Wirtschaft
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»Routinemäßig beschuldigt«: China, Afrika und die Schuldenkrise. OXI-Überblick zum FOCAC

03.09.2018
Almbauer / GemeinfreiGroße Halle des Volkes in Peking

Das »Forum on China-Africa Cooperation« startet und die Kritik an Pekings »Diplomatie der tiefen Taschen« wird sogleich wieder lauter. Zur Schuldenkrise in Afrika tragen chinesische Kredite aber nur zu einem kleineren Teil bei, zeigen Studien. 

Am Montag startet das »Forum on China-Africa Cooperation« (FOCAC) in Beijing: Staats- und Regierungschefs von 53 afrikanischen Staaten, die diplomatische Beziehungen zur Volksrepublik unterhalten, sind in die chinesische Hauptstadt eingeladen; es geht um wirtschaftliche Zusammenarbeit, um Kredite und um Raumgewinne in der globalen Konkurrenz – nicht zuletzt aus der Perspektive des Westens.

»Afrika als Experimentierfeld für Chinas Außenpolitik«, titelt etwa die »Frankfurter Allgemeine«. Auch dieses Jahr würden sich »afrikanische Staatschefs wieder Milliardenkredite aus Peking« erhoffen, »doch immer mehr Stimmen warnen, dass viele Länder sich überschulden und damit von China abhängig machen«.

In China verfolgt man das westliche Echo genau: »Jedes Mal, wenn das Forum stattfindet, sind in westlichen Medien und von Politikern eine Welle von Kommentaren zu hören«, heißt es in einem Meinungsbeitrag der KP-nahen »Global Times«. Es würden dabei stets »saure Trauben« herausgesucht, statt die Frage aufzuwerfen, »warum die Zusammenarbeit der USA und Europas mit Afrika ins Hintertreffen geraten ist«. Das Problem des Westens bestehe darin, dass von dort »auf Afrika herabgeblickt« werde und in einem »untergeordneten Status« die »Randbedürfnisse der westlichen Gesellschaft befriedigen« solle.

China und der Kapitalismus:
Die Grenzen des westlichen Blicks

China ist inzwischen Afrikas größter Handelspartner und investiert aktiv auf dem Kontinent. Der FOCAC findet alle drei Jahre statt, zuletzt war dies 2015 in Johannesburg. »Der Handel wuchs beständig und in hohem Tempo und erreichte 2014 ein Rekordvolumen von stolzen 216 Milliarden US-Dollar, fast das Vierfache des deutsch-afrikanischen Warenaustauschs«, heißt es in einem Überblick in der »jungen Welt«.

Dort wird auch auf die Umbrüche in den chinesisch-afrikanischen Beziehungen verwiesen: »Im Jahr 2015 stürzte der chinesisch-afrikanische Handel plötzlich ab, weil die Preise für Erdöl und andere Rohstoffe einbrachen: Der Wert der chinesischen Importe aus Afrika, die weitgehend aus Rohstoffen bestanden, ging in den Keller. In dieser Situation hat der FOCAC-Gipfel im Dezember 2015 in Johannesburg einen Kurswechsel gebracht: Es wurde beschlossen, chinesische Unternehmen ›zu ermutigen‹, Produktionsstätten in Afrika aufzubauen und damit nicht nur Arbeitsplätze zu schaffen, sondern auch Personal auszubilden und Technologietransfer zu leisten. Der chinesischen Industrie kam das durchaus recht: Der Schritt bot die Chance, Fabriken, die aufgrund der in der Volksrepublik steigenden Löhne nicht mehr genügend Gewinn abwarfen, in afrikanische Niedriglohnländer zu verlagern.«

In der FAZ heißt es zum Forum: Vor drei Jahren habe China »Kredite und Darlehen im Wert von 60 Milliarden Dollar in Aussicht gestellt.« (In anderen Veröffentlichungen ist von 35 Milliarden US-Dollar die Rede.) Doch in diesem Jahr steht Pekings Diplomatie der tiefen Taschen unter besonderer Beobachtung. Denn es mehren sich die Stimmen, die davor warnen, dass die chinesische Freigiebigkeit viele Länder in die Überschuldung treibt und sie damit von China abhängig macht.«

Dazu wird regelmäßig auf die Verschuldung von Sambia, Dschibuti und Kongo in China verwiesen. »In Dschibuti etwa machten chinesische Kredite Ende 2016 rund 77 Prozent der Schuldenlast aus«, so die FAZ, die das Land als einen wichtigen »Brückenkopf für Xi Jipings Prestigeprojekt, die Neue Seidenstraße« bezeichnet. »Vom Hafen von Dschibuti führt eine neue Eisenbahnstrecke in die Hauptstadt Äthiopiens. Über weitere Strecken soll künftig ganz Ostafrika in einem Schienennetz erschlossen werden.« Zitiert werden zudem Quellen in den USA, wo es in einem Pentagon-Bericht heiße, »Länder, die an der Neuen Seidenstraße teilnehmen, könnten in wirtschaftliche Abhängigkeit von chinesischen Krediten geraten, was China als Hebel nutzen könnte, um seine Interessen zu erreichen«.

Was ist dran an der Behauptung, »Chinas Diplomatie der tiefen Taschen« würde Afrika in die Schulenabhängigkeit und damit unter politische Kontrolle zwingen? »Nach unseren Erhebungen tragen chinesische Kredite derzeit nicht in bedeutendem Maß zur Schuldenkrise in Afrika bei«, heißt es bei der China-Afrika-Research-Initiative der Johns Hopkins Universität. Untersucht wurden für eine Studie 17 Staaten Afrikas, von denen deutliche Verschuldungsprobleme bekannt sind. In acht der Länder sind andere Ursachen als chinesische Kredite dafür verantwortlich,

In sechs Staaten spielen chinesische Kredite eine größere Rolle, etwa in Äthiopien und in Ghana; doch kann man Probleme dort nicht China allein in die Schuhe schieben, denn Äthiopien hat sich neben zwölf Milliarden US-Dollar in China weitere 17 Milliarden US-Dollar woanders geliehen, unter anderem bei der Weltbank, während Ghana in der Volksrepublik mit vier Milliarden US-Dollar in der Kreide steht, aber mit 21 Milliarden US-Dollar bei anderen Kreditgebern.

Zu ähnlichen Ergebnisse kommt das Center for Global Development, für das W. Gyude Moore die Schuldenlage in Afrika untersucht hat: China werde »routinemäßig der ›Schuldenfallen-Diplomatie‹ beschuldigt« oder es werde der Vorwurf erhoben, Peking würde »insbesondere Entwicklungsländer in unhaltbaren schuldenbasierte Abhängigkeiten« führen. Dies werde mit dem Argument verbunden, dass »Chinas eigene wirtschaftliche und geostrategische Interessen maximiert, wenn seine Kreditpartner in Not sind«. Dies könne aber nicht überzeugen.

Tatsächlich sei die Verschuldung Afrikas gegenüber China nicht bemerkenswert, wenn man sie mit der gesamten Auslandsverschuldung des Kontinents vergleicht. Zwar sei die Lage in einigen afrikanischen Länder alarmierend, das sei sie aber »unabhängig vom Gläubiger«. Chinas summierte 115 Milliarden US-Dollar an Krediten für Afrika, die zwischen 2000 und 2016 ausgereicht wurden, »machen weniger als 2 Prozent von Afrikas 6  Billionen Schuldenlast aus«. Die Rede von der Schuldenfalle wurzele »in der Angst vor dem Aufstieg Chinas als Weltmacht« und spiegele nicht die Realität Afrikas wider.

Die chinesische Führung wehre sich gegen den Vorwurf der »Schuldenfalle«, schreibt die »Frankfurter Allgemeine«, der ruandische Präsident Paul Kagame habe der Nachrichtenagentur Xinhua gegenüber erklärt, die Kritik komme von denjenigen, die »zu wenig geben«. Die Gelder seien nötig, um Afrika voranzubringen. Weiter heißt es in dem Bericht, »erwartet wird zugleich, dass die afrikanischen Führer darauf drängen werden, dass China mehr Geld in die industrielle Entwicklung des Kontinents investiert, mehr Technologietransfer ermöglicht und mehr lokale Arbeitsplätze schafft«.

Laut der Johns Hopkins Universität fließen aktuell etwa 13 Prozent der chinesischen Investitionen in den Aufbau von Produktionsstätten. W. Gyude Moore verweist zudem auf zurückgehende öffentliche Entwicklungshilfe und Rücküberweisungen. »Daher sind Investitionen aus China eine der wenigen Möglichkeiten, wie afrikanische Länder die Infrastruktur finanzieren können, die sie so dringend benötigen.« Dazu heißt es im »nd«, China organisiere »in Afrika unter anderem den Bau von Häfen, Flughäfen, Eisenbahnstrecken, Autobahnen, Bergwerken und Handynetzen. Nachdem das eigene Land bereits eine perfekte Infrastruktur besitzt, gehen seine Baufirmen nun im staatlichen Auftrag in Entwicklungsländer«. Die so bedachten Länder seien »bereit, den Wohltäter aus Asien dafür politische zu unterstützen und erklären das auch immer offener. Peking fährt daher jetzt schon eine außenpolitische Dividende für die Afrika-Kredite ein.«

Dass Gläubiger nicht nur aus Barmherzigkeit Kredite vergeben, sondern dies auch mit ökonomischen und politischen Interessen verbunden ist, wird man dabei nicht als chinesische Besonderheit betrachten können. Man muss nur an die kritischen Kommentare zur deutschen Afrikapolitik erinnern, die unlängst vor dem Hintergrund Angela Merkels Reise auf dem Kontinent veröffentlicht wurden. Auch Beim Treffen von Merkel und Ministerpräsident Li Keqiang im Juli ging es um Positionen in der internationalen Konkurrenz in Zeiten, in denen im globalen Kapitalismus die Karten von Tag zu Tag lauter neu verteilt werden.

Foto: Große Halle des Volkes in Peking, Almbauer / Gemeinfrei

Geschrieben von:

OXI Redaktion

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