Profil, das sie attraktiv für die Lohnabhängigen macht, sie wird aber in anderen Bereichen als nicht konsensfähig angesehen, so etwa mit ihren außenpolitischen Positionen«. Auch dies wird mit Beispielen aus den Gesprächsprotokollen unterlegt:
»Also jetzt rein für Arbeitnehmerrechte, da würde man sagen, müsste ich die Linke wählen. Da gibt es aber andere Sachen … wie jetzt NATO und solche gesellschaftspolitischen Geschichten, wo ich dann sage, also nein, da komme ich nicht ran (…) geht nicht wirklich«, so hat es eine der Befragten formuliert. Ein anderer kleidet es in eine Frage: »Warum die Linken nicht mal irgendwo versuchen, sich anzupassen in einigen Punkten, wählbarer zu werden, weiß ich nicht«, wobei dies auch mit der – für die Befragten nicht erklärbaren – Nichtwahl der Linkspartei verbunden wird: »Wenn mir einer sagt, wenn du mich wählst, bekommst du 20 Prozent Lohnzuwachs, dann würde ich die doch wählen!«, so einer der Befragten mit Blick auf die Mindestlohnforderung der Partei. »Aber warum können die es nicht vermitteln?«
Generell, so Stöger und Bischoff bei der Vorstellung der Studie am Mittwochabend, sei auffällig, wie wenig die Linkspartei in den Gesprächsrunden überhaupt als Thema, als Akteur vorkam. »Das ist ein echtes Problem«, so formulierte es Bischoff. Stöger meinte etwas sarkastisch, die Linkspartei könne darüber beinahe froh sein, die SPD, die als Thema und Akteur sehr oft in den Gesprächen genannt wurde, sei in aller Regel sehr schlecht dabei weggekommen – wie die meisten Parteien generell. Die Studie hatte nicht das Ziel, zur Verankerung der Linkspartei im betrieblichen Alltag oder zum Wahlverhalten von Beschäftigten und Gewerkschaftern Aussagen zu treffen. Aber gerade deshalb könnte man den Befund – dass diese Partei in Gesprächen nur selten spontan angesprochen wird – als ziemlich aussagekräftig ansehen.
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