Wirtschaft
anders denken.

Schiff und immer noch nicht Ahoi

27.09.2018
Wranzl , Lizenz: CC BY-SA 3.0Abwrackung in Bangladesch

Auch viele deutsche Reeder verkaufen ihre Schiffe zum Abwracken im globalen Süden, wo die Stahlriesen unter schlimmsten Bedingungen zu Schrott zerkleinert werden. Nun soll sich das ändern. Vielleicht.

2009 wurde in Hongkong ein Internationales Übereinkommen über das sichere und umweltgerechte Recycling von Schiffen getroffen. Weil zu wenige Staaten diese Vereinbarung ratifiziert haben, ist sie noch nicht in Kraft getreten.

Nun – nur neun Jahre später – gibt es einen Gesetzentwurf der Bundesregierung, in dem vorgeschlagen wird, das Übereinkommen zu ratifizieren. Derzeit liegt der Entwurf in den zuständigen Ausschüssen, nachdem er in dieser Woche im Plenum ohne Beratung aufgerufen worden war.

Als Begründung, jetzt doch zur Ratifizierung zu schreiten, gibt die Bundesregierung an: »Der Verzicht auf die Ratifikation wäre verbunden mit Nachteilen für die Umwelt und die Sicherheit und Gesundheit von Arbeitern in Abwrackeinrichtungen sowie für die Glaubwürdigkeit Deutschlands als völkerrechtlicher Vertragspartner.« Die Frage, warum dies nicht bereits 2009 gegolten haben soll, würde höchstwahrscheinlich nicht beantwortet, stellte man sie.

Die Diskussion um die Art und Weise, wie alte Schiffe abgewrackt werden, ist alt. Bereits in den 1980er Jahren gab es einen Vorschlag des Internationale Maritime Forum der EU, eine große Abwrackwerft in Liberia zu bauen. Eine solche Werft im nichteuropäischen Ausland wäre eine gute Abwehr gewesen gegen eine generelle Rücknahmepflicht aller in der EU hergestellten Schiffe durch die Hersteller.

Bereits damals war bekannt: Abwracken gehört zu den dreckigsten Arbeiten der Welt. Ein Arbeitskreis der IG-Metall mit dem Namen »Andere nützliche Produkte« jedenfalls betitelte die Ergebnisse einer Untersuchung so. Seit 1998 verbietet eine Zusatz zum Baseler Giftmüllabkommen den Export von gefährlichen Sonderabfällen aus OECD-Staaten in Nicht-OECD-Länder. In den Ländern, die Schiffe bauen wird seitdem darum gestritten, ob ausrangierte Schiffe, die immer hochgiftige Schadstoffe enthalten wirklich unter die Konvention fallen. Aus Sicht vieler Reeder sind sie einfach nur Schrott.

Fast alle europäischen Schiffe werden auf den Stränden Südasiens ausgeschlachtet. Reedereien beauftragen einen Broker, der Broker sucht einen Käufer für das Schiff. Findet sich keiner, wird das Schiff an einen Mittelsmann verkauft, der es an Abwrackwerften weiterveräußert. Das ist sozusagen eine Externalisierungsgeschichte wie im Lehrbuch.

Der Mittelsmann wird für kurze Zeit Eigentümer des Schiffs, das er unter einer Billigflagge registriert und zu einer Abwrackwerft bringt. Spätestens haben die, die vorher jahrelang mit dem Schiff Profit gemacht haben, nichts mehr mit dem Schrott zu tun.

In Indien, Bangladesh oder Pakistan (das sind die Länder, in denen sich die meisten Abwrackwerften befinden) werden die Schiffe in hohem Tempo auf Land gefahren. Da liegen sie in einem fragilen Gleichgewicht und werden von Arbeitern auseinandergenommen. Moderne Sklaverei, schlimmste Arbeitsbedingungen, die Männer zerlegen die Schiffe mit bloßen Händen. Asbest, Schwermetalle, Ölschlämme, krebserregende Substanzen – die Arbeiter entfernen die Abfälle, zerteilen den Stahl. Schadstoffhaltige Rohstoffe werden verkauft, Abwässer verklappt. Der Stahl bringt Geld, besonders dann, wenn die Lohnkosten extrem niedrig sind. Der größte Teil der Arbeit wird mit den bloßen Händen verrichtet, es passieren viele Unfälle, schwere Maschinen können am Strand nicht eingesetzt werden. Verletzungen oder tödliche Unfälle sind die Folge dieser Arbeitsbedingungen. Die meist Wanderarbeiter sind nicht versichert, geschweige denn, sozial abgesichert. Obwohl es verboten ist, arbeiten auch Minderjährige an den Abwrackstränden.

Auch viele deutsche Reeder verkaufen ihre Schiffe zum Abwracken an diese Werften. Nun also soll sich das vielleicht ändern. Die etwas zynische Begründung dafür findet sich in dem Gesetzentwurf der Bundesregierung. Hier heißt es: »Dieses Gesetz verursacht für die Wirtschaft keine weiteren Kosten. Selbst wenn Deutschland das Übereinkommen von Hongkong nicht ratifiziert, werden die wesentlichen Verpflichtungen für Deutschland über die Verordnung (EU) Nr. 1257/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. November 2013 über das Recycling von Schiffen und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1013/2006 und der Richtlinie 2009/16/EG (ABl. L 330 vom 10.12.2013, S. 1) spätestens am 31. Dezember 2018 verbindlich.«

Na dann kann man ja auch eine seit neun Jahren existierende Übereinkunft ratifizieren. Das früher zu tun, hätte die Reeder nur unnötig Geld gekostet. Das muss ja nicht sein. Deutschland war eine der größten Seefahrernationen der Welt. Noch vor vier Jahren standen deutsche Reeder auf der Liste der schlimmsten Verschmutzer bei der Verschrottung von Schiffen an zweiter Stelle, an erster die griechischen Reeder.

2007 war der Dokumentarfilm »Eisenfresser« von Shaheen Dill-Riaz zu sehen. Bilder von den Abwrackwerften in Chittagong (Banglasdesh). Fast unerträglich die Bilder, aber nicht überraschend. Der Film erhielt für seine »poetische Kameraführung« den Grimme-Preis. Die 2005 entstandene NGO Shipbreaking Platform verfasst jährlich einen Bericht zum Thema.

Foto: Wranzl / CC BY-SA 3.0

Geschrieben von:

Kathrin Gerlof

OXI-Redakteurin

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