Wirtschaft
anders denken.

»Es ist so ein peinliches Elend«: GroKo, MioMioGate und § 219a

22.02.2018
OXISind die Würfel schon gefallen?

Alte Männer machen sich für die Große Koalition auf Werbetour. Die Sache mit dem § 219a empört viele. Und nochmal kurz zum MioMioGate der »Bild«. Der Morgenüberblick zum SPD-Basisentscheid: GroKo oder NoGroKo?

Wie geht es eigentlich Andrea Nahles und Olaf Scholz, wenn die morgens die Zeitungen lesen? Altkanzler Gerhard Schröder erzählt herum, dass er »natürlich für den Koalitionsvertrag« gestimmt hat. Wo? Natürlich bei einer »Wirtschaftsveranstaltung«, wie es in den Meldungen heißt. Ex-Parteichef Rudolf Scharping (der mit dem Fahrrad) macht in »Rhein-Zeitung« gegen die GroKo-Kritiker mit dem Hinweis GroKo-Stimmung, »die SPD ist keine Selbsterfahrungsgruppe«. Und so geht es in einem fort.

Die sozialdemokratische Parteispitze wird ja kaum ernsthaft glauben, solche Ja-Sager tragen zur Werbung ProGroKo bei. Andererseits wird das Willy-Brandt-Haus solcherlei Statements derzeit auch nicht vermitteln. Man lässt es eher über sich ergehen. Das dürfte auch für Äußerungen des geschäftsführenden Außenministers Sigmar Gabriel gelten, der nun erklärt, er halte nichts davon, »um Ämter »zu kämpfen«. Der »Braunschweiger Zeitung« teilte Gabriel dann sich selbst lobend auch noch mit, dass er sich doch nie und nimmer selbst lobe. »Welch ein Unsinn« – aber so seien »die Zeiten«, die Gabriel solche »des großen Verdachts« nennt.

Keinen besonderen Verdacht hegte die »Bild«-Zeitung angesichts dubioser Emails aus angeblich russischer Quelle – und sitzt nun da, wie so ein Blatt eigentlich täglich dasitzen müsste. Kritik aus allen Ecken, die Peinlichkeit der Angelegenheit ist den Kommentaren der Kolleginnen und Kollegen anzumerken. In der »Bild«-Zentrale darf man sich über ein paar Unterstützer freuen, Jakob Augstein etwa oder Hubertus Knabe. Auch der Ex-CDU-Mann Philip Lengsfeld gehört zur kleinen Schar derer, die nicht etwa die unsägliche Unterbietung aller Standards bei der Stimmungskanone »Bild« für ein Problem halten, sondern den Coup der »Titanic«.

Derweil demonstriert der Chefredakteur (sagt man das so bei so einer ähm: Zeitung?) gerade eine öffentliche Schau des Sich-selbst-in-die-Scheiße-reitens. Ausreden zum Fremdschämen machen es schwer, die Sache überhaupt noch zu verfolgen. Interessantes fördert Zeit online aber dann noch zu Tage: Wo Julian Reichelt behauptet, man habe sich erst zur Berichterstattung über die Juri-Emails entschieden, nachdem die SPD angekündigt hatte, Strafanzeige zu stellen, heißt es nun: »Allerdings wurde nicht gewartet, bis die SPD tatsächlich Anzeige erstattet hatte: Ein Sprecher der SPD sagte, die Strafanzeige sei erst nach Erscheinen des ersten Bild-Artikels am vergangenen Freitag gestellt worden.«

Apropos: Im Zusammenhang mit den zum Zwecke der Aufklärung gefälschten E-Mails mahnt SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil jetzt zur Sorgfalt: »Gerade in Zeiten von Fake-News und Lügenpresse-Vorwürfen ist seriöse journalistische Arbeit sehr wichtig.« Das unterschreiben wir sofort, geben aber zu bedenken, dass unwahre Darstellungen sich auch für eine Partei nicht geziemen. Als solche wird jedenfalls an der Basis ein Teil der Behauptungen angesehen, mit denen die SPD-Spitze für ein Ja zur GroKo wirbt. Dass in die Abstimmungsunterlagen ein Brief eingelegt wurde, in dem nur die Pro-Position ausführlich ihre Meinung darlegen kann, regt die Leute immer noch auf. Man könnte in dem Fall mindestens von Fehl-News sprechen.

Am Beispiel Klingbeil lässt sich übrigens zeigen, wie im Kleinen der Sprache das große Politische sich versteckt. Etwa in dem wiederholten Hinweis, »wir diskutieren weiter fair und sachlich« über den Koalitionsvertrag, was die Kritiker der GroKo eben genau so nicht immer erleben. Und wenn Klingbeil dann sagt, die SPD treffe »am 4. März eine kluge Entscheidung«, dann klingt darin auch an: ein Nein wäre eine dumme. Da darf man dann den amtierenden Oberkommissar Scholz zitieren: »Als Bürger muss man da den Eindruck bekommen, es gehe der SPD nicht um die Sache, sondern nur um sich.«

Ja, irgendwie schon. Jedenfalls sieht das Gebaren der Sozialdemokraten beim so wichtigen Thema der Abschaffung des umstrittenen § 219a »Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft« so aus. Anders als zunächst geplant, will die SPD ihren Antrag zur Debatte doch nicht im Bundestag einreichen. Das Thema hatte dadurch Brisanz erhalten, das ein Gericht im vergangenen Jahr eine Ärztin zu einer Geldstrafe verurteilte, die im Internet über die Möglichkeiten zum Schwangerschaftsabbruch informiert hatte.

Viele hatten gehofft oder erwartet, dass die SPD die aktuelle Mehrheitsoption nutzt, gemeinsam mit FDP, Linkspartei und Grünen für die Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen zieht. Die GroKo im Blick und in vorauseilender Koalitionsdisziplin scheint das nun aber anders zu laufen – die Sozialdemokratin Eva Högl setzt »weiter auf Gespräche«, eventuell  wolle man über Gruppenanträge gehen, das sind fraktionsübergreifende Initiativen von Abgeordneten.

Högl sagt, man wolle »sicherstellen, dass Frauen sich objektiv über Schwangerschaftsabbrüche informieren können und Ärzte sich dadurch nicht strafbar machen«. Genau. Dazu wäre die Streichung des § 219a die einfachste und die beste Lösung. Doch nun lauten die Schlagzeilen: »SPD knickt schon jetzt vor der Union ein

»Eine emanzipatorische Partei muss für die Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen stehen, sie leicht zugänglich machen und das auch, in dem Abbrüche Kassenleistung sind«, sagt Teresa Bücker von der »Edition F«. Und wenn die SPD immer noch einer Erklärung für die einbrechende Zustimmung sucht, dann bitte auch bei diesem Thema: »Nein. Nein. Nein. Ich gebe mir Mühe aber ich kann nicht nachvollziehen, wie aufgeklärte Menschen an Paragraf 219a festhalten wollen. Frauen sind keine unmündigen, labilen Wesen«, so Bücker.

Oder noch etwas kürzer mit Margarete Stokowski gesprochen: »Es ist so ein peinliches Elend.«

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