Wirtschaft
anders denken.

Rendite mit der Miete

26.07.2024
Bundesarchiv, Bild 183-1987-0128-310 , Lizenz: CC BY-SA 3.0

»Mythen des Neoliberalismus«, hieß eine Kolumne, mit der Patrick Schreiner und Kai Eicker-Wolf die gedruckte Ausgabe der OXI bereichert haben bevor 2023 daraus das Buch »Wirtschaftsmärchen« wurde. Für sein jetzt erschienenes Buch »Nichts für alle. Wie Politik und Wirtschaft uns den Sozialstaat kündigen« hat sich der Politikwissenschaftler und Gewerkschafter Patrick Schreiner mit Menschen unterhalten, die an unterschiedlichen Stellen für den Sozialstaat arbeiten. Wir veröffentlichen hier einen gekürzten Auszug aus Kapitel VIII »Wohnen. Zum sozialen Frieden beitragen.«

Dass der Markt keinen bezahlbaren Wohnraum schafft wissen alle, die je mit wenig Geld eine Bleibe gesucht haben. Dennoch diente und dient diese Lüge seit Jahrzehnten dazu, einem tatsächlich sozialen Wohnungsbau die Mittel abzugraben und sie in private Profite umzuwandeln.

(…)

2018 gab es in Deutschland fast 42 Millionen Wohnungen, Einfamilienhäuser mitgerechnet. Etwas weniger als die Hälfte davon waren selbstgenutzt. Etwas mehr als die Hälfte waren Mietwohnungen. Etwa zwei Drittel der Mietwohnungen gehören privaten Kleinvermieterinnen und Kleinvermietern: Ede Schmitt und Pia Meier, Menschen wie Du und ich – mit dem nicht ganz so kleinen Unterschied, dass sie eine, zwei oder vielleicht zehn Wohnungen zu vermieten haben. Edes und Pias sind auf dem Land stärker vertreten als in den Städten; in Westdeutschland stärker als in Ostdeutschland.

Etwa dreizehn Prozent der Mietwohnungen gehören privaten Wohnungsunternehmen. Das mit Abstand größte ist so bekannt wie umstritten: Vonovia. Jede zehnte Mietwohnung gehört einem öffentlichen Unternehmen. Die meisten davon sind kommunal, also mehrheitlich im Eigentum von Gemeinden, Städten oder Kreisen. Etwa 9 Prozent der Mietwohnungen gehören Genossenschaften.

Am Hungertuch nagen Ede, Pia und Vonovia nicht. Die Mieten in neuen Verträgen stiegen in den größeren deutschen Städten zwischen 2010 und 2022 um fast 60 Prozent. Umziehen wird so immer teurer – weshalb viele Haushalte in unpassenden oder zu großen Wohnungen bleiben. Die Mieten in bestehenden Verträgen wuchsen weniger stark, ihr Plus entsprach deutschlandweit in etwa der Inflation. Was ein geringer Trost ist für die, die eine neue Wohnung brauchen. Zumal es in bestimmten Quartieren bei bestehenden Mieten deutliche Anstiege gab und gibt. Vielerorts werden Mieterinnen und Mieter verdrängt.

Ungleichheitstreiber Immobilieneigentum

Von den Mieten der ärmeren und mittleren Haushalte profitieren die, die Wohnimmobilien besitzen und vermieten. Und das sind recht wenige Personen, Fonds und Unternehmen. Etwa drei von vier der durch Privathaushalte vermieteten Wohnungen entfallen auf die 10 Prozent mit dem größten Vermögen. Und nur etwa 2 bis 3 Prozent aller Haushalte verzeichnen Mieteinkünfte von mehr als 1000 Euro pro Monat (ohne Abzug der Kosten). Das bedeutet: Die ärmere Hälfte finanziert den Vermögensaufbau einer kleinen Gruppe Reicher. Anders als häufig behauptet, ist damit auch privates Immobilieneigentum Treiber der sozialen Ungleichheit.

(…)

Ab dem späten 19. Jahrhundert bildeten sich die Grundzüge einer Wohngemeinnützigkeit heraus: Der Staat unterstützt bezahlbaren Wohnraum, der dauerhaft der breiten Bevölkerung mit kleinem und mittlerem Einkommen zugänglich ist. Die Gewinne der Wohnungsunternehmen werden beschränkt, nicht ausgeschüttete Gelder wieder in Wohnraum investiert. Trotz der anfänglich wenig sozialen Motive wurde die Wohngemeinnützigkeit das wichtigste Instrument für leistbares Wohnen – in Deutschland und Österreich, aber auch in anderen Ländern.

Später wurden auch öffentliche Institutionen selbst im gemeinnützigen Wohnungsbau aktiv, allen voran die Städte, Gemeinden und Landkreise. Gezwungenermaßen, muss man angesichts der Wohnungsnot nach dem Ersten Weltkrieg sagen. Ein großer Teil der kommunalen Wohnungsunternehmen hat seine Wurzeln in den Jahren der Weimarer Republik 1918 bis 1933.

Mit dem sozialen Wohnungsbau etablierte die Bundesrepublik nach dem Zweiten Weltkrieg ein weiteres Förderinstrument. Unternehmen erhielten Mittel, wenn sie bezahlbaren Wohnraum schufen. Die Bezahlbarkeit der Mieten war und ist dabei zeitlich befristet – anders als bei der Wohngemeinnützigkeit.

Architektur und soziale Prägung

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2018 gab es in Deutschland fast 42 Millionen Wohnungen, Einfamilienhäuser mitgerechnet. Etwas weniger als die Hälfte davon waren selbstgenutzt. Etwas mehr als die Hälfte waren Mietwohnungen. Etwa zwei Drittel der Mietwohnungen gehören privaten Kleinvermieterinnen und Kleinvermietern: Ede Schmitt und Pia Meier, Menschen wie Du und ich – mit dem nicht ganz so kleinen Unterschied, dass sie eine, zwei oder vielleicht zehn Wohnungen zu vermieten haben. Edes und Pias sind auf dem Land stärker vertreten als in den Städten; in Westdeutschland stärker als in Ostdeutschland.

Etwa dreizehn Prozent der Mietwohnungen gehören privaten Wohnungsunternehmen. Das mit Abstand größte ist so bekannt wie umstritten: Vonovia. Jede zehnte Mietwohnung gehört einem öffentlichen Unternehmen. Die meisten davon sind kommunal, also mehrheitlich im Eigentum von Gemeinden, Städten oder Kreisen. Etwa 9 Prozent der Mietwohnungen gehören Genossenschaften.

Am Hungertuch nagen Ede, Pia und Vonovia nicht. Die Mieten in neuen Verträgen stiegen in den größeren deutschen Städten zwischen 2010 und 2022 um fast 60 Prozent. Umziehen wird so immer teurer – weshalb viele Haushalte in unpassenden oder zu großen Wohnungen bleiben. Die Mieten in bestehenden Verträgen wuchsen weniger stark, ihr Plus entsprach deutschlandweit in etwa der Inflation. Was ein geringer Trost ist für die, die eine neue Wohnung brauchen. Zumal es in bestimmten Quartieren bei bestehenden Mieten deutliche Anstiege gab und gibt. Vielerorts werden Mieterinnen und Mieter verdrängt.

Ungleichheitstreiber Immobilieneigentum

Von den Mieten der ärmeren und mittleren Haushalte profitieren die, die Wohnimmobilien besitzen und vermieten. Und das sind recht wenige Personen, Fonds und Unternehmen. Etwa drei von vier der durch Privathaushalte vermieteten Wohnungen entfallen auf die 10 Prozent mit dem größten Vermögen. Und nur etwa 2 bis 3 Prozent aller Haushalte verzeichnen Mieteinkünfte von mehr als 1000 Euro pro Monat (ohne Abzug der Kosten). Das bedeutet: Die ärmere Hälfte finanziert den Vermögensaufbau einer kleinen Gruppe Reicher. Anders als häufig behauptet, ist damit auch privates Immobilieneigentum Treiber der sozialen Ungleichheit.

Ab dem späten 19. Jahrhundert bildeten sich die Grundzüge einer Wohngemeinnützigkeit heraus: Der Staat unterstützt bezahlbaren Wohnraum, der dauerhaft der breiten Bevölkerung mit kleinem und mittlerem Einkommen zugänglich ist. Die Gewinne der Wohnungsunternehmen werden beschränkt, nicht ausgeschüttete Gelder wieder in Wohnraum investiert. Trotz der anfänglich wenig sozialen Motive wurde die Wohngemeinnützigkeit das wichtigste Instrument für leistbares Wohnen – in Deutschland und Österreich, aber auch in anderen Ländern.

Später wurden auch öffentliche Institutionen selbst im gemeinnützigen Wohnungsbau aktiv, allen voran die Städte, Gemeinden und Landkreise. Gezwungenermaßen, muss man angesichts der Wohnungsnot nach dem Ersten Weltkrieg sagen. Ein großer Teil der kommunalen Wohnungsunternehmen hat seine Wurzeln in den Jahren der Weimarer Republik 1918 bis 1933.

Mit dem sozialen Wohnungsbau etablierte die Bundesrepublik nach dem Zweiten Weltkrieg ein weiteres Förderinstrument. Unternehmen erhielten Mittel, wenn sie bezahlbaren Wohnraum schufen. Die Bezahlbarkeit der Mieten war und ist dabei zeitlich befristet – anders als bei der Wohngemeinnützigkeit.

Architektur und soziale Prägung

Hans-Otto Kraus ist Wohnungsmanager der alten Schule, seit einigen Jahren im Unruhestand. Als studierter Architekt war er lange Technischer Geschäftsführer in verschiedenen kirchlichen und kommunalen Wohnungsunternehmen, zuletzt bei der GWG Städtische Wohnungsgesellschaft München. Noch heute kann er den Wohnungsbau nicht lassen – und baut eine kleine Wohnungsgenossenschaft mit auf.

Sein Interesse am gemeinwohlorientierten Bauen habe auch mit seiner Kindheit zu tun, so Kraus: »Ich bin in Schwabach bei Nürnberg aufgewachsen, in einer Siedlung für Flüchtlinge und Kriegsversehrte, wie es damals hieß. Es waren alles Sozialwohnungen. Das war meine Kindheit, meine soziale Prägung, in einer gemischten Bewohnerschaft.« Als Kind habe er sich da sehr wohlgefühlt. Hinzu komme, dass sein Vater damals Technischer Geschäftsführer beim Evangelischen Siedlungswerk in Bayern gewesen sei. Bei dem Unternehmen hat Kraus später als dessen Nachnachfolger selbst zu arbeiten begonnen. »Auch er war Architekt«, erzählt Kraus. »Ich habe ihm als Kind immer über die Schulter gesehen, wenn er zu Hause Pläne gezeichnet hat. Es hat mich fasziniert, dass daraus später richtige Gebäude geworden sind. Mit sechzehn oder siebzehn Jahren stand für mich der Entschluss fest, selbst Architekt zu werden.« Sein Interesse am sozialen Wohnungsbau habe sich dann im Studium entwickelt.

Der gemeinnützige Wohnungsbau war ein Erfolgsmodell, gerade in Verbindung mit dem sozialen. »Der gemeinwohlorientierte Wohnbau hat in Deutschland zum sozialen Frieden beigetragen«, sagt Hans-Otto Kraus, »der gesamte Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg wäre ohne den sozialen und gemeinnützigen Wohnungsbau überhaupt nicht möglich gewesen.« Dennoch geriet die Wohngemeinnützigkeit vor allem in den 1980er Jahren zunehmend in die Kritik. Sie galt nun vielen als zu teuer, zu marktfeindlich, zu sozialstaatlich. Die damalige Bundesregierung von CDU/CSU und FDP entschied, sie 1990 abzuschaffen.

Die abgeschaffte Gemeinnützigkeit hatte selbst Konsequenzen für Sozialwohnungen. Denn diese sind nur für einen begrenzten Zeitraum – etwa zwanzig oder dreißig Jahre – an soziale Zwecke gebunden. Nach Ablauf dieser Frist müssen sie nicht mehr zu günstigen Preisen an Bedürftige vermietet werden. Da in der frühen Bundesrepublik ein Großteil der Sozialwohnungen von Gemeinnützigen gebaut wurde, war dies zunächst nicht problematisch: Wohngemeinnützigkeit schreibt ja niedrige Mieten vor, so dass gemeinnützige Sozialwohnungen weiter preisgünstig angeboten wurden, nachdem die Bindung auslief. Mit der Wohngemeinnützigkeit wurde dieses Auffangnetz abgeschafft, so dass die Eigentümer sie nach und nach zu Marktpreisen vermieten konnten. Die Zahl der Sozialwohnungen sank zwischen 1986 und 2021 von etwa 3,4 Millionen auf knapp eine Million.

Wohnen teuer, Kommunen Pleite

Dem Ende der Gemeinnützigkeit folgten Privatisierungen – mit verheerenden Folgen. »Wenn das freie Spiel der Kräfte wirkt, dann können sich viele Bürgerinnen und Bürger das Wohnen nicht mehr leisten«, sagt Hans-Otto Kraus, »jedenfalls nicht das Wohnen auf einem Niveau, wie es einem reichen Land wie Deutschland angemessen ist.«

Ab den 1990er Jahren aber betraten Investoren aus dem In- und Ausland die Bühne. Guy Hands beispielsweise. Man wird ihm seinen Riecher für gute Geschäfte nicht absprechen können. Als Gründer und Kopf der Beteiligungsgesellschaft Terra Firma erwarb er 2001 von der damaligen rot-grünen Bundesregierung 64.000 Eisenbahner-Wohnungen. Es war der Grundstein für die Deutsche Annington. Die Übernahmen weiterer solcher Wohnungen sowie diverser Bestände von Städten, Gemeinden sowie Industrieunternehmen folgten. 2015 erhielt das Unternehmen seinen heutigen Namen: Vonovia. 2021 schluckte Vonovia – längst mit Abstand Marktführer – die Nummer zwei am Markt, die Deutsche Wohnen.

Die Privaten unterscheiden sich stark von den früheren Wohnungseignern: Ihr primäres Ziel sind Renditen, nicht bezahlbare Mieten. Auf einen weiteren Punkt macht Hans-Otto Kraus aufmerksam: Als problematisch erachtete Mieterinnen und Mieter haben zu privatisiertem Wohnraum einen schwereren Zugang. »Man muss schon sehen, dass es schwierige Mieterinnen und Mieter gibt«, sagt er, »private Wohnungsunternehmen und auch Kleinvermieter sind oft damit überfordert, diese zu betreuen beziehungsweise mit ihnen umzugehen.« Wenn man wegen jedem schwierigen Haushalt die Welt untergehen sehe, dann sei man dafür einfach ungeeignet.

Der Weg zu profitablen Investments in Wohnraum wurde den Guy Hands dieser Welt politisch bereitet. Gemeinnützigkeit abschaffen war ein erster Schritt, dem Privatisierungen folgten. Kommunen verkauften Wohnungen als vermeintliches »Tafelsilber«. Der Bund, die Länder sowie Landesbanken trennten sich von Wohnungsbeständen.

Kraus sagt dazu: »Die Privatisierungen erschütterten die deutsche Wohnungswirtschaft grundlegend. Selbst SPD-geführte Kommunen hatten ihre Gesellschaften verkauft, um Geld zu verdienen. Mit dem Verkauf ist ja nur kurzfristig Geld verdient worden, an der Einnahmestruktur der Haushalte hat sich aber nichts geändert. Es war also klar, dass nach ein paar Jahren die Kommunen wieder pleite sein würden. Und so kam es. Das war ja der Irrsinn dabei. « Und dann habe man festgestellt, dass die Städte gar keine Wohnungen mehr hatten, um beispielsweise Obdachlose oder schwierige Fälle unterzubringen. Sie konnten also Aufgaben gar nicht mehr erledigen, für die sie zuständig seien und blieben, so der Architekt.

Aus: Patrick Schreiner: »Nichts für alle«. Brumaire Verlag. Hier erhältlich.

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